■ Der Barbier des Tages: Der Zehnkämpfer, der so schön leidet: Frank Busemann (ist ja noch jung)
Jetzt war es wieder soweit. Die Leiden des jungen B., Teil 4: das Drama von Sevilla. Der Zehnkampf hatte noch nicht richtig angefangen, da war Frank Busemann (24) schon draußen. Sein Oberschenkel zwickte; er kämpfte sich zwar noch durch die 100 Meter und den Weitsprung, aber dann gab er auf. Wie er sich quälte und litt, das zeigte noch einmal, warum alle den Busemann so lieb haben. Er ist eben einer wie du und ich.
Leider hat der Mann auch einen Körper wie du und ich. Jetzt kneift der Oberschenkelmuskel, früher die Knie, mal der Rücken, dann der Ellenbogen. Schon die EM in Budapest hatte der Dortmunder 1998 verpasst, und nun stieg er also auch bei der WM aus. Das Leiden aber gehört längst zum
Schenkel der Nation Foto: AP
Mythos Busemann. Denn er wäre nicht so populär, wäre er nicht einer, mit dem man leiden kann.
Busemann ist kein Stich, er ist ein Becker. Wem der Erfolg zufällt, der langweilt; wer darum kämpft, der fasziniert. Für den lohnt das Bangen, dem gönnt man das Glück. Seine Ausstrahlung ist sein Kapital, es ist derzeit aber auch das einzige des Familienunternehmens. Denn so langsam verblassen das Olympiasilber von Atlanta und die WM-Bronze von Athen.
Aber davon zehrt ja seine Familie, das westfälische Gesamtkunstwerk Busemann. Wo Frank ist, der
Zehnkämpfer, ist Vatta Josef, der Trainer, nicht weit. Die Mutter steckte im Fanpulk, und auch sein Bruder Lars war da. Im Interview rang Frank um Worte, und dann sind ihm die Tränen so gekullert, dass man ihn am liebsten trösten wollte. „Er wird das mit Scherzen wegstecken“, hatte zuvor der Bruder gesagt; es sah mehr nach Schmerzen aus. Aber lockere Sprüche wird man ja wohl noch erwarten dürfen von dem Mann aus Recklinghausen. Wenigstens das wird Frank Busemann in Zukunft leisten müssen, denn er lebt von den Sponsoren und damit von seinem Image. Bis zum September 2000, wenn er in Sydney endlich, endlich, Weltrekordhalter Tomas Dvorak jagen soll. rüb
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