Frauen Union-Chefin über Platzhirsche: „Die Männer haben Angst“
Als Landeschefin der Frauen Union in Niedersachsen wagt es Ute Krüger-Pöppelwiehe, das Reizwort „Quote“ vor CDU-Männern auszusprechen. Immer wieder
taz: Frau Krüger-Pöppelwiehe, wie ertragen Sie all die Platzhirsche in der CDU?
Ute Krüger-Pöppelwiehe: Wenn ein Platzhirschgebaren auftritt, dann reagiere ich darauf mit Freundlichkeit. Ich weise die Männer auch mal in ihre Schranken. Was aber am wichtigsten ist: Ich nehme ein solches Verhalten grundsätzlich nicht persönlich, sondern habe begriffen, dass es meine Einstellung ist, die bei vielen auf Widerstand stößt. Ich bin eben die Person, die Dinge fordert, die noch nicht in das Weltbild einiger Männer in der CDU passen. So wie die Quote.
Haben Sie schon einmal daran gedacht, hinzuschmeißen und aus der Partei auszutreten, die in Sachen Gleichberechtigung so hinterherhinkt?
Nein. Gerade das reizt mich. Ich sehe es als Herausforderung. Wenn wir, also die Frauen, die die Familienphase schon hinter uns haben, uns nicht für die Gleichstellung einsetzen, wer soll es denn dann machen? Die jungen Frauen erkennen manchmal noch nicht die Notwendigkeit, für die Quote zu streiten. In der Schule und im Studium läuft es für die „Mädels“ gut. Sie haben es noch gar nicht kennengelernt, wie es sein kann, wenn man sich in einer extrem männerdominanten Gruppe behaupten muss.
Wie läuft ihr Kampf bisher?
Frauen haben es in der CDU aufgrund der Rahmenbedingungen immer noch schwerer, bestimmte Positionen zu erreichen. Auf kommunaler Ebene haben wir etwa 80 Prozent Männer und nur 20 Prozent Frauen. Wenn dann Frauen kommen und jeden zweiten Platz auf den Listen einfordern, wären viele Männer über. Die Männer haben Angst vor diesem Machtverlust. Sie sehen zwar die Notwendigkeit, dass Frauen gefördert werden müssen, aber sie wollen selbst nicht verzichten. Da ist der Widerstand noch groß.
Wurden Sie selbst schon in der Partei benachteiligt, weil sie eine Frau sind?
56, ist die Landeschefin der Frauen Union in Niedersachsen. Die Mutter dreier erwachsener Kinder ist seit 13 Jahren CDU-Mitglied, lebt in Hannover und ist in der Kommunalpolitik aktiv. Hauptberuflich arbeitet sie im Jobcenter als Verwaltungsangestellte.
Das ist schwierig zu sagen. Ich weiß nicht, ob es nicht auch passiert wäre, wenn ich ein Mann gewesen wäre. Wenn man zu seinen Positionen steht und diese nicht mehrheitsfähig sind, fällt man hinten runter. Denn diejenigen, die darüber abstimmen, sind zum großen Teil Männer.
Sie sind also als Frau mit ihrem Kampf für frauenpolitische Themen nicht so beliebt?
Ja. Ich habe das Gefühl, dass manche Männer starke Frauen, die ihnen gefährlich werden könnten, versuchen, im Vorfeld zur Seite zu schieben. Wenn man gewisse Posten besetzen will, hält man ohne Quote gar nicht erst Ausschau nach einer Frau. Aber die Mehrheit der Männer bringt Probleme mit sich.
Und zwar?
Ich hatte eine Diskussion mit einem jüngeren Mann: Anfang 40, gut situiert, alleinstehend. Es ging um das Thema sozialen Wohnungsbau. Sein Standpunkt war, dass diejenigen, die sich die steigenden Mieten in der Stadt nicht leisten können, doch bitte aufs Land ziehen sollen. Da bin ich schlicht und ergreifend explodiert. Frauen sind viel stärker von Altersarmut betroffen, weil sie andere Erwerbsbiografien haben. Es braucht Frauen in der Politik, damit berücksichtigt wird, wie es in den Leben von Frauen aussieht. Aber ich muss dazu sagen, dass dieser Mann ein Einzelfall war.
Wie wurden Sie selbst aufgenommen, als Sie vor 13 Jahren in die CDU eintraten?
Ich wurde richtig gut aufgenommen. Man hat versucht, mich als jüngere Frau in viele Ämter einzubinden. Aber es gab natürlich auch damals schon Absprachen darüber, dass bestimmte Posten an bestimmte Männer gehen. Die Frauen wurden dann Beisitzerinnen. Das ist auch gut zum Einstieg. Aber das Problem ist, dass sie in ihrer politischen Karriere auf das Wohlwollen von Männern angewiesen sind. Wenn sich Frauen thematisch positionieren und nicht dem männlichen Mainstream folgen, kann es schwierig für sie werden.
Hatten Sie das Gefühl, dass Sie sich mit den Männern gutstellen müssen, damit Sie weiterkommen?
Nein. Ich wollte nie eine politische Karriere machen. Ich bin in die CDU eingetreten, weil es die Partei ist, mit der ich die größte Schnittmenge habe. Und ich wollte die Politik im Bezirksrat Südstadt-Bult in Hannover mitgestalten. Ich war dort fünf Jahre lang Fraktionsvorsitzende.
Dann haben Sie als Frau aber doch Unterstützung erfahren?
Ja. Aber ich konnte diese Position nur erreichen, weil es Männer gab, die mich dort haben wollten. Wäre dort ein Mann gewesen, der Anspruch auf diese Position erhoben hätte, wäre ich definitiv nicht Vorsitzende geworden.
Halten die Frauen in der CDU denn zusammen?
Das weiß ich nicht. Es gibt sicher auch Frauen, die sagen, dass wir die Quote nicht brauchen, weil sie überzeugt sind, dass wir es auch ohne schaffen.
Von Männern aus der CDU hört man, die Frauen würden sich gegenseitig nicht unterstützen, wenn es etwa um Posten geht. Fehlt die Solidarität?
Eine Frau, die sich so klar positioniert wie ich, wenn ich sage, dass wir das Reißverschlussverfahren brauchen, verliert natürlich an Beliebtheitswert bei den Männern. Für manche Frauen ist es vor diesem Hintergrund vielleicht manchmal schwierig, sich dazu auch gegenüber den Männern zu bekennen.
Sind Sie manchmal neidisch auf die Grünen?
Neid hilft nicht weiter. Die Partei ist anders gewachsen als die CDU. Aber man kann, was die Beteiligung von Frauen betrifft, von anderen Parteien gut lernen. Die Instrumente, die wir bisher in der CDU hatten, haben nicht funktioniert. Sprich: Das Quorum, wonach jeder dritte Platz mit einer Frau besetzt werden sollte. Verpflichtend ist das nicht. Wir brauchen ein stärkeres Instrument – das Reißverschlussverfahren.
Wenn Sie das Wort „Quote“ aussprechen, zucken die CDU-Herren dann zusammen?
„Quote“ ist ein absolutes Reizwort. Bislang habe ich immer vom Reißverschlussverfahren gesprochen. Die paritätische Besetzung der Listen kann aber nur der erste Schritt sein. Wir müssen auch die Parteiämter mit einer Quote besetzen. Wir müssen das einfach immer wieder transportieren, dass wir zu wenig Frauen in der CDU haben.
Damit gehen Sie den Männern sicher ganz schön auf die Nerven.
Ganz ehrlich, das mag ja sein, dass der eine oder andere Mann mir signalisieren will, dass ich ihn nerve, aber ich nehme das überhaupt nicht wahr, weil es mich nicht interessiert. Ich denke dann, langweilt euch nur alle. Ihr müsst da jetzt sitzen bleiben und mir zuhören. Aber so kann sich nicht jede Frau durchsetzen. Ich habe eben nichts zu verlieren.
Inwiefern?
Das ist die Stärke meiner Position. Ich habe kein Mandat inne. Mein Geld verdiene ich außerhalb der Politik. Man kann mir nicht, wenn ich mich nicht wohlfeil verhalte, meine Lebensgrundlage streitig machen.
Ist das der Grund, warum Abgeordnete es eher runterschlucken, wenn Posten wieder an Männer gehen?
Ich könnte es mir vorstellen. Im niedersächsischen Landtag müssen sie ja immer zurück in die Fraktion. Von 50 Abgeordneten sind nur neun Frauen. Ich stelle es mir sehr schwer vor, mich dort für etwas einzusetzen, von dem ich weiß, dass die Mehrheit der Männer und vielleicht auch einige Frauen eine andere Meinung haben. Keiner kann sich einem gewissen Gruppendruck entziehen. Außerdem ist das Selbstverständnis von Frauen in der CDU vielleicht auch noch ein anderes als in anderen Parteien.
Inwiefern?
Sie haben noch ein anderes Frauenbild. Die Frauen sind zurückhaltender, stärker familienorientiert und sind vielleicht eher bereit, hinter Männern zurückzutreten, als für ihre eigenen Interessen einzustehen.
Wie ist der Umgang zwischen Männern und Frauen in der CDU in Niedersachsen?
Sehr höflich und zuvorkommend. Da gibt es kein Problem.
Parteichef Bernd Althusmann und der Fraktionsvorsitzende Dirk Toepffer hatten mehr Frauenförderung angekündigt. Was sagen Sie dazu, dass das nicht geklappt hat?
Bernd Althusmann hat das im Kabinett ordentlich eingehalten. Unter fünf CDU-Ministern sind zwei Frauen. Aber der Geschäftsführende Fraktionsvorstand ist einfach mager: Von acht Posten ging nur einer an eine Frau. Und auch die beiden stellvertretenden Landtagspräsidenten der CDU sind Männer.
Begründet wird die Entscheidung im Fraktionsvorstand damit, dass alle Regionen Niedersachsens vertreten sein sollen.
Wenn die angemessene Vertretung von Frauen in der CDU die selbe Gewichtung hätte wie der Regionalproporz, wären wir schon ein ganzes Stück weiter. Wir sollten das Regionalinteresse zurückstellen, um mehr Frauen nach vorne zu bringen.
Nächstes Argument: Es gibt nicht genug kompetente Frauen.
Unsere beiden Ministerinnen Barbara Havliza und Barbara Otte-Kinast, die ich für hoch kompetent halte, hatten in der Partei noch nicht viele auf dem Schirm, bevor Bernd Althusmann sie entdeckt hat. Aber es brauchte wieder einen Mann, der den Frauen eine Chance gibt. Deshalb haben wir als Frauen Union vorgeschlagen, ein Tandemprojekt zu starten, bei dem Frauen jemanden über ein Jahr begleiten können, um zu lernen, wie Parteiarbeit und kommunale Parlamente funktionieren. Das Ziel ist, dass Männer verstärkt nach Frauen Ausschau halten.
Was müsste sich noch ändern, damit Frauen in der Politik etwas werden können?
Ich glaube, das ist parteiunabhängig ein Problem der Rahmenbedingungen. Wenn man sich politisch engagiert, gibt es Abendtermine. Der Rat tagt nachmittags. Solange die Frau noch keine Kinder hat, kann sie Beruf und Politik genauso gut leisten wie ein Mann. Danach sind Frauen aber anders eingebunden. Kinderbetreuung während der Sitzungen wäre eine Idee.
War das denn für Sie auch ein Problem?
Ich war mit 25 Jahren schon Geschäftsstellenleiterin einer Krankenkasse, aber als ich meinem Arbeitgeber mitteilte, dass ich schwanger war, bekam ich zu hören: „Dann wissen Sie ja, wo ihr Platz ist. Sie kennen ja die drei Ks.“ Kinder, Küche, Kirche.
Das hat Ihr Chef gesagt?
Das war vor 30 Jahren so. Ich bekam dann eine andere Position. Die war auch noch besser bezahlt. Das war dann ganz in Ordnung. Aber die damals vorherrschende Meinung war, dass eine Frau eine Führungsposition nicht mit einem Kind vereinbaren kann.
War es für Sie denn auch schwierig, als Sie sich politisch engagiert haben?
Mein Jüngster war damals schon 13 Jahre alt und sehr selbstständig. Deshalb war das für mich kein Problem.
Glauben Sie, dass sich die Situation für Frauen in der CDU mit der nächsten Generation bessern wird? Kommen emanzipierte Männer und Frauen in der Jungen Union nach?
Ich sehe nicht, dass Frauen in der CDU bald stärker beteiligt werden. Die jungen Menschen, die in der Jungen Union aktiv sind, sind in erster Linie männlich – auch wenn es in manchen Vorständen die eine oder andere Frau gibt. Sie orientieren sich daran, was die vorige Männergeneration macht. Da fehlen eindeutig die weiblichen Vorbilder. Ich halte es auch für alles andere als hilfreich, wenn die Junge Union unter dem Titel „Scheiß auf Quote?!“ über die Gleichstellung diskutiert.
Warum ärgert Sie das so?
Das ist die absolut falsche Wortwahl. Es zeigt mir, dass gegen die Quote große Vorbehalte in der Organisation da sind. Ich höre aus den Reihen der Jungen Union immer wieder, dass das Reißverschlussverfahren das absolut falsche Instrument sei. Mich erinnert die Diskussion an die Einführung der Anschnallpflicht. Damals wurden auch massenhaft Ausreden gefunden, warum wir einen Gurt nicht brauchen.
Wie lange wird es in Niedersachsen noch dauern, bis es eine CDU-Spitzenkandidatin bei einer Landtagswahl gibt?
Wenn es passt, könnte das ganz schnell gehen. Es gibt ja viele tolle Quereinsteigerinnen wie Ursula von der Leyen und wenn eine geeignete Frau kommt, die den Männern genehm ist, warum nicht. Das Problem ist eher, dass die Männer bei allen anderen Posten ein Stück vom Kuchen abgeben müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann