piwik no script img

Fragen und Antworten zur NetzsperreUnerwünschtes Stoppzeichen

Der Bundespräsident hat das Netzsperren-Gesetz unterzeichnet. Damit tritt nun ein Gesetz in Kraft, für das keine der im Bundestag vertretenen Parteien mehr offen eintritt.

Stopp will so gut wie niemand mehr. Bild: Rich Anderson – Lizenz: CC-BY-SA

Wann tritt das Zugangserschwerungsgesetz in Kraft?

Das Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Das ist jetzt nur noch eine Frage von wenigen Tagen.

Ist dem Bundespräsident nach der Unterzeichnung ein politischer Vorwurf zu machen?

Nein, es ist nicht Aufgabe des Bundespräsidenten, beschlossene Gesetze inhaltlich zu bewerten. Auch seine rechtliche Prüfungskompetenz ist begrenzt. Im wesentlichen kann er kontrollieren, ob das Gesetz auf dem richtigen Wege beschlossen wurde und ob der Bund zuständig war. Letzteres war bei den Internetsperren zwar zweifelhaft, aber nicht eindeutig. In den letzten 60 Jahren haben Bundespräsidenten nur acht Mal die Unterschrift unter ein Gesetz abgelehnt. Schwierige rechtliche Fragen sind vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden.

Was regelt das Zugangserschwerungsgesetz?

Das Gesetz sieht vor, dass das Bundeskriminalamt (BKA) täglich eine Liste der zu sperrenden kinderpornographischen Seiten zusammenstellt und die Internetprovider diese Sperrung für ihre Kunden binnen sechs Stunden umsetzen. Wer als Internet-Nutzer auf eine derartige Seite stößt, soll nur ein Stopp-Zeichen mit Erläuterungen sehen.

Wird das BKA nun also doch Sperrlisten erstellen?

Vermutlich wird das BKA vorher durch einen Erlass der Bundesregierung an der Anwendung des Gesetzes gehindert. Rechtstaatlich ist es zwar bedenklich, wenn die Exekutive anordnet, dass ein vom Parlament beschlossenes Gesetz einfach nicht angewandt wird. Politisch ist das aber in Ordnung, da ja keine Partei im Bundestag mehr offen für das Zugangserschwerungsgesetz ist.

Ist das Gesetz, wenn es eh nicht angewandt wird, noch relevant?

Ja, schließlich könnte es durch bloßen Erlass der Bundesregierung wieder für anwendbar erklärt werden. Dann müsste das BKA am nächsten Werktag eine Sperrliste vorlegen, die die Provider binnen sechs Stunden umsetzen müssen. Das heißt, die Provider müssen ihre Sperr-Infrastruktur arbeitsbereit halten, solange das Gesetz formell in Kraft ist.

Wie kann man das Gesetz wieder loswerden?

Durch einen Gesetzesbeschluss des Bundestags. Schon am nächsten Donnerstag (25. Feb.) werden im Bundestag zwei Gesetzentwürfe von Linken und Grünen behandelt, die das Zugangserschwerungsgesetz wieder aufheben wollen. Die SPD will bis dahin auch noch einen Gesetzentwurf einbringen. Wie die Koalition sich verhält, ist noch unklar.

Welche Bedeutung hat die vom AK Zensur angekündigte Verfassungsbeschwerde?

Wenn das Zugangserschwerungsgesetz schnell wieder aufgehoben wird, dürfte sich eine Verfassungsbeschwerde erübrigen. Falls sie kurz vor Aufhebung trotzdem eingelegt wird, dürfte ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Es müsste auch ein persönlich betroffener Kläger (z.B. ein Provider) gefunden werden.

Sollte das Gesetz bestehen bleiben, könnte eine Klage interessant sein. Erfolgversprechend sind aber vor allem formale Aspekte, wie die fragwürdige Zuständigkeit des Bundes für ein Gesetz der Gefahrenabwehr. Wegen mangelnder Eignung lässt Karlsruhe selten ein Gesetz scheitern. Auch die Befürchtung, dass das Gesetz irgendwann später zu einem allgemeinen Zensurinstrument erweitert werden könnte, dürfte für einen aktuellen Erfolg in Karlsruhe nicht ausreichen. Einen Richtervorbehalt für die Sperrung von Internet-Inhalten schreibt das Grundgesetz ebenfalls nicht vor.

Die Bundesregierung will nun vorrangig kinderpornographische Internet-Angebote an der Quelle löschen. Ist dazu ein neues Gesetz erforderlich?

Nein. Soweit verbotene Bilder auf inländischen Servern gehostet werden, kann die Polizei direkt zugreifen und das Angebot unterbinden. In der Regel dürften die Angebote aber im Ausland gehostet werden. Dann kann das Bundeskriminalamt (BKA) wie bisher die Polizeidienststellen des jeweiligen Landes informieren. Entgegen der Regierungs-Desinformation gibt es fast kein Land, in dem Kinderpornografie legal ist. Theoretisch könnte das BKA auch den entsprechenden ausländischen Host Provider oder – soweit ersichtlich – den Inhaltsanbieter informieren. Das will das BKA aber nicht, um nicht eventuelle Ermittlungen der örtlichen Polizei zu stören.

Es ist also kein neues Gesetz für die Löschung von Kinderporno-Webseiten erforderlich. Auch das Zugangserschwerungsgesetz bringt hierfür keinen Vorteil. Eine direkte Befugnis des BKA, eine ausländische Webseite zu löschen, könnte auch ein neues Gesetz nicht einführen. Das Problem der Kinderporno-Webseiten wird eh überschätzt, da die Kinderpornographie selten im Internet frei zugänglich angeboten wird. Typischerweise wird sie in geschlossenen Nutzergruppen gehandelt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • M
    Meister

    Wenn das "Problem der Kinderporno-Webseiten eh überschätzt werde", wie Christian Rath sagt, warum zieht niemand die logische Konsequenz und fordert eine verstärkte Aufrüstung der Polizei, um Gruppen und Personen zu überführen, die mit Kinderpornographie handeln, Geld verdienen, Kinder missbrauchen und vergewaltigen etc.?

    Warum keine entsprechende Verstärkung von Strafverfolgungsbehörden und mehr internationale kriminalistische Zusammenarbeit, um Täter zu bestrafen und zu überführen?

    Warum keine Sperrung und Löschung von entsprechenden Seiten weltweit - warum gibt es eigentlich so viele Hacker, die bis in den Pentagon vorstossen oder andere Organisationen lahmlegen, warum kann man dieses Potential nicht nutzen, um solche Seiten zu stören oder zerstören?

    Oder wenigstens abgebildete Täter zu identifizieren?

    Warum werden Kinderschutzorganisationen weltweit (ECPAT, Kindernothilfe, KARO e.V., Unicef etc.)nicht stärker finanziell unterstützt?

     

    Mir scheint, dass die sogenannte FREIHEIT immer noch eine viel größere Lobby als KINDER hat.

  • E
    Edelweiß

    Stimmt schon!In diesen Ländern gibt es aber keine Internet-Infrastruktur, so das dort auch keine Server stehen. Informationen dazu gibt es bei MOGIS.

  • R
    roggenschrotbrot

    http://www.dlandau.de/pornoillegal.html

    in den Länder, die von Ministerin vdl beschuldigt wurden, keine Gesetze gegen Kinderpornographie erlassen zu haben, herrscht tatsächlich überwiegend allgemeines Pornographieverbot. Die übrigen Länder (im Link aufgelistet) stehen beileibe nicht im Verdacht, Standorte größerer IT-Strukturen zu sein. Zumal sie wohl auch in den bestehenden Sperrlisten anderer Länder nicht auftauchen (http://www.heise.de/newsticker/meldung/Websperren-Kinderporno-Taeter-bevorzugen-USA-und-Deutschland-als-Serverstandorte-886814.html)

  • S
    schockschwerenot

    Entgegen der Regierungs-Desinformation gibt es fast kein Land, in dem Kinderpornografie legal ist.

     

    FAST kein Land? Mir wird gerade ziemlich schlecht. Ich hoffe, es handelt sich hier um einen Fehler oder eine aus Zeitgründen nicht recherchierte Vermutung. Vielleicht kann einer der Kommentatoren helfen? Bitte keine Vermutungen, nur Angaben mit Belegen, okay?

     

    Vielen Dank.