Frank Goosen und der VfL Bochum: Wenn der Bock zum Gärtner wird

Nach Abstieg und miesem Saison-Start steckt der VfL Bochum in der Krise. Nun soll Schriftsteller Frank Goosen Aufsichtsrat werden - oder nur ein Kritiker ruhiggestellt werden?

Stütze oder Krücke? Ein Kritiker soll Aufsichtsrat des VfL Bochum werden. Bild: dpa

Spaß macht der VfL Bochum momentan nicht wirklich. Nach einer desolaten Rückrunde und dem nicht mehr für möglich gehaltenen Abstieg aus der Bundesliga verpatzte der Ruhrpott-Klub auch noch den Start in die zweite Liga. Nicht gerade der ideale Zeitpunkt, um sich im Verein zu engagieren.

Vermutlich muss man Kabarettist sein, um auf eine derart abwegige Idee zu kommen. Frank Goosen ließ sich jedenfalls nicht zweimal bitten. Am heutigen Montag kandidiert der 44-Jährige für den Aufsichtsrat. Der Vorsitzende Werner Altegoer habe ihn einfach direkt und ehrlich gefragt, "da konnte ich doch nicht Nein sagen", sagt er und lacht.

Ausgerechnet Altegoer also, das Abbild des westfälischen Kaufmannes, immer ein wenig grimmig schauend, wortkarg und nicht gerade dafür bekannt, besonders humorvoll zu sein. Der "Patriarch", der seit beinahe zwei Jahrzehnten die Geschicke des Vereins bestimmt und für so manchen Anhänger des VfL Bochum das Böse schlechthin verkörpert, lädt den mitunter derben Kritiker der Bochumer Vereinspolitik zur Mitarbeit ein.

"Ich bin mit Werner Altegoer in vielen Punkten nicht wirklich einer Meinung", gibt Goosen zu. Aber das muss er ja auch nicht sein. Es reicht, wenn das Ziel das gleiche ist: den VfL dahin zu bringen, wo er hingehört, in die Bundesliga. "Von den Verantwortlichen wurde zu häufig darüber geredet, was der VfL alles nicht erreichen kann. Das nervt auch die Fans", so Goosen. Immerhin sei man doch in 34 von den vergangenen 40 Jahren Erstligist gewesen.

Momentan steht der VfL allerdings mal wieder da, wo ihn Fußballdeutschland sowieso permanent vermutet: im grauen Mittelmaß. Und die grausame 0:2-Niederlage gegen Greuther Fürth am vergangenen Samstag war eher ein Indikator dafür, dass zum ersten mal in der Vereinsgeschichte der direkte Wiederaufstieg verpasst werden dürfte. Im Gegenteil: Wenn der VfL die Klasse wechselt, dann eher in die andere Richtung. Das Umfeld hat sich jedenfalls schon einmal darauf eingestellt. Die vergangenen Heimspiele wollten keine 10.000 Zuschauer mehr sehen.

Vor diesem Hintergrund eine Jahreshauptversammlung abzuhalten zu müssen, könnte für die Verantwortlichen zu einer echten Herausforderung werden. Zumal sie erstmals mit einer echten Opposition rechnen müssen. Nach dem Abstieg hat sich eine Fan-Initiative mit dem Namen "Wir sind VfL" gegründet, mit dem Ziel "die bestehenden Vereinsstrukturen und die sportliche Zukunft des VfL Bochum nicht nur kritisch zu hinterfragen, sondern konstruktiv und offensiv mitzugestalten". Die Betonung liegt auf konstruktiv. "Das unterscheidet uns von anderen Protesten", sagt Andreas Wiemers, einer der Initiatoren.

Die Unterstützerliste ist mittlerweile auf knapp 300 Leute angewachsen. Darunter befinden sich auch prominente Unterstützer wie Ex-VfL-Profi Peter Közle oder "SK Kölsch"-Darsteller Uwe Fellensiek. Geplant sind auch Satzungsänderungen. Unter anderem soll die Blockwahl des Aufsichtsrates abgeschafft werden. Allerdings ist dafür eine Dreiviertelmehrheit notwendig. "Das geht nur, wenn möglichst viele Fans in den Verein eintreten", sagt Wiemers. Gut 40 Unterstützer sind dem Aufruf bereits gefolgt. Um etwas bewegen zu können, sollten noch einige dazukommen. Auf der Jahreshauptversammlung vor einem Jahr verweigerten immerhin schon 67 der 242 anwesenden Mitglieder dem Aufsichtsrat die Entlastung. Für Bochumer Verhältnisse eine kleine Revolte.

"Wir freuen uns natürlich darüber, dass Fans sich engagieren", sagt Sportvorstand Thomas Ernst. Nicht immer positiv. Im Manifest von "Wir sind VfL" wird auch seine Ablösung gefordert. Die massive Kritik, die er derzeit abbekommt, sei zwar nicht angenehm, aber er könne es auch "niemanden wirklich übelnehmen". Ernst weiß auch, dass dem VfL zwischen Dortmund und Schalke nicht viel Luft zum Atmen bleibt. Gerade daher sei der Verein darauf angewiesen, die eigenen Fans nicht noch weiter zu vergraulen. Wie weit der Prozess fortgeschritten ist, wird auch er am Montag zu spüren bekommen.

Frank Goosen will helfen, das Verhältnis zwischen den Verantwortlichen und den Fans zu verbessern. Kritiker befürchten allerdings, dass die Opposition durch seinen "Einkauf" ruhig gestellt werden soll - nach Vorbild der APO oder Grünen. "Keine Angst", sagt er. "Um mundtot gemacht zu werden, braucht es auch immer jemanden, der die Klappe hält." Und Goosen gehört mit Sicherheit nicht dazu.

Wie es letztlich zu dem Sinneswandel bei den Verantwortlichen kommen konnte, darüber rätseln sie in Bochum immer noch. Insider vermuten, dass der 75-jährige Altegoer langsam seinen Abschied vorbereitet. Mit Hans Peter Villis, Vorstandsvorsitzender des Energie- und Atomkonzerns EnBW und dem Geschäftsführer der Stadtwerke Bochum, Bernd Wilmert, wurden vor einigen Wochen zwei Schwergewichte aus der Wirtschaft in den Aufsichtsrat berufen - beide sind potenzielle Kandidaten für den Vorsitz.

Und vielleicht stellt sich am Ende der Amtszeit auch deshalb beim großen Vorsitzenden so etwas wie Altersmilde ein: "Als wir uns zum ersten Mal mit Herrn Altegoer trafen, waren wir darauf gefasst, dass es zu heftigen Auseinandersetzungen kommen würde", sagt Andreas Wiemers, letztlich hätten die Gespräche aber in einer konstruktiven und durchaus angenehmen Atmosphäre stattgefunden. "Am Ende war er mir sogar sympathisch."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.