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Fragwürdige JugendhilfeNiedersachsen will 10-Jährige einsperren

Im Kreis Vechta soll ein geschlossenes Heim für 10- bis 14-jährige Jungen eröffnen, die sich und andere gefährden. Das Konzept erinnert an das gescheiterte Heim in der Hamburger Feuerbergstraße.

Freiheitsentzug auch für 10- bis 14-Jährige: Niedersachsen plant ein geschlossenes Heim. Bild: dpa

Gut zwei Jahre schlummerte das Vorhaben im schwarz-gelben Koalitionsvertrag. Jetzt wurde durch die Grünen bekannt, dass Niedersachsen zum ersten Mal in seiner Geschichte ein geschlossenes Heim plant. Träger ist der Caritas Sozialverband St. Elisabeth in der Stadt Lohne, Landkreis Vechta.

Am 1. Mai eröffnet dort in einer ehemaligen Kaserne eine "Geschlossene Intensivtherapeutische Wohngruppe" für bis zu sieben Jungen im Alter von zehn bis 14 Jahren, das ist ungewöhnlich jung. Nachdem die Medien davon Wind bekamen, lud der Träger am Donnerstag vor Ort zur Pressekonferenz. Ziel des Trägers ist auch, die Lohner davon zu überzeugen, dass sie keine Angst haben müssen.

Was Reinhard Schwarz, Bereichsleiter für Kinder- und Jugendhilfe der örtlichen Caritas, erzählt, klingt schlüssig. Es ginge um Kinder, die "sich selbst oder andere Menschen durch ihr Verhalten gefährden". Für die könne es sinnvoll sein, "für eine bestimmte Zeit einen geschlossenen Rahmen aufrecht zu erhalten". Es gehe darum, zu den Kindern, die "allesamt liebenswerte Anteile haben", eine Beziehung aufzubauen und ihnen zu helfen, dies zu entdecken.

Aber es gibt Freiheitsentzug. Und der erfolgt nach einem Stufenplan, wie ihn ähnlich das ehemalige Heim in der Hamburger Feuerbergstraße hatte. Zwar gibt es in Lohne keine Gitter und Zäune, sondern nur eine verschlossene Tür am Eingang und bruchsicheres Glas in den Fenstern, doch ist ein Kind dort drin, darf es erst mal nicht raus. "Nach 14 Tagen kann es einen Ausgang geben, hier auf das Gelände in Begleitung", sagt Schwarze. Nach drei bis vier Wochen sei dann ein begleiteter Ausgang in die Stadt möglich. Längstens ein Jahr soll der Aufenthalt dauern. Doch es gibt auch Rückstufungen. Schwarze: "Wenn wir die Erfahrung machen, dass ein Kind den Ausgang nutzt, um zu entweichen, fangen wir im gewissen Sinn wieder von vorne an."

Wichtig ist Schwarze, dass innerhalb des Gebäudes ein angenehmer Wohnbereich geschaffen wurde. "Wir schließen kein Kind ins Zimmer ein." Es gibt einen "Snoezelenraum", einen "Time-Out-Raum", einen Fitnessraum und zwei Klassenräume für den Schulunterricht. Und es gibt einen 250 Quadratmeter großen Innenhof, für Bewegungsspiele in der Anfangszeit.

Geschlossene Heime

Die Einweisung in ein geschlossenes Heim kann nur ein Familienrichter verfügen. Wichtig ist dabei, dass dies dem Kind hilft. Weil dies selten zutrifft, gibt es bundesweit nur etwa 250 Plätze.

Das geschlossene Heim Feuerbergstraße in Hamburg wurde 2003 unter der CDU-Schill-Regierung errichtet. Anders als andere Heime im Süden hatte es hohe Zäune und einen externen Wachdienst. Nachdem bekannt wurde, dass Jugendliche dort mit Psychopharmaka ruhig gestellt wurden, gab es einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der Rechtsverstöße offen legte.

Zwischen 13 und 16 Jahre alt waren die Jungen in der Feuerbergstraße.

Doch diese Ausstattung, besonders der Hof, erinnern fatal an die 2003 eröffnete und 2008 geschlossene Feuerbergstraße. Dort wurden erst nach Fluchtversuchen hohe Zäune und externe Wachdienste engagiert. Es gab viele Suizidversuche und der Aggressionspegel war so hoch, dass Kinder mit Psychopharmaka ruhig gestellt wurden.

In Lohne ist die Zielgruppe jünger. Man will auf Zäune und Sicherheitsdienst verzichten. "Bei den kleineren ist die Möglichkeit besser, eine Beziehung aufzubauen", sagt Schwarze. "Mit älteren Jugendlichen ab 14 hätten wir gesagt: ,Nein, das machen wir nicht'." Auf die Frage, ob die Jungen im Alter von zehn Jahren nicht zu jung seien, heißt es sowohl bei Träger als auch beim Sozialministerium: "Fakt ist, dass es diesen Bedarf gibt." So würden Jugendliche momentan nach Süddeutschland in dortige geschlossene Heime geschickt.

Die grüne Jugendpolitikerin Mirian Staudte würde das gern genauer wissen. Sie hat für kommende Woche eine Unterrichtung des Landtags beantragt. Angesicht der Heimskandale der 50er und 60er Jahre fände sie es "bedenklich", wenn sich hier "ein kirchlicher Träger in die erste Reihe stellt". Ihre Hamburger Kollegin Christiane Blömeke pflichtet ihr bei: "Hamburg zeigt, dass es auch ohne geschlossene Unterbringung geht." Zwar sei der Ausbau weiterer Angebote für delinquente Jugendliche nötig, "die geschlossene Unterbringung gehört für mich aber nicht zum System Jugendhilfe dazu". Und auch die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände sieht die Sache kritisch. "Man darf nicht Pädagogik mit Strafe vermischen", sagt Sprecherin Cornelia Rundt. Und den SPD-Politiker Thomas Böwer, neben Blömeke maßgeblich an der Schließung der Feuerbergstraße beteiligt, erinnert das Konzept gar an englische Verhältnisse: "Dort hat man gerade 10-Jährige zu Gefängnisstrafen verurteilt."

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11 Kommentare

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  • T
    Tarzoon

    Caritas??? Also katholische Kirche??? Katholische Kirche und kleine Jungs??? Geht's etwa schon wieder los, oder was??? Die Pfaffen lernen es wohl nie!!!

  • PH
    Peter Hoffmeister

    von pethof:

     

    zeigen uns die jüngsten beispiele ehemaliger Heimkinder nicht das wir wieder zurück in alte Zeiten verfallen?

    Geschlossene Heime hatten wir ja schon. Aber was haben diese Heime bewirkt? Sind diese damaligen Heimkinder bessere Menschen geworden?

    Viele sind auf der strecke geblieben, haben ihre Heimzeit ein Leben lang nicht verkraftet und sind Traumatisiert bis an ihr Lebensende.

    Wollen wir wirklich diese Heime wieder aufleben lassen?

    Einige hier haben erkannt das alles ein Gesellschaftsproblem ist. Einige, welche hier geschrieben haben sind mit ihren Beiträgen das Gesellschaftliche Problem. Einfach abtun, ansonsten keine Gedanken daran verschwenden.

    Nur so wird es in unserer Gesellschaft nicht weitergehen können.

    10 jährige Kinder muss man nicht einsperren um sie umzuerziehen. Sie brauchen Liebe und Verständnis um den Glauben an die Erwachsenen wiederzuerlangen.

    Jeder vernünftige Pädagoge wird mir hier sicher zustimmen.

    Und Hamburg hat gezeigt, das wegsperren keine lösung ist.

    Unsere Gesellschaft muss sich diesem Thema stellen und auch mithelfen, das solche Kinder und auch die Eltern wieder in unsere Gesellschaft integriert werden.

    Nur so werden wir Ausbrecher aus unserem Gesellschaftssystem wieder zu Wertvollen Mitmenschen machen.

    Was wir ab 1968 gerade in der Jugenderziehung und Jugendhilfe verändert haben sollten wir jetzt nicht wieder vernichten. Es waren nicht die Kirchen, die Caritas und die staatlichen Einrichtungen die eine veränderung herbeigeführt haben, es war die Forderung unserer Gesellschaft.

  • W
    Wolfgang

    Nicht die Kinder einsperren sondern die Eltern!

    Gemein gesagt, vögeln können die "Erwachsenen" aber von ERZIEHEN keine Ahnung!

  • HP
    Horst Pachulke

    @ beelzebzb: Meine Theorie ist, dass Menschen, die andere Menschen Gutmensch nennen, selbst angst- und hasszerfressene Bösmenschen sind. Sie sind ein perfektes Beispiel dafür.

  • P
    Pascal

    Aus dem Artikel wird - jedenfalls für mich - nicht deutlich, worum es überhaupt geht. Zwar wird nicht mit Reizwörtern gegeizt ("einsperren", "Heimskandal der 50er", "Freiheitsentzug" "Englische Verhältnisse" etc.), aber: Ist das jetzt ein "Jugendgefängnis" für strafunmündige Kinder, oder ist es eine Art geschlossene Jugendpsychiatrie, wo den Kindern geholfen werden soll? Zwar kann man das eine wie das andere zu recht kritisieren, aber ein Artikel, der nicht einmal diesen fundamentalen Unterschied herausarbeitet, sondern nur Stimmung macht, ist ein schlechter Artikel. Und das Bild-Niveau sollte die taz nicht erreichen.

     

    Davon abgesehen: vor ein paar Jahren haben in meiner Heimatstadt drei Elf- bis Dreizehnjährige ein zwölfjähriges Mädchen vergewaltigt. Eine Bestrafung in Form von Gefängnis gab es nicht. Das wäre auch in keinster Weise sinnvoll, da Wegsperren in Gefängnisse in aller Regel die Probleme nicht besser macht, sondern verschlimmert.

     

    Aber eine Therapie finde ich durchaus angebracht. Und das notfalls auch in einer geschlossenen Einrichtung.

  • KB
    karin bryant

    Wir muessen einfach einsehen dass es auch schon 10 Jaehrige gibt die mehr Hilfe brauchen als es anderswo gebracht werden kann.Oft sind diese Jungen gefaehrlich fuer die Gesellschaft und ich denke dass man ihnen in geschlossenen Heimen sehr wahrscheinlich am besten helfen kann....Kuscheljustiz die Segeltoerns durch die Karibik bieten hatten wir ja schon und wir koennen sie auch nicht alle nach Sibirien schicken.

  • RW
    ralf wünsche

    in was für einen verohten staat leben wir eigentlich.

     

    zunächst schaffft man die probleme, in dem diese jugenliche und deren eltern als " bildungsfern " ,

    " pfaul " diffamiert werden , so das schon ab geburt keinerlei chance jemals gibt.

     

    werden diese dann sog. " kriminell " um ihren unterhalt zu finanzieren , werde dieses rein repessiv behandelt mit " therapien " oder diesen sog. "erziehungsanstalten " in verwahr.

     

    wie sagte doch rosa von praunheim :

     

    " nicht du bist krank , sondern die gesellschaft in der du lebst " !

  • S
    Schulz

    Sind Sie sich sicher, (wirklich sicher),

    dass die Jungen nicht aus Abenteuerlust

    alle spaeter zur Armee wollen

    und so rechtzeitig die Plaetze sichern?

    Dann kann es ihnen niemand mehr wegnehmen....

     

    Kindersoldaten gibts ja auf der ganzen Welt.

  • B
    Beelzebub

    Ein lange überfälliger Schritt in die richtige Richtung!

     

     

    Wenn hier etwas fragwürdig ist, dann ist es das Gejaule der Gutmenschenfraktion, die partout nicht kapieren will, dass das "Erziehungsmodell" im Umgang mit jungen Kriminellen angesichts zunehmender Brutalität und stetig steigenden Rückfallquoten auf der ganzen Linie jämmerlich gescheitert ist.

     

     

    Wer z.B. mit einem Messer auf Menschen einsticht, ist, unabhängig vom Alter ein/e gefährliche/r GewaltverbrecherIn, der/die im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit vor Gewaltkriminalität so lange wie möglich weggeschlossen gehört - bei besonders schweren Gewaltverbrechen sowie Falle der Nichtbesserungsfähigkeit für immer. Aufgabe des Strafrechts ist es, entgegen einem weitverbreiteten Gutmenschenirrtum nämlich nicht, aus VerbrecherInnen WohltäterInnen der Menschheit zu machen, sondern die Gesellschaft vor VerbrecherInnen zu schützen.

     

    P.S. Frage an die Gutmenschenfraktion: ist jemand, der von einem 10jährigen erstochen wird, weniger tot, als das Opfer eines 20jährigen Messerstechers?

  • W
    watchdog

    Nun ja, es gibt in dem Alter durchaus schon Kinder, vor denen zumindest andere Kids (aber z.T. auch Erwachsene) durchaus geschützt werden müssen.

     

    Der wichtigste Zwecke einer solchen Einrichtung düfte letztlich die Abschreckung sein ("Wenn Du zu oft erwischt wirst, kommst Du in's Heim"), denn zuvor müssen alle anderen Mittel ausgeschöpft werden.

  • A
    avelon

    Langsam komme ich mir vor wie in Nazi-Deutschland (per Schicksal in Nds geboren).

     

    Und ausgerechnet die Caritas, ausgerechnet Eroeffnung am 1. Mai.

     

    Schicken Sie mir ein 10-jaehriges Kind, welches als nicht erziehbar bzw. als nicht rueckfuehrbar in das ´normale´ Leben ist.

     

    Das normale Leben heutzutage traegt ja mehrfach dazu bei, daß die Kinder ´ausflippen´. Fianziell arm sein = Nichts wert sein.

     

    Gravierende Fehler unserer menschlichen Gemeinschaft (Geld = Haben ist Alles, Sein ist Nichts!) werden allen Kindern taeglich durch das Fernsehen und anderen Medien vor Augen gefuehrt.

     

    Ich sehe das Scheitern des Gefaengnisses bereits vor Eroeffnung voraus.