Frauenfeindlichkeit im Reality-TV: Nicht alles ist Unterhaltung
Bei „Temptation Island“ erzählt ein Kandidat vom eigenen übergriffigen Verhalten. Die Produktion lässt das unkommentiert stehen und verpasst eine Chance.
A ls Reality-TV-Zuschauer*in ist man einiges gewohnt: Beleidigungen, Sexismus, toxische Beziehungen. Was im Alltag empört, wird in den Sendungen zur Quote. Doch selbst in dieser Branche sollte es Grenzen geben. „Temptation Island“ zählt zu den beliebtesten Reality-Formaten von RTL+. Das Prinzip ist simpel: Vier Paare werden zwei Wochen getrennt – die Männer in eine Villa voller Single-Frauen, die Frauen in eine Villa voller Single-Männer. Das soll die Treue der Paare auf die Probe stellen. Einer der Teilnehmer ist Aleks Petrovic. Schon in einer früheren Staffel betrog er seine damalige Freundin mit Vanessa Nwattu, mit der er nun dort, wo alles begann, antritt. Petrovic pflegt das Image des „maskulinen Mannes“, der sich als Führungsfigur inszeniert.
In der Sendung erklärt er, seine Partnerin sei zu meinungsstark, zu verwöhnt und der Sex zu selten. In einem Gespräch mit Mitkandidat Wladi beklagt er sich, Vanessa habe am Tag der Verlobung keinen Sex gewollt. „Nein, ich fühle mich nicht danach“, habe Nwattu laut Petrovic’ Erzählung gesagt. Er habe sich aber Mühe gegeben, also sei das doch zu erwarten. Später fügt er hinzu, sie habe aus schlechtem Gewissen dann doch eingewilligt. Die Kommentatorin reagiert mit einem Satz: „Puh – ich lasse das mal unkommentiert.“
Doch genau hier liegt das Problem. Warum eigentlich unkommentiert? Wenn ein Kandidat offen über sexualisierte Grenzüberschreitungen spricht, wenn Frauen herabgewürdigt werden, wenn Männlichkeitsbilder reproduziert werden, die längst überholt sein sollten, dann sollte eine Produktion das nicht einfach laufen lassen. Doch klare Worte finden nur die Zuschauenden in den sozialen Medien.
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Reality-TV lebt von Konflikten, aber nicht alles ist Unterhaltung. Eine Redaktion, die solche Szenen sendet, trifft viele Entscheidungen: Sie wählt aus, schneidet, kommentiert – oder eben nicht. Wer Gewalt, Erniedrigung oder Übergriffigkeit als Teil der Show stehen lässt, übernimmt Mitverantwortung für deren Normalisierung. Schließlich fühlen sich Männer wie Petrovic bereits wohl genug, in die Kamera zu sagen: Er drängt – und sie ist das Problem.
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