Frankreich baut weltweit erstes Endlager: Letzte Ruhestätte für Atommüll
Nahe der deutsch-französischen Grenze soll das erste Endlager für Atommüll gebaut werden. In Deutschland reagiert man irritiert.
Hannover taz | Das weltweit erste Endlager für hochradioaktiven Atommüll wird wahrscheinlich im lothringischen Bure gebaut – der Ort liegt rund 120 Kilometer von der deutsch-französischen Grenze entfernt. Das hat, zunächst von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, Anfang Juli die Nationalversammlung in Paris entschieden. Erst allmählich regt sich in beiden Ländern Protest.
Eigentlich soll das auch unter den regierenden Sozialisten schwer umstrittene und von Premierminister Manuel Valls mit einem Misstrauensvotum verknüpfte Gesetz die Wirtschaft liberalisieren. Es sieht unter anderem Lockerungen der Ladenöffnungszeiten und eine Ausweitung der Sonntags- und Nachtarbeit vor. Im Fernverkehr wird das Monopol der französischen Staatsbahn aufgebrochen. Erst kurz vor der dritten und abschließenden Lesung im Parlament wurde dem Gesetz ein weiterer Artikel zugefügt, der die Lagerung der heißen, stark strahlenden Abfälle regelt – eben in Bure, wo bereits seit 1994 unter Tage mit Atommüll experimentiert und hantiert wird.
Geplant ist demnach, dass der Bau des Endlagers 2017 und die Einlagerung 2025 beginnt. Endgültig gefallen ist die Entscheidung darüber zwar noch nicht, weil die französische Entsorgungsbehörde Andra erst noch einen formellen Genehmigungsantrag stellen muss.
Die Zeitung Le Monde sieht das Vorhaben durch das Gesetz allerdings weitgehend in trockenen Tüchern. Als erster protestierte Mitte Juli der lothringische Regionalratspräsident Jean-Pierre Masseret. Die Entscheidung für Bure sei undemokratisch erfolgt, bemängelte er. Schon schärfer fällt die Kritik des saarländischen Umweltministers Reinhold Jost (SPD) aus. Sich klammheimlich auf den Standort Bure festzulegen und diesen Beschluss in einem Gesetz zum Wirtschaftswachstum zu verstecken, düpiere nicht nur die französischen Bürger, sondern alle Menschen in der Großregion.
Endlager im atomaren Dreieck
Der Landtag in Saarbrücken sprach sich in einer einmütigen Resolution dafür aus, dass im weiteren Genehmigungsverfahren für Bure die Öffentlichkeit eingebunden wird. Die dort vertretenen Parteien bewerten die Nacht- und Nebelaktion in Paris aber unterschiedlich. Die Linken-Abgeordnete Dagmar Ensch-Engel sagte, ein Endlager in Lothringen komplettiere das wohl gefährlichste atomare Dreieck in Europa. Schon die Pannenreaktoren in Cattenom, Tihange und Fessenheim machten Angst.
Linke und Grünen forderten die im Saarland regierende Große Koalition auf, in der Sache in Berlin und Paris vorstellig zu werden. Roland Theis von der CDU wies den Vorwurf zurück, das Saarland habe sich nicht um Bure gekümmert. So seien zusätzliche Tests, die so genannte industrielle Vorphase, eine Forderung des Bundeslandes gewesen, die von den französischen Behörden umgesetzt wurde.
Auch das Bundesumweltministerium hat sich inzwischen zu Wort gemeldet. Es verlangt von Frankeich Aufklärung über die genauen Endlager-Pläne. Zugleich betonte eine Sprecherin, die französische Regierung entscheide souverän über das Vorhaben. Sie müsse nach EU-Recht aber die Anrainerstaaten an einer Umweltverträglichkeitsprüfung beteiligen.
Das Umweltministerium wolle das Thema auch in der Deutsch-Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen zur Sprache bringen. Zweck des 1976 ins Leben gerufenen Gremiums ist allerdings im Wesentlichen der gegenseitige Informationsaustausch über Atomkraft- und Strahlenschutzfragen.
Leser*innenkommentare
Christian
Naja, wenn man sich das auf der Karte so anguckt, scheint es kaum so, dass das Endlager extra nah an die Grenze geplant worden wäre, anders als viele Atomkraftwerke. Es ist auch generell nicht wirklich nah an der Grenze. Eigentlich liegt es mehr oder weniger mitten in Frankreich. Von daher kann ich tatsächlich nicht sehen, wieso Deutschland überhaupt konsultiert werden sollte. Über wie viele Kilometer kann eine Verseuchung des Grundwassern angenommen werden? Das Ding ist ja kein Atomkraftwerk, das hochgehen und ganze Kontinente verseuchen kann.
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
Endlager oder Zwischenlager: Der unterschied existiert nur auf dem Papier. Faktisch ist die Erde das Endlager.
Austro Finne
@DR. ALFRED SCHWEINSTEIN Nein, dieser Unterschied ist definitiv real. Zwischenlager sind stinknormale Lagerhallen, in denen die hochradioaktiven verbrauchten Brennstäbe aktiv gekühlt werden müssen. Erst nach einigen Jahrzehnten Wartezeit könnten diese Brennstäbe dann in einem unterirdischen Endlager (z.B. in Kupferröhren) versiegelt werden. Genau das ist aber noch nirgendwo gemacht worden.
Austro Finne
Meines Wissens gibt es zwar einige Projekte für die Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen - die meisten existieren allerdings nur auf dem Papier.
Onkalo im finnischen Olkiluoto könnte als erstes Endlager in Betrieb gehen, falls die Stollen fertig werden und das ganze auf politischer Ebene genehmigt wird.
Bis dahin müssen wohl alle verbrauchten Brennstäbe zwischengelagert werden. Aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren.
Rita Dütsch
Warum erregt man sich so? Der deutsche Atommüll wurde Jahrzehntelang in Frankreich, England
und Russland und sonst wo gelagert.
Wieso den Abfall immer den anderen ins Haus legen? Der Müll gehört dahin wo er herkommt. Frankreich lagert seinen Müll an der deutschen Grenze.
Vielleicht weil Deutschland so lange braucht um seinen Müll zurückzu -nehmen. Immer noch besser wie die Methode England seinen Atommüll einfach an der Nordseeküste zu verschrotten., Wie viel deutscher Atommüll ist da dabei.
Vorsorge für künftige Generationen sehe ich da nicht. Nur hohle Sprüche und Versprechen, oder Versprecher?
Hauke
Es gibt zumindest Onkalo in Finnland: https://en.wikipedia.org/wiki/Onkalo_spent_nuclear_fuel_repository
Rainer Klute
Das Endlager in Bure ist weltweit keineswegs das erste Endlager für hochradioaktive Abfälle, nicht einmal das zweite. So ist es auch mit vielen anderen Annahmen über Kernenergie: Die meisten sind schlicht falsch.
Bummesbiene
@Rainer Klute Herr Klute, dann klären Sie uns doch auf!
Reimar Paul
Autor, Autor des Artikels
In Onkalo werden bislang nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle gelagert. Das Lager für hochradioaktiven Müll soll erst noch gebaut werden. Ein Endlager für schwach und mittelradioaktiven Atommüll gibt es mit Morsleben bereits auch in Deutschland. Auch bei der Asse muss wohl von einem Endlager gesprochen werden, denn dass dort alle Abfälle geborgen werden können, erscheint utopisch.
RP