: Frage des Torverhältnisses
Senatsverwaltung will bis Mitte September über dauerhafte Sperrung am Pariser Platz entscheiden. CDU-Mann: Geschlossenheit ist Symbol für Teilung. Umfragemehrheit gegen erneute Öffnung
von STEFAN ALBERTI
Eine dauerhafte Sperrung des Brandenburger Tors für den Autoverkehr ist nicht mehr ausgeschlossen. Die Verwaltung von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) kündigte eine Entscheidung bis Mitte September an. Zu diesem Termin sollte das Tor ursprünglich nach über viermonatigen Arbeiten auf dem Pariser Platz wieder in Ost-West-Richtung durchfahrbar sein. „Bis dahin wollen wir Klarheit haben“, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung. Fast zeitgleich, am 3. Oktober zum Einheitsfeiertag, soll auch die Sanierung des Tores abgeschlossen sein und die Telekom-Plane verschwinden. Eine Mehrheit der Berliner hatte sich jüngst gegen eine erneute Öffnung ausgesprochen.
Anfang Mai, zu Beginn der Bauarbeiten, hatte sich die Strieder-Behörde noch äußerst zurückhaltend zu einer Sperrung geäußert. Die umliegenden Straßen könnten den Verkehr dauerhaft nicht bewältigen, hieß es. Eine Sperrung sollte erst dann ein Thema sein, wenn andere umliegende Straßen ausgebaut oder verlängert sind.
Jetzt, zwei Monate später, sind diese Straßen weder ausgebaut noch verlängert, und doch denkt die Senatsverwaltung über eine Sperrung nach. „Wir sind dabei, uns anzuschauen, welche Auswirkungen die derzeitige Sperrung hat“, sagte ihr Sprecher Joachim Günther gestern. Ein Zwischenergebnis liege noch nicht vor. Einen Zusammenhang mit der jüngsten Meinungsumfrage wies Günther zurück: Davon mache man die Sperrung nicht abhängig.
In der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die Berliner Morgenpost lehnen es 54 Prozent der Befragten ab, das Tor wieder für den Autoverkehr zu öffnen, 43 Prozent sind dafür. In den östlichen Stadteilen plädieren sogar 58 Prozent für die Sperrung. Die Grünen hatten mehrfach verlangt, das Tor zu schließen und den Pariser Platz zur Fußgängerzone zu machen.
Bleibt das Tor nach den Bauarbeiten am Pariser Platz dicht, so hätte das vom Ablauf her etwas von einem Déjà-vu. Denn von der Wende bis 1998 durften, von einem Intermezzo abgesehen, nur Busse, Taxis und Radfahrer von Ost nach West durch das Tor fahren. Wegen Bauarbeiten in der Dorotheenstraße aber wurde das Tor dann geöffnet – angeblich für acht Monate, aus denen bisher vier Jahre geworden sind.
Die Umfragewerte bringen vor allem die Berliner Union und die FDP in die unangenehme Situation, im Widerspruch zu Volkes Stimme zu stehen. Ganz eindeutig hatte sich Volker Liepelt, der als CDU-Bundestagskandidat für Mitte seit Monaten im Wahlkampf ist, gegen die Sperrung ausgesprochen „Mit PDS und Strieder fließt der Verkehr nie wieder“, reimte der frühere Generalsekretär der Berliner Union holprig, als das Tor wegen der Bauarbeiten schloss. Strieder warf die CDU „eine klammheimliche Vorbereitung für eine konzeptionslose Schließung“ vor.
Trotz der anderen Umfragemehrheit beharrt Liepelt auf seinem Standpunkt: „Wer das Brandenburger Tor schließen will, muss ein Verkehrskonzept für die Mitte Berlins vorlegen, und das sehe ich nicht“, sagte er gestern. Eine Schließung ist für ihn nicht nur eine Verkehrsfrage: „Für mich die Geschlossenheit noch immer ein Symbol der Teilung.“ Auf den Hinweis, dass Fußgänger durchaus das Tor passieren könnten, räumte Liepelt ein, der Autoverkehr sei nicht das Maß der Dinge.
Auch FDP-Politiker Erik Schmidt, stadtentwicklungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, sieht Symbolcharakter. Für ihn widerspricht eine Sperrung dem Bild eines weltoffenen Berlins. Die Umfragemehrheit von 54 zu 43 Prozent für eine Sperrung nannte er knapp. „Daraus würde ich noch keine Schlussfolgerungen ziehen wollen.“
Dass trotz der als vorübergehend angesetzten Sperrung um das Brandenburger Tor ein Verkehrschaos ausgeblieben ist, mochte Schmidt nicht als Gegenargument gelten lassen. Autofahrer seien weiträumig in andere Straßen ausgewichen und sorgten dort für Probleme. Dennoch sieht er die andere Seite am Drücker: „Ich nehme an, dass wir nach der Sommerpause eine Vorlage bekommen, die auf die Schließung des Tores hinausläuft.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen