Fragebogenaffäre: Gegnerbeobachtung in grün
Die Nord-Grünen reagieren unterschiedlich auf die Aufforderung, Informationen über die Linken-Abgeordneten zu sammeln. Die spottet über die Ökospitzel.
Mit "Befremden" hat die Fraktion der Grün-Alternativen Liste (GAL) in der Hamburgischen Bürgerschaft auf die Aufforderung der Bundestagsfraktion reagiert, PolitikerInnen der Linken-Fraktion im Landesparlament auszuspionieren. "Das geht über die übliche ,Gegnerbeobachtung' hinaus", sagt Fraktionsvize Antje Möller: "Wir werden das nicht mitmachen."
Das hatten Möller und Fraktions-Chef Jens Kerstan bereits am vorigen Donnerstag der Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, Dora Heyenn, in einem Brief zugesagt. Heyenn hatte Kerstan tags zuvor am Rande der Bürgerschaftssitzung "mein Unverständnis ausgedrückt". Nach der "prompten und glaubhaften Antwort" sei die Sache für sie erledigt gewesen, so Heyenn: "Wir wollten das nicht an die große Glocke hängen."
Bekannt gemacht wurde der Vorgang deshalb erst an diesem Mittwochabend durch die Bundestagsfraktion der "Linken". In dem Formular aus dem Mitarbeiterstab der grünen Bundestagsfraktion werden die Parteifreunde unter anderem gebeten, Angaben über "personelle Zwistigkeiten" oder zur Stasi-Vergangenheit einzelner Linkspartei-Abgeordneter zu machen. Abgefragt werden in dem Formular unter anderem: "Ihre politischen Schwachpunkte in der Parlamentsarbeit", "Interne Streitigkeiten über die politische Richtung der Fraktion" oder "Besonderheiten (z.B. Stasi-Vergangenheit von Fraktionsmitgliedern, Umgang damit; politische Herkunft u.ä."). In einer ersten Fassung war auch nach "personellen Zwistigkeiten" und "Sonstigen Auffälligkeiten" gefragt worden.
Die Chefin der niedersächsischen Landtagsfraktion, Kreszentia Flauger, sagte: "Eine Partei, die angeblich für Datenschutz und Bürgerrechte eintritt und den großen Lauschangriff ablehnt, erstellt jetzt systematisch Dossiers über andere Fraktionen. Wir sind schockiert."
Grüne und Linkspartei in Schleswig-Holstein erfuhren erst am Donnerstag durch die taz von dem Vorgang. "Uns hat das noch nicht erreicht", räumt der grüne Justizpolitiker Thorsten Fürter ein, "die Fraktion konstituiert sich ja gerade erst." Das Ausfüllen eines solchen Fragebogens aber käme nicht in Frage: "Ich würde ihn mit einem bösen Kommentar zurückschicken." Der linke Abgeordnete Uli Schippels versichert dagegen ironisch, er würde "den Zettel nach bestem Wissen und Gewissen ausfüllen." Und fügt hinzu: "Die sind doch jenseits von Gut und Böse."
Die Bremer "Linken" fragen spöttisch, ob die Grünen "jetzt die Arbeit des Verfassungsschutzes übernehmen, der sich bekanntlich aus der unnützen Beobachtung der Linken zurück gezogen hat" - in Bremen übrigens auf Initiative von Rot-Grün. Grünen-Fraktions-Chef Matthias Güldner findet diesen Vorwurf "absoluten Quatsch". Der Fragebogen erhebe lediglich ohnehin öffentlich zugängliche Informationen, das sei "völlig eindeutig". Insofern könne von "Bespitzelung" keine Rede sein. Die Geschäftsstelle der Bremer Grünen habe lediglich eine "allgemein gehaltene Antwort" mit Links und Verweisen auf die Homepage der Linkspartei zurück gesandt. Die Abgeordneten selbst hätten vom diesem Vorgang erst durch die Presseanfragen Kenntnis erhalten.
Nichtsdestoweniger äußert Güldners Kollegin von der Bremer Linkspartei, Monique Troedel, "großes Befremden" über die Befragungsaktion: "Das hätte ich den Grünen nicht zugetraut." Man könne sie jedoch gern alles fragen, was interessiere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!