Französischer Komiker Dieudonné: Geschmacklos und antisemitisch
Seit Tagen debattiert das Land über ein Verbot der Auftritte des Komikers Dieudonné. Inzwischen schaltet sich Präsident Hollande ein.
PARIS taz | Wo endet die Narrenfreiheit, wo beginnt die staatliche Zensur? Das wird aufgrund der antisemitischen „Witze“ des „Humoristen“ Dieudonné derzeit in Frankreich heftig debattiert. Man kann und darf über alles spotten und lachen, sagt dieser.
Er hat sich sogar explizit zum Ziel gesetzt, alles, was in Frankreich sonst als politisch oder moralisch korrekt gilt, mit dem Mittel der Karikatur auf der Bühne der Lächerlichkeit preiszugeben. Seine Auslegung der künstlerischen Freiheit ist allerdings ziemlich einseitig, und selbst seinen wohlwollendsten Fans entgeht nicht, dass seine besonders geschmacklosen Attacken auf die Juden und gewisse Prominente zielen.
Für Innenminister Manuel Valls ist die Sache klar: Die Auftritte von Dieudonné – er hat unter anderem den antisemitischen „Knödelgruß“ erfunden und populär gemacht, mit dem der Fußballer Nicolas Anelka kürzlich Anstoß erregt hat – seien nicht kulturelle Veranstaltungen, sondern „antijüdische politische Meetings“. Valls empfiehlt darum in einem Rundschreiben an die Polizeipräfekten, die in zehn Städten geplanten Auftritte des „Humoristen“ zum Schutz der öffentlichen Ordnung zu untersagen.
Selbst Präsident François Hollande rief die Bürger am Dienstag auf, sich „unnachgiebig“ gegenüber Dieudonné zu zeigen. Als erste Stadt hat Tours ein Verbot erlassen. Der 47-jährige Dieudonné M’Bala M’Bala, Sohn einer Französin und eines Kameruners, ist bereits sechs Mal wegen seiner rassistischen Äußerungen und persönlichen Beschimpfungen verurteilt worden. Er schuldet dem Staat 65.000 Euro an Bußgeldern.
Die Gaskammern
Er selber schätzt es nicht, angeschwärzt zu werden. Schon gar nicht von einem jüdischen Journalisten wie Patrick Cohen, dem er von der Kabarettbühne seines Pariser Theaters „La Main d’Or“ droht: „Wenn der Wind dreht, bin ich nicht sicher, ob er Zeit hat, seine Koffer zu packen. Wenn ich Patrick Cohen reden höre, sage ich mir, verstehst du, die Gaskammern … schade!“
Die meisten seiner Fans, unter denen die Vorstadtjugendlichen besonders zahlreich ist, sehen in ihm eine Art Rebell gegen das „Establishment“ und das „System“, dessen Provokationen sie über Facebook verbreiten und dort auch seinen „Knödelgruß“ (Quenelle) imitieren.
Dieudonné, der als Duopartner des jüdischen Kabarettisten Elie Semoun begonnen hatte und sich zuerst bei Wahlen in Dreux als Antirassist gegen den Front National (FN) politisch engagierte, hat im Verlauf seiner Karriere einen eigenartigen Wandel durchgemacht, der ihn zuerst über den gemeinsamen Nenner des Antizionismus und danach über den Antisemitismus in die Nähe sowohl radikaler Islamisten als auch der extremen Rechten rücken ließ. FN-Gründer Jean-Marie Le Pen ist der Pate seiner Tochter Plume, und bei einem seiner Auftritte holte er den Holocaust-Leugner Robert Faurisson als Stargast auf die Bühne.
Zum Thema Schoah provozierte Dieudonné selber: „Zwischen den Nazis und den Juden brauche ich nicht zu wählen, ich bin neutral. […] Wer hat da wen provoziert und bestohlen … ich habe da meine kleine Vorstellung, aber schließlich …“ Mit seinen Auslassungen und Anspielungen tänzelt er mit unbestreitbarem Talent haarscharf an der Grenze des Strafbaren.
Der Anwalt Arno Klarsfeld, Sohn der bekannten Nazijäger Serge und Beate Klarsfeld, sagt, Dieudonnés „Scherze“ seien „Gift“: „Es ist nur normal, dass die Leute aufstehen und demonstrieren, wenn einer in seinen antisemitischen Sprüchen sagt, es seien nicht genug Juden in den Gaskammern ermordet worden.“ Die Klarsfelds wollen am Mittwoch in Nantes, wo die Tournee starten soll, an einer Protestkundgebung teilnehmen.
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