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Foster kommt, Baumgarten geht

■ Das bauliche Innenleben des Reichstags aus den 60er Jahren wird derzeit herausgerissen / Geschichte wird verbaut

Wenn im Jahr 2000 die Parlamentarier im umgebauten Reichstag nach Spuren des Wiederaufbaus aus der Nachkriegszeit suchen, werden sie nichts finden. Gemeinsam mit dem Asbest läßt derzeit die Bundesbaugesellschaft Berlin (BBB) das gesamte denkmalgeschütze Innenleben des Hauses herausreißen. Nicht nur der große Plenarsaal und das südliche Foyer aus den 60er Jahren sollen verschwinden, sondern auch die lichten Stege, die Glaswände in der Westhalle, die nüchternen Fraktionssäle und Wandverkleidungen, die Paul Baumgarten zwischen 1962 und 1967 im Stil der Moderne realisiert hat.

„Im Augenblick findet die vollständige Freilegung der Innenschicht des Reichstagsgebäudes statt“, so Frank Fürneisen, Projektleiter bei der BBB, zur taz. Die „Ausräumung“ sei notwendig geworden, da eine größere Asbestverseuchung als erwartet festgestellt wurde. Aber auch für die statischen Berechnungen des englischen Architekten Norman Foster, der im Herbst mit dem Umbau des Reichstags beginnen möchte, wären die „Freilegungen“ bis auf die originalen Wände und Mauern unentbehrlich. Schließlich rechtfertigten die „wertvollen“ wiederentdeckten Bausubstanzen und Funktionen, Raumfluchten und Figuren von 1894 (der Zeit des Reichstagsbaus von Paul Wallot) sowie die russischen Inschriften vom Mai 1945 die Tabula rasa Baumgartens. BBB-Geschäftsführer Winfried Rütter: „Wenn man Foster will, kann man Baumgarten nicht halten.“ Noch im Februar hatte die BBB von einer „stellenweisen“ Freilegung gesprochen und die möglichen Entkernungsarbeiten auf den Sommer – nach der Christo-Verhüllung – terminiert.

Die totale Ausräumung des Reichstags steht im Widerspruch zum bisherigen Umgang mit der Geschichte und Bedeutung des denkmalgeschützten Gebäudes. Nach Ansicht des Kunsthistorikers Werner Oechslin „ist der Reichstag ein Monument vieler Geschichten geworden“. Er sei ein Bau aus der wilhelminischen Gründerzeit, ein Dokument als Ruine aus der Nazizeit und ein erneuertes Monument aus der Nachkriegszeit, an dem sich deutsche Geschichte ablesen lasse. Gerade Baumgarten wollte den von Wallot errichteten Bau zu einem schlichten Symbol des bundesrepublikanischen Parlamentarismus werden lassen. Er befreite die Fassaden von schwülstigen Dekors und baute neue – wenn auch nicht gerade schöne – Innenräume. Nach der Entscheidung, den Bundestag ins Reichstagsgebäude zu transferieren, war vielfach gefordert worden, alle „historischen Schichten“ des Baus zu erhalten.

Schützenhilfe erhält die BBB für das Abräumkonzept und die Hervorkehrung Wallots von der Denkmalpflege. Landeskonservator Helmut Engel, bekannt für seine Haltung, bei Denkmälern den gesamten historischen Prozeß zu berücksichtigen, plädiert diesmal für die Entkernung. Das, „was nun zum Vorschein kommt“ – jene baulichen Besonderheiten und kyrillischen Inschriften –, „überlagert Baumgarten“, so Engel. Der Reichstag werde zu einem „nationalen Geschichtsdenkmal“ mit ganz neuer Bedeutung.

Einen Alibi-Baumgarten indessen könnte es geben: Ein Eckraum im Obergeschoß soll erhalten bleiben. Und die BBB will die Einbauten dokumentieren. Rolf Lautenschläger

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