Fragen und Antworten zu Anleihekäufen: Keine Angst vor hoher Inflation
Die jüngste Entscheidung der Europäischen Zentralbank, erneut Staatsanleihen zu kaufen, könnte den Wert des Euros verringern. Es gibt noch andere Auswirkungen.
BERLIN taz | Die Europäische Zentralbank bereitet eine koordinierte Aktion vor: Sie will angeschlagenen Euro-Ländern wie Spanien und Italien zu frischem Geld verhelfen – und dafür deren Staatsanleihen aufkaufen. Damit will die EZB die Schuldzinsen drücken, unter denen Madrid und Rom leiden, weil sie sich auf dem freien Markt gegenwärtig nur sehr teuer Gelder beschaffen können. Letztlich geht es darum, die Spanier und Italiener vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren.
Warum werden Anleihekäufe kritisiert?
Kritiker wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann befürchten einen unerwünschter Nebeneffekt: Inflation. Denn mit ihren Anleihekäufen setzt die EZB Hunderte Milliarden Euro zusätzlich in die Welt. Wächst die Geldmenge aber stärker als die produzierten Waren, dürften die Preise steigen – und der Außenwert des Euro sinken. Außerdem verbieten die europäischen Verträge es der EZB, Regierungen zu finanzieren.
Droht eine Inflation?
Die EZB will die Teuerung möglichst niedrig halten. Zwei Prozent sollen nicht überschritten werden. Die tatsächliche durchschnittliche Preissteigerung im Euro-Raum liegt mit 2,6 Prozent etwas darüber.
Muss man mit mehr rechnen?
Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, meint: „vorläufig nein“. Ende 2011 habe die Geldmenge gegenüber dem Vorjahr bei plus 2,6 Prozent gelegen – trotz des Kaufs von Staatsanleihen durch die EZB. Sollte sich das ändern, kann die Zentralbank den Geschäftsbanken etwa weniger Kredite geben und damit die Menge des umlaufenden Geldes verringern.
Bisher hat das geklappt. Und langfristig? Die Anleihekäufe der EZB müssten die Ausnahme bleiben, meint Straubhaar. Sonst nehme die Inflationserwartung von Bürgern, Firmen und Investoren zu. Die Gefahr einer Preisspirale wachse.
Warum ist Inflation schlecht?
Bei einem mittleren Arbeitnehmereinkommen von 40.000 Euro jährlich bedeuten zwei Prozent Inflation einen Kaufkraftverlust von 800 Euro im Jahr. Die Inflation knabbert auch an Lebensversicherungen, Sparguthaben, Aktien- und Wertpapierrenditen. Wer mit einer monatlichen Rente von 1.000 Euro rechnet, muss einkalkulieren, dass die spätere Kaufkraft vielleicht nur zwei Drittel des Nominalbetrages ausmacht.
Gibt es auch Vorteile?
Während Preise steigen, können zugleich die Löhne und Gehälter wachsen. Viele Deutsche erhalten derzeit Lohnzuschläge über der Inflationsrate. Eine großzügige Geldpolitik könnte Ländern wie Spanien auch helfen, dem Teufelskreis aus Sparen und Arbeitslosigkeit zu entkommen. Mit der Inflation nimmt auch der Wert alter Kreditschulden ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind