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Frau­en*­bil­dungs­zen­trum in HamburgFeministischer Freiraum für alle

Das „Frau­en*­bil­dungs­zen­trum DENKtRÄUME“ sammelt seit fast 40 Jahren Zeugnisse der Frau­en*­be­we­gung. Es realisiert auch Forschungsprojekte.

Feministische Theorie und Belletristik bis unter die Decke: Das Frau­en*­bil­dungs­zen­trum in Hamburg Foto: Kirstin Bostelmann

Hamburg taz | Unauffällig in einem Hinterhof gelegen, findet sich auf nur 120 Quadratmetern eine geballte Ladung feministischer Bewegungsgeschichte. „Die Idee des Ortes ist, einen niedrigschwelligen Zugang zu feministischen Themen anzubieten“, sagt Nicolli Povijač über das Hamburger Frau­en*­bil­dungs­zen­trum DENKtRÄUME. Wie fast das ganze siebenköpfige Team arbeitet sie hier ehrenamtlich.

Gegründet wurde DENKtRÄUME 1983 aus dem Wunsch heraus, einen Ort für gemeinsames Lernen, Austausch und Vernetzung für Frauen in Hamburg zu schaffen. Bibliothek, Archiv und Veranstaltungsprogramm bilden bis heute die drei Säulen von DENKtRÄUME.

Die Wände der Bibliothek sind hinter den 12.000 Büchern kaum zu sehen. Eine Sitzecke lädt zum Schmökern ein, am Tresen gibt es Getränke. In den zwei Räumen der Bibliothek sind die großen Themen der feministischen Theorie vertreten: von Arbeit über Kunst und Gesundheit bis zu Antirassismus und Lesben.

Auch eine Abteilung zu Astrologie und Esoterik gibt es – aus historischen Gründen, denn seit der Gründung wurden kaum Bücher aus der Bibliothek entfernt. „Auch unsere Bibliothek ist ein Archiv der Frauenbewegungen“, sagt Karin Schönewolf. Sie ist seit den 1980er-Jahren dabei und arbeitet heute ebenfalls ehrenamtlich für das Frauen*bildungszentrum.

Etwas Besonderes ist neben der Sachbuchabteilung die Auswahl an feministischer Belle­tristik. Zu Beginn sei es darum gegangen, Literatur von Frauen sichtbar zu machen, „heute schauen wir nach Erzählungen, die eine feministische oder queere Perspektive anbieten“, sagt Povijač.

Über 100.000 Flugblätter

Ungefähr 100.000 bis 150.000 Flugblätter, Zeitschriften und Veranstaltungsprogramme füllen das hinter der Bibliothek gelegene Archiv der DENKtRÄUME. Die Artikel sind Zeugnisse der autonomen Frauen- und Lesbenbewegung – mit Fokus auf Hamburg.

Die meisten Archivalien lagern in ganz normalen Aktenordnern. In der Mitte des kleinen Raumes liegt ein Stapel der Ordner auf einem Tisch: Derzeit sortieren die Mitarbeiterinnen die gesammelten Zeitungsausschnitte neu und legen sie in säurefreie Archivmappen, damit sie länger haltbar bleiben. Zum Schutz der Archivalien soll auch die Digitalisierung des Archivs beitragen, die das Frau­en*­bil­dungs­zen­trum seit 2016 schrittweise vollzieht. Dadurch müssen die Materialien nicht im Original herausgegeben werden.

„Ein Ort, der Freiräume ermöglichen soll“, wie Povijač es beschreibt, ist das Frau­en*­bil­dungs­zen­trum bis heute. Neben den Be­su­che­r*in­nen in Bücherei und Archiv können auch Gruppen die Räumlichkeiten für ihre Treffen nutzen. Mit Lesungen, Vorträgen und Stadtrundgängen wirkt das Frau­en*­bil­dungs­zen­trum in die Öffentlichkeit.

An diesem Ort wird jedoch nicht nur Wissen gesammelt und zugänglich gemacht, es wird auch Wissen produziert: Jährlich realisiert das Bildungszentrum ein Forschungsprojekt. In diesem Jahr lautet das Thema „Frauenbewegung und NS-Täterinnenschaft“. Ausgehend vom „Fall Ruth Kellermann“, deren NS-Vergangenheit in den 80er-Jahren öffentlich gemacht wurde und die bei DENKtRÄUME aktiv war, beschäftigen sich die Mitarbeiterinnen mit den Diskussionen um NS-Täterinnenschaft in der zweiten Welle der Frauenbewegung in den 1980er-Jahren.

Mit der Weiterentwicklung der feministischen Bewegung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch die Zielgruppe des Frau­en*­bil­dungs­zen­trums erweitert: „Anfang der 1980er hätte ich hier keine Männer bei Veranstaltungen gewollt“, sagt Schönewolf. Heute seien bei DENKtRÄUME alle willkommen, die sich für feministische Themen interessierten.

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