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Frauen über 40Endlich unsichtbar

Es hat Vorteile, wenn frau nicht mehr so im Fokus der Aufmerksamkeit steht. Endlich muss sie vermeintliche körperliche Mängel nicht mehr verstecken.

Man wird ja wohl noch den Strandhafer angucken dürfen Foto: Stefan Sauer / dpa

F rauen über 40 sollen ja unsichtbar sein, vor allem für Männer. Meine Mutter hatte mir das zu einem Zeitpunkt erzählt, als 40 noch echt alt klang, ein Alter, das mir jetzt ausgesprochen jugendlich erscheint. Damals hatte mir diese Aussicht eine diffuse Angst gemacht – ohne dass ich hätte sagen können, warum. Mir haben nie viele Männer hinterher geguckt, es gab also nichts, was ich vermissen würde. Womöglich habe ich die Blicke nicht bemerkt, weil ich nicht wusste, dass junge Menschen zwar nicht zwangsläufig attraktiv sind, aber fast immer schön, so auch ich. „Youth is wasted on the Young“, ein Zitat, dessen Urheberschaft übrigens ungeklärt ist.

Vielleicht hatte ich Sorge vor permanenten Kopfverletzungen, weil frau die eigene Unsichtbarkeit daran erkennen soll, dass ihr keine Türen mehr aufgehalten werden. So steht es jedenfalls in einschlägigen Frauenzeitschriften, was mich ratlos macht: Die Deutschen sind nicht für ihre ausgesuchte Höflichkeit bekannt.

Ob jetzt also mehr Menschen als früher durch mich hindurch gucken, weiß ich daher gar nicht so genau. Jüngere tun das bestimmt, auch Frauen, das liegt daran, dass sie nicht verstehen, dass ich ihre Zukunft bin, während ich all ihre Altersstufen in mir trage und genau weiß, wie es ist, 15 zu sein, 25 oder 35. Ich habe das auch erst mit etwa 40 begriffen.

Irgendetwas machte zeitgleich mit dem Auftreten der ersten Zipperlein Klick und seitdem sehe ich Ältere besser als vorher. Wenn das nicht nur mir so geht, kann es nicht stimmen, dass Frauen im Alter unsichtbar werden, aber wahrscheinlich ändert sich der Blick auf sie. Sie werden von weniger Menschen und seltener als potentielle Se­xu­al­part­ne­r:in­nen wahrgenommen. Was streng genommen nur dann dramatisch ist, wenn dies auch einher geht mit weniger Sex, sofern man auf diesen Lust hat.

Schleimhaut wird dünner, das Fell dicker

Zudem hat es Vorteile, weniger im Fokus zu stehen. Früher bin ich nur ungern nackt schwimmen gegangen aus Angst begafft und beurteilt zu werden, was mir mittlerweile nicht ganz egal ist, aber ziemlich. Ich trage auch erst einen Bikini, seitdem ich 30 bin. Während meine Haut an Spannkraft verlor, wuchs mein Selbstbewusstsein. Die Schleimhaut wird dünner, das Fell dicker. Kürzlich hatte ich nach einem Sprung in die Weser keine Lust mich anzuziehen, es regnete eh, und ich radelte in Regenjacke und Bikini nach Hause und scherte mich einen Dreck darum, dass ich meine Cellulitis präsentierte.

Aber nein, ganz so cool wie ich es gern wäre, bin ich – noch? – nicht. Ich hätte mich im August nicht alleine an dem FKK-Strand auf Föhr gesonnt wie die vielleicht 30-jährige Frau, die hinter meiner Freundin E. und mir im Sand lag, in zweiter Reihe hinter ein paar Büscheln Strandhafer. Die sollten wohl als Schutz dienen vor den Blicken der Männer, die auf und ab flanierten, um einen Blick auf nackte Frauenhaut – auch unsere fast 50 Jahre alte – zu erhaschen (klar, vielleicht interessierten sie sich auch für den Strandhafer oder die wenigen männlich gelesenen Personen, die dort mit ihren Partnerinnen lagen).

Ein Mann um die 60 mit kräftigem Schmerbauch hatte sich zu helfen gewusst und sich an einem nahezu menschenleeren Strand einfach neben die Frau gelegt. „Stört es Sie?“, hörte ich ihn fragen und in Gedanken antwortete ich für sie: „Ja, sehr.“ Aber sie sagte: „Nein, kein Problem“. Später fragte ich sie, ob es ihr nichts ausmache, alleine am FKK-Strand zu sein. „Eigentlich nicht“, sagte sie, und erzählte dann, dass der Mann ihr, als E. und ich im Wasser waren, gesagt hatte, er habe sie „dann doch“ anschauen „müssen“, weil sie so schön sei. „Das hätte er lassen können“, sagte die Frau, beeilte sich aber hinterher zu schieben, sie sei recht „schmerzbefreit“ in der Hinsicht.

Ich weiß nicht, wie oft ich solche Sätze schon von weiblich gelesenen Menschen gehört habe. „Meine Schuld, wenn mich das stört. Ich muss einfacher noch tougher werden.“

Es tut so weh.

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Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.
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