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Frau gewinnt GrammyRapperin Doechii hat die Hosen an

Als dritte Frau erhält die Rapperin einen Grammy für ihr Album „Alligator bites never heal“. Die erste war Lauryn Hill, die zweite Cardi B.

Bestes Rap Album: Doechii bei den Grammy Awards in Los Angeles Foto: Richard Shotwell/ap

Bei der Verleihung der Grammy Awards am Sonntag in Los Angeles kündigte die berühmte Rapperin Cardi B das beste Rapalbum des Jahres an. „Die Nominierten haben Rap geformt und formen seine Zukunft“, sagt sie, den Briefumschlag mit dem Namen in ihren Händen, deren Nägel so lang sind, dass sie sich damit zur Not auch verteidigen könnte.

Rap ist – neben Rock und Pop – im US-Musikgeschäft längst Mainstream. Umso stärker wird er umkämpft – und umso bedeutender ist es, dass der diesjährige Grammy an eine Frau ging: Rapperin Doechii aus Florida bekam die Trophäe in Form eines Goldenen Grammofons von ihrer Kollegin überreicht und konnte ihr Glück kaum fassen.

Natürlich weiß Doechii um die politische Relevanz der Ehrung: „Ich will nicht lange sprechen“, sagte sie in ihrer Dankesrede, „aber diese Kategorie wurde 1989 eingeführt, und seitdem haben erst zwei Frauen gewonnen – nein, drei Frauen!“ Die erste war 1999 Lauryn Hill, die zweite 2018 dann Cardi B. Jetzt gehört Doechii zu diesem viel zu kleinen Kreis, der den traditionellen Sexismus und die Misogynie der Branche widerspiegelt.

Das – im doppelten Sinne – ausgezeichnete Album „Alligator bites never heal“ ist Doechiis drittes „Mixtape“, wie es im Hiphop heißt. Jeder Ton darauf ist den Grammy wert.

Doechii, die 1998 in Tampa geboren wurde, wuchs in einem rapaffinen Elternhaus auf und begann als Teenager, ihre eigenen Rhymes zu schreiben. Ihr sicherer, mit viel Wortwitz ausgestatteter Flow auf „Alligator“ erinnert an die selbstbestimmten Old-School-Grande-Dames wie Salt ’n’ Pepa, Queen Latifah oder Missy Elliott.

Über ihre Breaks würde Busta Rhymes sich freuen

Und über ihren Sinn für Breaks würden sich auch Busta Rhymes freuen. Als Kind ihrer Zeit lässt sie zudem fantastische Videoclips produzieren. In „Denial Is a River“ rennt sie durch TV-Sitcom-Settings und rekapituliert ihre Karriere im Eminem-Style direkt in die Kamera: „I mean fuck, I like pills, I like drugs, I like gettin' money, I like strippers, I like to fuck, I like day-drinkin’ and day parties and Hollywood“.

Mittlerweile habe sie sich der Nüchternheit verschrieben, sagte Doechii in ihrer Rede, bedankte sich bei Gott und ihrer Mutter, und rief Schwarze Mädchen zur Selbstermächtigung auf: „Lass niemanden Stereotype auf dich projizieren“, rief sie, „lass niemanden dir sagen, du dürftest nicht hier sein, du seist zu Schwarz oder zu dumm oder zu dramatisch oder zu laut. Du bist richtig, so wie du bist!“

Auch durch ihre Bisexualität steht Doechii, vielleicht mehr als andere, für eine Veränderung des Genres, das die klassischen G-Rapper inklusive krimineller Vergangenheit und sexistischer (Bild-)Sprache viel zu langsam hinter sich lässt. In „Nissan Altima“ sitzt sie am Steuer eines Autos, galoppiert durch Zeilen wie „I’m the new HipHop Madonna“, „I’m the trap Grace Jones“, „I’m a real bi-bitch“ und verbindet das alles in atemberaubend schnellem Tempo.

Nicht nur sexy

Dass sie dazu ein Shirt trägt, auf dem in schönster Schreibschrift „Keep Abortion Safe & Legal“ steht, passt zu dieser wichtigen Generation an No-Bullshit-Rapperinnen, zu denen neben Cardi auch Nicki Minaj, Doja Cat und natürlich Megan Thee Stallion gehören. Sie feiern nicht mehr nur die selbstbestimmte Sexiness, sondern denken auch über andere Aspekte des Körpers feministisch.

Statt mit einem Grammy hätte Doechii am Montag auch mit einem Stil-Preis auszeichnen können: Sie trug einen unfassbaren, grauen Herrenanzug mit einer ausladenden „Reifhose“. Was das bedeutet, ist klar: Selbst im 19. Jahrhundert hätte Doechii die Hosen angehabt.

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