Franzosen ohne Chance bei der Tour: Saubere Burschen
Frankreichs Radler müssen sich einer strengen Dopingkontrolle unterwerfen. Nur durch heroische, zum Scheitern verurteilte Alleinfahrten erobern sie die Herzen ihrer Landsleute.
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Bei Doping-Kontrollen vor dem Start der Tour de France soll es laut Le Monde "Unregelmäßigkeiten" gegeben haben. "Nach unseren Informationen wurden bei zehn Fahrern vor dem Tourstart in Brest Unregelmäßigkeiten festgestellt", schrieb das Blatt. Die betreffenden Radprofis seien am Donnerstag informiert worden. Die Kontrolleure testeten am 3. und 4. Juli den Hormonstatus und die Blutwerte aller 180 Tour-Teilnehmer. Bei den zehn Profis sollen jetzt gezielte Kontrollen vorgenommen werden. DPA
Fabian Wegmann ist ein angriffslustiger Fahrer. Der Deutsche Meister liebt es, sein Glück zu versuchen, in dem er mit einer kleinen Gruppe dem Feld enteilt. Doch bislang ist es ihm noch nicht geglückt, einer Attacke zu folgen. "Die hauen ab, sobald der Renndirektor die Fahne schwenkt und das Rennen freigibt", klagt Wegmann. "Ich kann das gar nicht, ich muss mich erst mal ein bisschen warmfahren." Auf der ersten Etappe durch das Zentralmassiv am Donnerstag jagten die drei Franzosen Sylvain Chavanel, Freddy Bichot und Benoît Vaugrenard nur sechs Kilometer nach dem Start auf und davon und kämpften mehr als 170 Kilometer lang gegen ihr unvermeidliches Schicksal an, vom Hauptfeld mit den Favoriten wieder geschluckt zu werden.
Solche Attacken sind bei der diesjährigen Tour zum täglichen Ritual geworden, und immer sind es Franzosen, die ihr Herz in die Hand nehmen. In der inoffiziellen Wertung der besten "Baroudeurs", der aggressivsten Fahrer der Tour, führt Lilian Jégou, der nun schon insgesamt 408 Kilometer vor dem Peloton hergedüst ist, vor Sylvain Chavanel mit 328 Kilometern und dem tapferen Elsässer Thomas Voeckler mit 296. Unter den besten fünf in dieser Wertung befindet sich kein einziger Nichtfranzose. Die angriffslustigste Mannschaft ist das französische Team Cofidis, das nun schon insgesamt 912 Attackenkilometer hinter sich hat, vor Agritubel und Française des Jeux - beides ebenfalls französische Formationen.
Schaut man auf die Rangliste der Gesamtwertung, sieht es hingegen weniger gut aus für die Franzosen - bester Einheimischer war vor der siebten Etappe Jérôme Pineau auf Platz 32. Aber das stört die Tricolore-Fahrer nur wenig - sie haben sich schon lange damit abgefunden, dass sie um das Gelbe Trikot nicht mitstreiten können.
Seit den Achtzigerjahren, der Ära von Bernhard Hinault und Laurent Fignon, gibt es keinen ernsthaften französischen Anwärter auf den Tour-Sieg mehr. Und so begnügen sie sich damit, ihr Publikum mit heroischen Einlagen zu unterhalten. Das französische Publikum gibt sich anscheinend damit zufrieden, die Fans stehen in diesem Jahr so dicht gedrängt an den Straßenrändern wie eh und je. Der Juli ist ein Monat voll nationaler Feiertage.
Ein wenig juckt es die Grande Nation schon, dass sie in ihrem Volkssport so schlecht aussieht. Aber es gibt eine tröstende Erklärung. Seit dem Festina-Skandal im Jahr 1998 sind französische Radprofis per Gesetz dazu verpflichtet, sich einem engmaschigen Dopingkontrollsystem zu unterziehen. "Suivi Longitudinal" heißt das Programm, und es ist im Kern nichts anderes als die Selbstkontrollprogramme, mit denen Mannschaften wie CSC Saxo, Garmin und Columbia seit Kurzem für ihre Sauberkeit werben. Von den Fahrern werden langfristige Blutprofile angelegt, und bei der geringsten Auffälligkeit verlieren sie ihre Starterlaubnis. Seit Einführung dieses Systems spricht man in Frankreich von einem "Cyclisme a deux Vitesses", einem Radsport der zwei Geschwindigkeiten: Hier die Arnstrongs und Ullrichs - dort die propren Franzosen und ihresgleichen, die stoisch hinterherradeln.
Auch wenn sich Radsport-Frankreich mit der Ausrede der Sauberkeit immer wieder Häme einhandelt, sprechen doch die Fakten dafür, dass es nicht nur ein Mangel an Talenten ist, der die französischen Radler hinterherstrampeln lässt. 1997 stand mit Richard Virenque zum letzten Mal ein Franzose in Paris auf dem Podiun. 1998 wurde er mitsamt seiner Mannschaft Festina des systematischen Dopings überführt. Seit 1999 gibt es den Suivi. Immerhin gönnt das Feld den Franzosen als Geste an den Gastgeber ab und zu ein Erfolgserlebnis. Auf der dritten Etappe nach Nantes unternahmen die Favoriten keine allzu großen Anstrengungen, die Gruppe mit dem späteren Etappensieger Samuel Dumoulin zu stellen. Am Donnerstag im Zentralmassiv sah das schon anders aus. Sylvain Chavanel hatte im Gesamtklassement zu wenig Rückstand, als dass man ihn hätte gewähren lassen.
Es war bereits seine zweite Flucht, und er gelobte, dass es nicht seine letzte gewesen sein wird. Was soll er auch sonst machen - nach einer Woche lag er gerade mal auf Rang 48.
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