: Frankreich läßt in Kamerun wählen
■ Durch massiven Druck will Paris die Wiederwahl des kamerunischen Staatschefs Paul Biya bei den ersten freien Präsidentschaftswahlen erreichen/ Angst vor „Algerien-Szenario“ bei Biyas Niederlage
Berlin (taz/ips) — Das zentralafrikanische Kamerun erlebt am Sonntag zum ersten Mal Präsidentschaftswahlen, bei denen mehrere Kandidaten zur Wahl stehen. Nach offizieller Lesart ist damit die Demokratisierung der einstigen Einparteiendiktatur abgeschlossen: Im März wurde bereits ein Mehrparteienparlament gewählt, in dem die regierende „Demokratische Bewegung des Kamerunischen Volkes“ (RPDC) nur über eine knappe Mehrheit verfügt. Premierminister ist der Vorsitzende der oppositionellen „Nationalen Union für Demokratie und Fortschritt“ (UNDP), Bello Bouba Maigari.
Doch der seit 1982 amtierende Präsident Paul Biya hat alles getan, um seine reibungslose Wiederwahl zu garantieren. Als erstes zog er den Wahltermin vor: „Ihr wollt die Macht, also laßt uns wählen.“ Biya hoffte damit die zersplitterte Opposition zu überrumpeln. Dies hat er, im Zusammenspiel mit seiner französischen Schutzmacht, erfolgreich geschafft.
Noch im September sah es so aus, als würden die Oppositionsparteien — von der an der Regierung beteiligten UNDP über die marxistische „Union des Kamerunischen Volkes“ bis zu der „Sozialdemokratischen Front“ (SDF) des Bürgerrechtlers John Fru Ndi — sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Die Parteien hatten sich in einer „Allianz für die Erneuerung Kameruns“ (ARC) zusammengeschlossen, deren Programm aus drei Punkten bestand: Aufstellung eines Einheitskandidaten bei den Wahlen; nach dem Wahlsieg neue Parlamentswahlen innerhalb von sechs Monaten; danach Einberufung einer Nationalkonferenz, um Kameruns diktatorisches politisches System grundlegend zu reformieren.
Dies hätte das sichere Aus für den unpopulären Biya bedeutet, der durch Gewaltherrschaft und Korruption in der Bevölkerung weitgehend verachtet wird. Biya holte sich Unterstützung aus Paris. Jacques Foccart, langjähriger Drahtzieher der zahllosen Pariser Einflußnahmen und Interventionen in ehemaligen Kolonien, schaffte es mit Einzelgesprächen und vielleicht auch finanziellen Zuwendungen, die ARC auseinanderzudividieren. Es gelang ihm, die von ehemaligen Regierungsanhängern geleiteten Parteien zu einer separaten Kandidatur zu bewegen.
Nach dem Bruch der Oppositionsallianz bleibt wohl nur ein ernsthafter Herausforderer Biyas übrig: John Fru Ndi, der mehrmals verhaftete Bürgerrechtler. Fru Ndis Sozialdemokraten werden bereits von Biya als „terroristische“ Organisation bechimpft, die nur Unordnung säen wolle.
„Das ist, als wenn man einen Hund zuerst beschimpft, um ihn später hängen zu können“, sagt Fru Ndi zur Kampagne gegen ihn. „Die Franzosen fürchten nur, daß ihre Nabelschnur durchtrennt wird.“
Sollte die Pariser Spaltungsaktion nichts bewirken und Fru Ndi die Wahl gewinnen, wird in Jaunde ein von Frankreich unterstützter Putsch befürchtet. Die Wochenzeitung The Herald spricht von einem „Algerien-Szenario“: Zuerst könnten Biyas Anhänger versuchen, die Macht wieder an sich zu reißen; dann würden die in der benachbarten Zentralafrikanischen Republik stationierten französischen Soldaten unter dem Vorwand intervenieren, ihre Staatsbürger schützen zu müssen. D.J.
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