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Fragwürdige Ehrung in Jena"Rassische Verunreinigung"

Jena hatte einen Karl-Marx-Platz, dann eine Umbenennung und nun ein Problem. Denn vom neuen Namensgeber sind antisemitische Äußerungen aufgetaucht.

Was wiegt schwerer? Die Platz-Debatte in Jena ist noch in vollem Gange. Bild: dpa

In Jena tobt ein Kampf um den "Petersenplatz". Ein Frankfurter Forscher findet den Namen unhaltbar, seitdem er dem Reformpädagogen Peter Petersen rassistische und antisemitische Äußerungen nachweisen konnte. Doch noch zögert die Stadt, ihrem berühmten Bürger den Platz streitig zu machen. Im Nachwendejahr 1991 hatte man den dortigen "Karl-Marx-Platz" in "Petersenplatz" umbenannt und halste sich damit nun achtzehn Jahre später eine heftige Debatte auf.

Über Jahrzehnte war es Peter Petersen, Begründer der berühmten "Jenaplan"-Reformpädagogik und von 1923 bis 1950 Professor an der Universität Jena, meist als biografischer Schönheitsfehler ausgelegt worden, dass er sich seinerzeit recht reibungslos mit dem NS-Staat arrangiert hatte. Vergangenen Sommer allerdings veröffentlichte der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Benjamin Ortmeyer ein Buch mit wiederentdeckten Aufsätzen Petersens, die eine frappierende Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie aufweisen. In der Zeitschrift Blut und Boden etwa charakterisiert Petersen 1933 Juden als "für uns zersetzend, verflachend, ja vergiftend". 1941 erscheint von ihm ein Artikel über rassische Hochwertigkeit ("Sie verpflichtet!").

Vor allem aber verweist Ortmeyer darauf, dass Petersen auch nach 1945 keinerlei Einsicht gezeigt habe: Noch im Gründungsjahr der Bundesrepublik beklage Petersen in einem - erst posthum veröffentlichten - Buch die "rassische Verunreinigung" des deutschen Volkes. "So spricht ein Nazi, der der bessere Nazi sein wollte", schrieb Ortmeyer in der taz vom 5. Oktober 2009. Am gleichen Tag stellte er sich in Jena einer Podiumsdiskussion zu Petersen, die die Stadt anlässlich der neuen Faktenlage einberufen hatte. Ortmeyer vertrat dort eine Position, die er nun noch einmal bekräftigte: "Kein Mensch, der etwas mit Naziverbrechen zu tun hat, wird akzeptieren können, dass jemand mit solchen Äußerungen wie Petersen durch einen Platz geehrt wird."

Aus Jena heißt es indes: "Es kann keine einfache Entscheidung ,Name weg!' oder ,Name behalten!' gefällt werden", erklärt Jörg Vogel, Vorsitzender des städtischen Kulturausschusses. Richtig machen könne der Ausschuss, der sich heute des Problems Petersen in einer Sitzung annehmen wird, aber sowieso nichts, behauptet Vogel: "Jede Entscheidung wird Kritiker haben." Bei Petersen handele es sich nun einmal um eine "widersprüchliche Persönlichkeit". Hier der fortschrittliche Pädagoge, der Gruppenarbeit, altersgemischtes Lernen und antihierarchische Wissensvermittlung propagierte. Dort der Autor, der mit rassistischen und antisemitischen Texten - so der Petersen-Experte Hein Retter - eine "moralische Selbstbeschädigung" betrieben habe.

Was wiegt schwerer? Den Namen eines Verfassers NS-naher Schriften im öffentlichen Raum zu belassen? Oder den Namen eines der bedeutendsten Pädagogen des 20. Jahrhunderts aus dem Straßenbild "seiner" Stadt zu tilgen? In der Diskussionsgrundlage für den Kulturausschuss, die der Jenaer Stadthistoriker Rüdiger Stutz zusammen mit dem Erziehungswissenschaftler Peter Fauser und dem Historiker Jürgen John erstellt hat, heißt es: "Im Falle Petersens lassen sich (…) verstörendes Erinnern und anerkennendes Gedenken nicht voneinander trennen." Das Papier hält auch die Option für denkbar, "den Namen ,Petersenplatz' - kritisch kommentiert - beizubehalten".

Ortmeyer hält hingegen einen solchen Kompromiss für eine "Katastrophe": "Einerseits auf Infotafeln darauf hinzuweisen, dass Petersen ein Nazi war, und ihn andererseits mit einem Platz zu ehren - damit würde sich Jena zum Gespött der ganzen Welt machen."

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38 Kommentare

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  • L
    Luzy

    @Karl Marx: wofür oder wogegen soll das ein Argument sein?! Mit dieser Argumentation könnte man, da Adolf Hitler tierlieb war, auch einen Platz nach ihm benennen - unter Nicht-Berücksichtigung wichtiger Details...

    Wie ich finde, ist Folgendes durchaus wichtig:

    Auf wessen Initiative (!) und warum (!) soll der Platz umbenannt werden?! Und warum in Petersen-Platz?!! Unwahrscheinlich erscheint mir im Übrigen, wenn sich keine Verbindungen zwischen Petersens Nazi-Gedankentum und seinem reformpädagogischen Konzept erkennen ließen... diese gilt es herauszuarbeiten - und kritisch zu reflektieren. Möglicherweise oder besonders auch durch die Eltern, deren Kinder auf die nach diesem Konzept arbeitenden Schulen gehen. In jedem Falle brauchen wir keine Plätze, Straßen, Bauwerke etc. die, wie Petersen, so eindeutig mit dem Nationalsozialismus verbandelt waren. Eine solche Würdigung lässt sich nur als unendlich schamlos den Opfern gegenüber bezeichnen! Als ebenso empörend empfinde ich die relativierenden Argumentationen der Vertreter von Stadt und Kultur zum Thema!

  • KM
    Karl Marx

    "Betrachten wir den wirklichen weltlichen Juden, nicht den Sabbatsjuden, wie Bauer es tut, sondern den Alltagsjuden. Suchen wir das Geheimnis des Juden nicht in seiner Religion, sondern suchen wir das Geheimnis der Religion im wirklichen Juden. Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld."

    Karl Marx: "Zur Judenfrage"

  • OM
    Olaf Müller

    Es ist schon erstaunlich wieviel Dummheiten und Blödsinn von TAZ-Leser(I)nnen verbreitet werden kann. Mein Sohn geht seit einigen Monaten auf die jenaer Jenaplanschule. Er fühlt sich wohl und wird auf der Basis des reformpädagogischen Konzeptes optimal gefördert und gefordert. Ich bin über die NS-Vergangenheit von P. Petersen erschüttert. Umsomehr verunsichern mich die Aussagen von Zeitzeugen die von ihm während des 3. Reiches unterrichtet wurden, die an "seiner" Schule Rückhalt und Schutz vor Verfolgung gefunden haben (Kinder jüdischer, kommunistischer und sozialdemokratischer Eltern). In der hier erfolgten Diskussion und auch im dazugehörigen Buch von Ortmeyer vermisse ich einen differenzierten Umgang mit Geschichte und einer angemessenen Aufarbeitung. Die Vorschläge den Namen zu tilgen, ihn vergessen zu machen sind einfach und entsprechen offensichtlich noch immer unserer deutschen Art der Geschichtsbewältigung (egal ob die des 3. Reiches oder der der SED-Diktatur). Viele der Leser mögen sich bitte hierzu mit den Zielen der Reformpädagogik auseinandersetzen. Haben die Verfasser der ablehnenden Äußerungen nur Angst vor kritischen, selbstbestimmt handelnden Menschen? Oder warum kann ich aus den Kommentaren eine so vehemente Ablehnung lesen?

    Ich wünschte Herr Ortmeyer hätte in seinem Buch nicht allzuviele Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, einem Vorwurf dem er auch bei seiner Vorstellung in Jena (vor immerhin rund 200 Gästen) nicht hat wirklich ausräumen können.

    Heute tagte in Jena der Kulturausschuss und ich hoffe er hat sich zu einem Kompromiss durchringen können der eine Umbenennung überflüssig macht. Ich möchte den Namen am Platz beibehalten aber auch ergänzt sehen durch eine kritische Beleuchtung seiner Person zu Zeiten des 3. Reiches.

    Ich will nicht vergessen und verdrängen, sondern bewältigen und aufklären.

  • M
    Marco

    Ich empfehle unter http://jena-plan.grundschulservice.de/ zu Peterson u.a. Reformpädagogen nachzulesen!!! Der Titel von Benjamin Ortmeyers 2008 erschienenem Buch lautet ´Mythos und Pathos statt Logos und Ethos. Zu den Publikationen führender Erziehungswissenschaftler in der NS-Zeit: Eduard Spranger, Herman Nohl, Erich Weniger und Peter Petersen. Habilitationsschrift Fachbereich Erziehungswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Frankfurt am Main

    Und: Keinen Peterson-Platz in Jena!

  • W
    WilderWusel

    @Zion;da geb ich dir vollkommen recht.

    Langer Rede,kurzes Ding....allein durch die Umbenennung wird ein Name nicht aus dem Gedächtnis verbannt,es wird immer Menschen geben,die sich daran erinnern,daß dieser Platz mal Karl-Marx-Platz hieß.Warum beugt mensch da nicht von vornerein vor,indem er solchen Personenkult abschafft und den Platz nach einem Baum oder Tier oder was weiß ich was benennt?Oder wie wär`s mit No-Name-Platz?;-)

  • GH
    Guenther Herbert

    Evtl. findest sich in der Gauck Behörde ja noch ein Aktendeckel auf dem der Name dieses Rassisten steht - dann wäre die Umbenennung des Platzes sicher kein Problem sondern eine Selbstverständlichkeit.

  • S
    SKWächter

    Mein Sohn geht auf die PPS (Peter-Petersen-Grundschule) in Berlin. Nach diesem Artikel gerät mein Bild des ach so gottvatergleichen Pädagogen gehörig ins Wanken. Sollte man diese Schule umbenennen? Mein Gefühl würde sich nicht merklich ändern, da das Konzept und die Lehre weiterhin nach Peter Petersen ausgerichtet sein würde. Dann kann die Schule auch gleich weiter so heissen. Zumindest kommt mein Sohn nicht ideologisch fragwürdig ausgerichtet nach Hause...

  • M
    Misericordia

    @Uwe Chemiker: Dein Kommentar zeigt deutlich, dass du entweder nie in Jena warst oder es nur von der Autobahn gesehen hast, wo der DDR-Sozialismus am meisten zugeschlagen hat.

     

    Das Jena, dass ich als Jenenser kenne, ist bunt, alternativ und studentisch! Wenn wir so braun wären, würden wir wohl kaum einen SPD-Bürgermeister und linke Landtags- bzw. Bundestagskandidaten stellen...

     

    @Elternvertreter:

     

    Inwieweit die Idee von individueller Lernförderung und Elternkonsultation (bspw. bei Zeugnisausgaben, die mit jedem Schüler einzeln durchgeführt werden) mit Gleichschaltung zusammengehen musst du selbst wissen. Die JenaPlan Schule hat übrigens vor einigen Jahren den zweiten Platz beim deutschen Schulpreis gewonnen.

  • J
    Jenaer

    Wer hier was von "Brauner Hochburg Jena" schreibt, hat offenkundig keine Ahnung. Die Nazis bekommen hier kaum einen Fuß auf den Boden. Die Linke hatte 2009 zu den Wahlen etwa 25%, die NPD 1,x%.

     

    Und was die Straßennamen angeht: es gibt keine gezielte vollständige Umbenennung "kommunistischer Namen" in Jena:

     

    In unmittelbarer Nachbarschaft des Petersenplatzes (winzig, 4 Häuser) liegt große Friedrich-Engels-Straße (Hausnummern bis 96). In Lobeda gibt es noch immer die Karl-Marx-Allee, Liebknecht und Luxemburg sind ebenso präsent wie die bekannten Leute aus dem Widerstand (Reichwein, Lieselotte Herrmann, Rudolf Breitscheid, Judith Auer, Magnus Poser), oder auch einige unbekannte (Otto Militzer).

  • EL
    Erwin Lindemann

    Wie wäre es denn, den Platz nach einer aktuellen prominenten Jenaerin zu benennen: Sahra-Wagenknecht-Platz?

  • C
    chemnitzer

    PS.:

     

    ach ja - Jena ist übrigens in Thüringen

     

    du Genie...

  • C
    chemnitzer

    @jan sebastian

     

    ja klar...

    mein Viertel zum Beispiel

    wo bei der letzten Wahl die Linke mit deutlichem Vorsprung gewonnen hat (NPD: 1,irgendwas %)

     

    soviel Dummschwätz am frühen Morgen lesen zu müssen

     

    wenn ich so ein simples (primitives) Weltbild hätte, würde ich damit aber nicht unbedingt auch noch hausieren gehen...

     

    herzlichst,

    ein Sachse

  • R
    Robert

    Wie wäre es mit "Platz der unnötigen Diskusion über den Namen eines Platzes, die keinen Menschen interessiert der echte Probleme hat und auch niemanden beschäftigen sollte, da es Verschwendung von Arbeitszeit ist"

    Leicht einzuprägen und super Aussage.

  • G
    gelderlander

    @ty1: Naja, in Jena.. Wo doch jeder weiß das Jena-Lobeda(kann man so schön von der A4 aus sehen) eine Nazi-Hochburg iss...

     

    @wilderwusel: Das ist so eine Sache des sich-entledigens, denn so wie die in Westdeutschland nicht mehr zu gebrauchenden Politiker ab 1990 nach Ostdeutschland abgeschoben wurden, änderten die Ostdeutschen die Namen ihrer Straßen und Plätze.

     

    Zwei Beispiele:

    In Erfurt wurde die Ulan-Bator-Str. in "Europaplatz" umbenannt. Warum?

    In Erfurt wurde das Georgi-Dimitroff-Stadion in "Steigerwaldstadion" umbenannt http://de.wikipedia.org/wiki/Georgi_Dimitrow

     

    Ebenso kann man aber auch in Westdeutschland immer wieder Beispiele finden, wo alt-Nazis, ewig gestrige wieder in Erscheinung treten.

     

    Nur eins noch: in Trier gibt es die Karl-Marx benannten Plätze und Straßen auch weiterhin - dort traut sich auch keiner das zu ändern.

     

    Als die Straße vor dem Springerturm in Berlin in Rudi-Dutschke-Straße umbenannt werden sollte, formierte sich ein breiter Widerstand aus CDU/FDP/Springer und Rechtsextremisten - sie wurde trotzdem umbenannt.

  • Z
    Zion

    Ist es eine Nachricht wert?

  • UC
    Uwe Chemiker

    Jena war schon immer ziemlich braun/deutsch-konservativ

     

    Vielleicht sollte in der Stadt der Wissenschaft mal ein wenig recherchiert werden, bevor man Plätze umbenennt...:)

  • LE
    Lev E.

    Man fühlt sich an das großartige Buch "Herr A. Morph" von Johanna und Günter Braun erinnert.

     

    "Morph kannte einen Platz, der Anfang des Jahrhunderts Kaiser-Wilhelm-Platz hieß, nach dem ersten Weltkrieg in Hindenburgplatz umbenannt wurde, danach Adolf-Hitler-Platz und später ein paar Jahre lang Friedrich-Ebert-Platz hieß, darauf den Namen eines kommunistischen Führers annehmen mußte, Rakulinski oder so ähnlich, erinnerte sich Morph, und nachdem offenkundig geworden war, daß dieser Mann Blut an den Händen hatte, nach einem Staatsführer umbenannt wurde, der mit etwas weniger Blut an den Händen sich ängstlich ins Ausland verzogen hatte, so daß der Platz erneut umzubenennen war. [...] Wie wäre es mit Präsidentenplatz? Präsäidenten wird es immer geben, egal wie groß oder klein die Stadt sein mag, auch egal, wovon einer Präsident ist, vom Staat, der Sparkasse, der Eisenbahn oder dem Gartenverein."

  • CR
    Christian Radaj

    Namen so bestehen lassen und mit Kommentar versehen - vielleicht bei gegebenem Anlass in der Zukunft ändern - ist die beste Lösung. An die Vergangenheit muss auch erinnert werden! Gut oder schlecht.

  • U
    Uljanow

    Für die Rückbenennung in Karl- Marx- Platz, das wäre der beste Kompromiss. Für den Kommunismus!

  • R
    robert

    also wenn die die stadt den platz nicht umbenannt hätte, was ich schade finde, dann hätte jetzt aber kaum jemand von uns erfahren was der herr petersen für ein mensch war.

    gruss aus chile

  • M
    Maik

    Hmmm. Nazis huldigen im Osten? Ganz ehrlich, wenn ich mir ansehe wie häufig in Thüringen heute rassistisch gegen Andersdenkende gehetzt wird, dann wäre es doch nur konsequent, zu seiner eigenen braunen Geschichte und Gegenwart zu stehen und den doofen Platz weiter so zu benennen. Mich nervt eher das Tabu, dass im Osten konsequent die braunen Übergriffe unter den Teppich gekehrt werden. Als gebürtiger Ossi und immer noch im Osten Lebender darf ich es sagen, ohne gleich als Besserwessi mit der Bierflasche erschlagen zu werden: Wir Ostdeutschen haben es nicht geschafft, eine Bürgergesellschaft aufzubauen, die moralische Werte lebt. Wir können nicht zu unseren Verfehlungen stehen, seien es kommunistische oder nationalsozialistische. Wir sind in unserer Wahrnehmung immer die armen Opfer. Hey Wessis: Wenn ihr uns das sagen würdet, würden wir euch verbal steinigen und zum Trotz unseren bierseligen Lokalpatriotismus ausleben! Und liebe Politiker: Denkt mal nach, ob dieser moralische Schutzschirm über uns Ossis nicht ein Riesenfehler ist! Wundert ihr euch da noch, dass bei uns die Polizei Asylbewerber anzünden darf und sogar noch freigesprochen werden? Gott sei Dank hat Karlsruhe das revidiert. Was wäre passiert, wenn Karlsruhe ostdeutsch wäre? Ich will es mir nicht ausmalen...

  • K
    Kommentator

    Bin für Sarrazin-Platz.

     

    Dann ist der Rassismus (inkl. philosemitischen sowie philoasiatischen Varianten) nämlich ganz schön in moderne sozialdarwinistische Ideologie verpackt. Und das kommt an.

     

    Und außerdem hält dann der Fliegenschwarm der PI-Fraktion in der Kommentarspalte die Klappe!

     

    Give the People what they want!

  • E
    Elternvertreter

    "Über Jahrzehnte war es Peter Petersen, Begründer der berühmten "Jenaplan"-Reformpädagogik und von 1923 bis 1950 Professor an der Universität Jena, meist als biografischer Schönheitsfehler ausgelegt worden, dass er sich seinerzeit recht reibungslos mit dem NS-Staat arrangiert hatte." - Wenn es denn so wäre. Aber Petersen war eben durch und durch von nationalsozialistischem Gedankengut beseelt.

     

    Die Umbenennung eines Platzes und vieler Schulen ist dabei aber noch das kleinste Problem. Die Vertreter seiner pädagogischen Prinzipien werden hingegen noch viel größere Probleme haben, einzugestehen, daß auch sein pädagogisches Konzept einzig darauf ausgelegt war, aus individuellen Menschen gleichgeschaltete Untertanen zu machen. Petersen war - wenn auch nicht der entscheidende, aber doch ein wirksamer Wegbereiter der NS-Diktatur. Die aufmerksame Lektüre der Ortmeyerschen Forschungsergebnisse, zusätzlich der Seiten jena-plan.grundschulservice.de (ohne die drei w!) und gemeinschaftsschule-aktuell.de kann jeder/m nur ans Herz gelegt werden.

     

    Wer jetzt noch länger das Hohe Lied der Gemeinschaftsschule (wie in Schleswig-Holstein bereits durch das Schulgesetz materialisiert) singt, will eine gleichgeschaltete Gesellschaft.

     

    Es sei auch auf die aktuellen Parallelartikel in taz-online zum Aus für die Gemeinschaftsschule in Sachsen (wobei es z.B. in Pieschen nach andernorts üblicher Nomenklatur wohl eher um eine stinknormale Gesamtschule mit experimenteller Komponente geht) sowie auf einen Artikel in taz-nord www.taz.de/regional/nord/nord-aktuell/artikel/1/das-problem-mit-dem-namenspatron/ hingewiesen.

     

    Danke der taz für die offene Diskussion! Die etablierte Presse hat da noch Berührungsängste. Kein Wunder, hat in Kiel doch 2007 die damalige große Koalition die Gemeinschaftsschule Petersenscher Prägung legitimiert. Übrigens ist es schon wirklich erstaunlich, daß zeitgleich auch die Junge Freiheit in ihrer aktuellen Ausgabe vom 8.1.2010 einen Artikel zum gleichen Thema in gleicher Denkrichtung wie jetzt die taz hat.

     

    Es wird Zeit, daß die Erziehungswissenschaft in Deutschland ihre Vergangenheit endlich mal offen bearbeitet und in Frage stellt. Die Rolle großer Verlagshäuser, die sich immer weiter in die Bildungspolitik einmischen, ist dabei nicht zu vernachlässigen. Das Buch "Ware Bildung" von Jochen Krautz ist in diesem Zusammenhang zu empfehlen.

     

    Übrigens, und damit noch einmal zum Thema zurück: Auch Maria Montessori pflegte engste Kontakte zu den italienischen Faschisten - es war eine für beide Seiten profitable Symbiose. Mussolini war von 1924 bis 1934 Ehrenvorsitzender der Opera Maria Montessori, einer Art Stiftung bzw. Trägerverein - bis man sich über das Tragen von Schuluniformen entzweite. Der Geist war aber der gleiche.

  • S
    scardanelli

    Hm, sollen jetzt auch alle Richard-Wagner-Plätze und -Straßen umbenannt werden (übler Antisemit)? Und Bert Brecht, weil der was mit dem Stalinismus am Hut hatte? Und erst Bloch, der die Säuberungen gerechtfertigt hatte? Ojeoje ...

  • C
    Claudia

    Also da Marx ja nun auch antisemitisch war siehe Marx "Zur Judenfrage" ist der Aufreger ja wohl eher vorgeschoben.

  • M
    Marco

    Ich finde es erschreckend, wie schnell über einen gesagt wird: du bist ein Nazi, so wie es hier durch Ortmeyer gemacht wird.

    Das frühere Ansichten heute verstörend erscheinen ist ja nichts neues.

    Na ja, Historiker sind sowieso ein eigenes Völkchen. Ich habe immer den Eindruck, dass sie gegen jeden sind. Ob Rechts, ob Links, ob Mitte.

    Wie auch immer. Ich finde es wirklich sinnvoll, denn Namen zu belassen, ihn aber zu kommentieren.

  • A
    anke

    Sein wissenschaftlicher Feuereifer ehrt Benjamin Ortmeyer. Aber wieso schlägt er nicht gleich das Schleifen sämtlicher Jenaplanschulen vor? Ich meine: Wenn es keine Schulen mehr gibt, die nach dem Peter-Petersen-Konzept arbeiten, braucht sich vielleicht niemand mehr zu fragen, wer der Mann überhaupt war und in welchem historischen Kontext er seine Gedanken formuliert hat. Gut möglich, dass mit Peter Petersen und seinen Zeitgenossen die ganze schlimme Zeit des Nationalsozialismus endlich in Vergessenheit gerät. Vielleicht wäre ja Jena nach dem Straßenschild-Aus endlich wieder so rein, wie es bis 1933 gewesen sein muss, als der Nationalsozialismus über Nacht vom bis da hin sternenklaren Himmel fiel. So rein, wie Frankfurt (Main) offenbar heute schon ist.

     

    Übrigens: Von der Umbenennung des Karl-Marx-Platzes und den Jahren der DDR hatte man sich seinerzeit die selbe reinigende Wirkung erhofft. Es gibt eben jede Menge kluge Menschen in Jena. Viele von ihnen sind entweder Wissenschaftler oder Pädagogen. Einige sind sogar beides.

  • N
    Nigredo

    Ein Hinweis auf die Ächtung des Kommunismus und stillschweigende Tolerierung von Nazis in Deutschland?

     

    Derzeit gehts ja auch wieder hoch her wegen StaSi-Leuten in den Parlamenten, während wir vorher noch Nazis zu Kanzlern machten...

  • P
    Pecuchet

    Ist das jetzt eine neue Neonazimasche, Antisemitismus mit dem Hinweis auf Marxsche Äußerungen zu relativieren? Die Äußerungen von Marx lesen sich ziemlich schrecklich, sie sind tendenziös, aber sie stehen in keinem Zusammenhang mit einer wie immer gedachten "rassischen Reinheit", die es gar durch mörderisches Handeln herzustellen gelte, sondern sie entstammen einem insgesamt antireligiösem Denken, das leider auch vor Schmähungen nicht Halt gemacht hat.

     

    Die Äußerungen von Petersen dagegen liegen eindeutig im Begründungszusammenhang und in der Folge der Shoah. Hier gibt es nichts zu deuten, hier geht es um einen in aller Konsequenz gedachten Antisemitismus, der die Auslöschung der Juden zumindest im Horizont hatte.

     

    Merke: Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es noch lange nicht das Selbe.

  • F
    foo

    @WilderWusel:

    "Warum überhaupt umbenennen"

    weil der karlemann nunmal der säulenheilige des kommunismus ist? auf den sich zb die verbrecher von sed und stasi berufen haben? von karlchens illiberalen und diffamierenden äusserungen mal ganz abgesehen.

    der kommunismus ist von den ddr-bürger im herbst '89 mit sehr guten gründen in die abfalltonne der geschichte entsorgt worden -- und wenn petersen sich durch nazisympatien untragbar machte -- warum soll karlchens steilvorlagen für linken völkermord u dgl anders behandelt werden?

  • G
    ghostwriter

    Stauffenberg wäre ein mehr als würdiger Namensgeber.

  • DJ
    Delphina Jorns

    Kompromiss: Petersplatz. Das "-en" strafweise gestrichen wg "N"S, wenn man will kann man's auch als vertraulichen Rückgriff auf den Vornamen verstehen. Und der Thüringische Wähler hat ja eine hohe Affinität zu Rom und seinen Vertretern bewiesen, auch dort wird diese Lesart befriedigen. Schliesslich wird man auch berücksichtigen müssen, dass man ohne NS und Katholizismus nicht angemessen gegen den Materialismus, für den dieser Platz so lange gestanden hat, hat vorgehen können.

  • W
    WilderWusel

    Problem hausgemacht:-).Warum überhaupt umbenennen,so ein Schwachmatentum.

  • F
    Felix

    Wie wäre es mit "Hanns-Martin-Schleyer-Platz"? Der war ein ganz toller Arbeitgeberpräsident! Karl Marx hingegen, der olle Bolschewik...

     

    Unfassabar!

  • K
    Karl

    Karl Marx hat aber ebenfalls ganz üble antisemitische Äußerungen in die Welt gesetzt. Da bleibt dann alles beim Alten!

  • M
    mir

    mein Vorschlag: Platz der Antihierarchischen Wissensvermittlung

  • JS
    Jan Sebastian

    Wir können ein Wohnviertel irgendwo in Sachsen in 'rassisches Viertel' umbenennen und die Straßen und Plätze nach irgendwelchen Nazis benennen. Da gibt es dann einen Petersenplatz, einen Hitler-Friedhof, einen Goebbelsweg und ein Mengele-Krankenhaus. Nach feierlicher Einweihung reissen wir das Viertel ab, planieren es und veranstalten ein Fest!

  • T
    ty1

    Ich kann die Einstellung des Vorsitzenden des städtischen Kulturausschusses absolut nicht verstehen. Dieses Zögern spielt Neonazis in die Hände, - wo eine klare und schnelle Entscheidung GEGEN einen "Petersenplatz" notwendig wäre. - gegen Rassismus!