Frauen-Protest gegen Berlusconi: "Italien ist kein Bordell"
In rund 300 Städten haben zehntausende Frauen ihren Abscheu gegen den Premier gezeigt. Sie verübeln ihm seine Sex-Eskapaden und fordern ein Ende von Diskriminierungen.
ROM taz | Italiens Frauen auf den Barrikaden: Zehntausende Italienerinnen haben am Sonntag in Protestmärschen und Kundgebungen den Rücktritt des durch eine Sexaffäre schwer angeschlagenen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi gefordert. Die Frauen riefen Parolen wie "Wenn nicht jetzt, wann dann?" und "Italien ist kein Bordell". Einer der ersten Protestumzüge startete am Sonntagvormittag in Palermo auf Sizilien mit mindestens 5.000 Teilnehmern, berichteten italienische Medien. "Lasst uns die Würde der Frauen verteidigen", stand auf dem Transparent an der Spitze des Umzugs. In insgesamt 300 italienischen Städten und Dörfern wurde demonstriert.
In der Hauptstadt Rom begann die größte Kundgebung kurz nach 14 Uhr mit einer Schweigeminute. Gut 100.000 Menschen versammelten sich auf der Piazza del Popolo, die Hälfte von ihnen Männer. Ein Demonstrant trug ein Plakat mit der Aufschrift "Ich bin keine Frau, aber du, Silvio, bist kein Mann". Im Gegensatz zu Berlusconis Vorliebe für die Vertikale trugen Frauen Transparente mit der Aufschrift "Wir befinden uns alle in der Vertikalen." Andere zeigten Fotos von Berlusconi hinter Gitterstäben herum. In Anspielung auf die italienische Hauptstadt wählte ein Transparent sinnigerweise die Losung "Mehr Brot - weniger Spiele".
Die Frauen verlangen ein Ende von Diskriminierungen. Die InitiatorInnen kämpfen gegen ein Frauenbild, wonach Frauen angeblich nur hübsch aussehen dürfen und sich ansonsten um die Familie zu kümmern haben. Sie kritisieren zudem, dass Frauen in Zeitschriften und Werbung oftmals als Sexobjekt dargestellt werden. Ihrer Ansicht nach haben die Eskapaden um Berlusconi den Frauen geschadet.
Rund 9.000 Demonstranten protestierten auch in Venedig gegen ein "Beziehungsmodell zwischen Männern und Frauen", das von Berlusconi geprägt werde. In Pescara an der Adria-Küste war ein Platz im Zentrum "so voll von Demonstranten, wie seit Jahrzehnten nicht mehr".
Hunderte Anhänger der italienischen Protestbewegung "Popolo viola" (Lila Volk) hatten bereits am Samstag in Rom für den Rücktritt Berlusconis nach dem Vorbild Ägyptens demonstriert - unter dem Motto "Nach Mubarak Silvio Berlusconi".
Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat im "Fall Ruby", eine junge Marokkanerin, ein Schnellverfahren gegen Berlusconi gefordert. Es geht um Amtsmissbrauch und Prostitution mit Minderjährigen. (mit afp/dpad)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin