Frank Schäffler über EU-Hilfen für Athen: "Wir werden siegen"
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler will den Euro-Rettungsschirm loswerden. Dafür kämpft er. An einen Zerfall der schwarz-gelben Regierung glaubt er aber nicht.
taz: Herr Schäffler, wollen Sie die schwarz-gelbe Koalition platzen lassen?
Frank Schäffler: Ganz im Gegenteil. Ich sorge dafür, dass die Koalition aus ihrem Tief herauskommt und zu einem gemeinsamen Thema findet. Das ist die Rettung der gemeinsamen Währung Euro.
Sie organisieren in der FDP einen Mitgliederentscheid über den Euro-Kurs der Bundesregierung. Wie wird der ausgehen?
Die Unterstützung ist sehr groß, wir haben bereits jetzt, nach wenigen Tagen, 1.200 Unterschriften gesammelt. Selbst diejenigen, die meine Argumente nicht teilen, wollen, dass bei dieser wichtigen Frage die Basis befragt wird. Dieses plebiszitäre Element nutzt der FDP: Wir werden als lebendige Partei wahrgenommen, die um den richtigen Weg ringt.
Und Sie, der Rettungsschirm-Kritiker, gewinnen?
Ich bin optimistisch, dass wir siegen werden. Ich habe bei vielen Veranstaltungen bundesweit gespürt, dass es eine Diskrepanz zwischen der handelnden Führung gab und dem, was Mitglieder vor Ort denken. Die FDP-Basis spürt, dass die geplanten Rettungsinstrumente gegen fundamentale Grundsätze der Partei verstoßen: gegen die Rechtsstaatlichkeit und die marktwirtschaftliche Orientierung.
Nehmen wir an, die FDP-Basis stimmt gegen neue Rettungsschirme und den Kurs der Bundeskanzlerin. Dann wäre die Koalition am Ende.
(43), Industriekaufmann und Diplom-Betriebswirt aus Ostwestfalen-Lippe, trat mit 19 Jahren in die FDP ein und sitzt seit 2005 für die Partei im Bundestag. Im Streit über die Griechenland-Rettung trat er 2010 als FDP-Obmann im Finanzauschuss zurück. Seit 2011 ist Schäffler auch Mitglied im Bundesvorstand der FDP.
Nein. Eine Koalition muss das umsetzen, was gemeinsam vereinbart wurde. Und im Koalitionsvertrag ist von einem dauerhaften Schirm wie dem ESM keine Rede. Wenn ein Partner sagt, da mache ich nicht mit, gibt es eben keine Initiative zu dem Thema. Merkel hat sich auf diesen Kurs festgelegt, ebenso alle Staatschefs der EU.
Und Sie sagen, eine Vollbremsung wäre nicht koalitionsgefährdend?
Ein Nicht-Mitstimmen der FDP wäre jedenfalls kein Koalitionsbruch meiner Partei. Was Frau Merkel am Ende machen würde, weiß ich nicht - ich glaube nicht, dass sie daran das Bündnis zerbrechen ließe. Und außerdem glaube ich, dass andere Länder sehr genau beobachten, was Deutschland tut. Wenn wir kritischer mit der derzeitigen Rettungslogik umgehen, würden sich andere Länder anschließen.
Kann eine Regierung eine Krise noch managen, wenn die Kanzlerin das eine sagt, der Vizekanzler aber das Gegenteil?
Natürlich. In einer Koalition muss man immer um den richtigen Weg ringen. Entscheidend ist, dass man am Ende zu einer gemeinsamen Linie findet. Nur ist dieser Zeitpunkt eben noch nicht erreicht.
Merkel sieht die Rettung überschuldeter Länder als existenziell für den Euro an. Warum liegt sie falsch?
Der Rettungsschirm hat wie Brandbeschleuniger gewirkt. Er nimmt den Druck von Staaten wie Spanien oder Griechenland, ihre Haushalte zu konsolidieren. Außerdem boxt man die Gläubiger, also etwa Banken, heraus. Sie haben von hohen Renditen profitiert, die Rettungsschirme nehmen ihnen jetzt Verluste ab und legen sie auf die Allgemeinheit um. Das tut mir zutiefst weh, gerade weil ich ein Anhänger der Marktwirtschaft bin.
So einfach ist es doch nicht: Wenn die EU Griechenland unkontrolliert pleite gehen ließe, müssten die Banken immense Summen abschreiben - was zu einem Bankencrash führen könnte.
Es gibt keine preiswerte Lösung mehr, nur noch eine sehr teure, oder eine katastrophale. Dass es bei einer Insolvenz erhebliche finanzielle Einschnitte in Griechenland und bei Banken gäbe, bestreite ich nicht. Aber ich finde richtig, ein Prinzip wirken zu lassen: Wer ein Risiko eingeht, muss auch haften. Wenn man das nicht tut, sondern auf immer neue Rettungsaktionen setzt, machen die Marktteilnehmer daraus ein Geschäftsmodell. Dagegen kommen wir selbst mit immer größeren Rettungspaketen nicht an.
Eine Griechenland-Pleite könnte andere Staaten mitreißen - weil verängstigte Anleger sofort Riskoaufschläge für spanische oder andere Staatsanleihen verlangen würden.
Ich glaube nicht an diese oft geäußerte Prognose. Als der US-Investor George Soros in den 90ern massiv gegen das britische Pfund spekulierte, hatte das kaum Auswirkungen auf andere Währungen in Europa, und Investoren machten am Ende Verluste - was richtig ist. Anschließend fand ein Lernprozess bei den Anlegern statt. Genauso würde es heute auch laufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin