piwik no script img

WirtschaftFossil bleibt schmutzig

Wärmepumpen heizen klimaneutral – aufKosten der Fossilkonzerne. Also beauftragte die britische Gaslobby eine Angstkampagne, die an die deutsche Heiz-Hammer-Hysterie erinnert. Bezahlt auchvon der englischen Gasboiler-Tochterdes Stuttgarter Bosch-Konzerns.

Die zwei Seiten des Frank Schäffler (FDP): Wärmepumpenkritiker und -nutzer. Foto: Dominik Konrad

Von Jürgen Lessat Die Nachfrage nach klimaschonenden Wärmepumpen ist hierzulande drastisch eingebrochen. Beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wurden im ersten Halbjahr48.804 Anträge für die Förderung dieses Heizungssystems gestellt, berichteten die Zeitungender Funke Mediengruppe. Im gleichen Zeitraumdes vergangenen Jahres waren es noch 97.766Anträge. „Die BAFA-Zahlen sind ein Zeugnis der enormen Verunsicherung, die das geplante Heizungsgesetz ausgelöst hat“, kommentierte Frank Ebisch, Sprecher des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVHSK).

„Das ist so eine Kombination aus wahnsinnig vielen Falschannahmen und Falschbehauptungen, die in der Öffentlichkeit rumgeistern unddie dazu führen, dass viele Leute das kritisch sehen“, sagte der „Table Media“-Journalist MalteKreutzfeldt Ende Mai im „Übermedien“-Podcast. Fehlende Fachkenntnis bei einem Teil derPolitiker:innen und Journalisten:innen hätten die Empörungswelle über Wärmepumpen undden grünen Klimaminister mit aufgeschaukelt. Zudem wäre die übliche Kommunikationsstrategie Robert Habecks, alles ruhig und sachlich zu erklären, nicht aufgegangen. Denn hier gehees um die finanziellen Interessen der Gasbranche, die um ihre Geschäftsmodelle fürchtet, so Kreutzfeldt. So erzielten allein die deutschenGasanbieter im Jahr 2021 durch den Verkauf von Erdgas an Letztverbraucher einen Umsatz von 42 Milliarden Euro. Im vergangenen Krisenjahrerzielten die großen Energieversorger auch dank gestiegener Gaspreise Rekordgewinne.

Dass die Branche tatenlos zuschaut, wennfossile Gasheizungen massenweise aus den Heizungskellern verschwinden, war nicht erwartbar.Stattdessen liegt es nahe, dass ihre Lobby alleHebel in Bewegung setzt, um Reduktionszielezu verwässern und die Wärmewende hinauszuzögern. Wie verwerflich die Gaslobby dabeivorgeht, zeigt sich in Großbritannien, wo die konservative Tory-Regierung die klimaneutraleBeheizung von Gebäuden sogar stärker forciertals die Berliner Ampelkoalition. Mit Strombetriebene Wärmepumpen sollen eine Schlüsselrolle beim Ersatz von Gaskesseln spielen, die derzeitrund 85 Prozent der britischen Haushalte heizenund landesweit für 15 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.

Die Regierung fördert seit dem vergangenenJahr Wärmepumpen mit 5.000 Pfund, was im günstigsten Fall die Investitionskosten auf dasLevel einer neuen Gastherme drückt. Schmerzlichdürfte für die Branche auch sein, dass Herstellern von fossilen Heizkesseln ab 2024 eine Quote für die Installation von Wärmepumpenim Verhältnis zu ihren verkauften Gas- oder Ölkesseln auferlegt werden soll. Verkaufen sienicht genügend Wärmepumpen, würden saftige Geldstrafen fällig. Bis zum Jahr 2028 sollensojährlich 600.000 neue Pumpen installiert werden.Doch trotz höherer Subventionen als in vielen anderen europäischen Ländern wurden imVereinigten Königreich 2022 nur 60.000 Wärmepumpen installiert, während es in Polen undItalien 200.000 waren.

Warum die britische Wärmewende lahmt,deckte jetzt das britische Investigativ-Portal„DeSmog“ auf. Demnach versuchte die Gaslobbynicht nur, die Gesetzgebung in öffentlichen Anhörungen zu beeinflussen. Sie schreckteauchnicht vor schmutzigen Methoden zurück:Geleakte Dokumente beschreiben eine inten­sive zweijährige Kampagne, die Wärmepumpenöffent­lich in ein schlechtes Licht rücken sollte.Parallel dazu wurde bei Regierung und Oppositionsparteien für Wasserstoffheizungen ge­wor­ben, obwohl der Weltklimarat IPPC sowie zahlreiche unabhängige Studien diesem Gas nureine marginale Rolle bei der Dekarbonisierung von Heizungen zusprechen.

Teuer, laut,sowjetisch

Laut „DeSmog“ beauftragte der LobbyverbandEnergy and Utilities Alliance (EUA), der britische Heizungshersteller und Gasproduzentenvertritt, die in Birmingham ansässige Werbeagentur WPR Agency für eine „integrierte PR-und Social-Media-Kampagne“, um „die Richtungder Regierungspolitik zu ändern“. In deren Zuge verbreitete WPR Hunderte von Artikeln und Interviews, in denen Wärmepumpen mit Halbwahrheitenund zweifelhaften Studien verteufelt und Wasserstoff als Brennstoff der Zukunftgepriesen wurden. Die Berichte erschienen inauflagenstarken Medien wie „The Sun“, „Telegraph“ und „The Express“, übertitelt mit vernich­tenden Schlagzeilen, die Wärmepumpen als„teuer und laut“, „finanziell verrückt“ oder „sowjetisch“ geißelten. In populären Radioformatenwie „Newsnight“ und „GB News“ von BBC 2wurden ähnliche Botschaften verbreitet.

Laut einer Google-Analyse von „DeSmog“ vom April hat WPR im Laufe der 23-monatigenKampagne zwei Drittel der negativen Berichte über Wärmepumpen generiert, die in britischen Boulevardzeitungen, im Rundfunk und in der Fachpresse erschienen sind. In ihrem Internetportal erklärte WPR offen, Ziel der Kampagne sei, „Outrage“ („Empörung“) über Wärmepumpen zu entfachen. Was offenbar gelungenist, wie die relativ geringen Installationszahlennahelegen. Nachdem „DeSmog“ die Agentur um Stellungnahme gebeten hatte, wurde das Kampagnenziel auf der Webseite in „Spark Conversations“ (zu Gesprächen anregen) geändert.

Verunsicherung und Angst unter Haus- und Wohnungsbesitzern schüren: Die Parallelen zurhiesigen Wärmepumpen-Debatte sind frappierend. Nachdem Ende Februar ein Referentenentwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) andie „Bild“-Zeitung durchgestochen worden war,kochte die Diskussion hoch, wie Häuser undWohnungen klimagerecht zu beheizen sind.Auch in Deutschland geschieht dies bislang vorallem durch Gas- und Ölheizungen, die laut Um­weltbundesamt im Jahr 2020 insgesamt 144Millionen Tonnen direkte und indirekte Kohlendioxidemissionen verursachten. Dies war rundein Fünftel der gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands. Um den CO2-Ausstoß 2045auf Null zu reduzieren, wie es das Klimaschutzgesetz verlangt, müssen auch in Deutschland fossile durch klimaneutrale Heizungen ersetztwerden.

Doch diese Mammutaufgabe ging in derHysterie völlig unter. Allen voran polemisiertendie Springer-Organe „Bild“ und „Welt“ gegen den „Heiz-Hammer“ und Robert Habeck (Grüne) als zuständigen Klima- und Wirtschaftsminister. „Habeck führt uns in den Heiz-Kollaps“,„Habecks Heiz-Hammer zerstört Altersvorsorge“, „Habeck-Plan ‚grenzt an Planwirtschaft‘“, laute­ten die „Bild“-Schlagzeilen, die alle suggerierten, dass die grüne Wärmewende das Land dem Untergang weiht. Parallel dazu befeuerte die FDP auf der politischen Bühne den Streit. Wobei dieSpringer-Medien auffallend oft dem Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler als Sprachrohrdienten, der den bereits in der Ampelkoalitionabgestimmten GEG-Entwurf mit teils hanebü­chenen Behauptungen torpedierte. Von dem FDP-Hinterbänkler war bis dato nur wenig be­kannt gewesen. Zum Beispiel, dass er denmen­schengemachten Klimawandel leugnet und das libertäre Prometheus-Institut gegründet hat, dem Verbindungen zur US-Klimaleugner-Szene nachgesagt werden.

Schäfflers Bekanntheitsgrad schoss in dieHöhe, als er im April in „BILD“ das Heizungsgesetz mit einer „Atombombe für unser Land“ verglich. Fortan durfte er in Talkshows und Interviews über Technologieoffenheit philosophieren und Wasserstoffheizungen als Klima­retter preisen. Dass grüner (klimaneutral produzierter)Wasserstoff absehbar kaum verfügbar und relativ teuer ist, und dass es derzeit völligunklar ist, ob und wie sich das 511.000 Kilometer lange Erdgasnetz in Deutschland überhaupt wirtschaftlich wie technisch umrüsten lässt, verschwieg Schäffler geflissentlich.

Zurück auf die Insel: Im Großteil der negativen britischen Medienberichte über Wärmepumpenwurde der ehemalige Labour-Abgeordnete Mike Foster als Experte zitiert. Foster ist Geschäftsführer der Energy and Utilities Alliance, derenMitglieder nach eigenen Angaben für rund 98Prozent der Heizungsinstallationen in Großbritannien stehen. Die Mehrheit der Unternehmen verkauft bislang ausschließlich fossileGasthermen, einige jedoch auch Wärmepumpen.Zu Letzteren zählt der Marktführer auf dembritischen Heizungsmarkt: Worcester Bosch,die seit 1999 zum Stuttgarter Robert BoschKonzern gehört. Kurios: In ihrem Internetportal wirbt die Firma für Wärmepumpen, die ihrschwäbischer Mutterkonzern produziert. Alsgute Argumente für die Geräte dienen Effizienz, Leistung und Kosten – eben all das, was in derWPR-Kampagne stets bestritten wurde. Skurril auch: Worcester Bosch-Direktor MartynBridges ist Präsident des Gas-LobbyverbandsEUA – was ihn in die Zwickmühle bringt, imHauptberuf Wärmepumpen anzupreisen, siebei der EUA aber zu verdammen.

Bosch setzt auf den Wachstumsmarkt

Gaslobbyisten bringen sich gegen die Wärmepumpe (Bildmitte) in Stellung. Foto: Jens Volle

Dabei setzt auch Mutterkonzern Bosch voll auf Wärmepumpen. „Wir rechnen in der EU in denkommenden Jahren mit einem überproportionalen Wachstum in diesem hochdynamischen Umfeld und haben uns das Ziel gesetzt, deutlich stärker als der Markt zu wachsen“, so JanBrockmann, CEO der Bosch Home ComfortGroup. Schon heute sind Wärmepumpen ein wichtiger Wachstumstreiber für die Sparte, der Umsatz legte im globalen Wärmepumpen-Geschäft um 54 Prozent zu. Für den gesamten europäischen Wärmepumpenmarkt wird bis 2025 ein jährliches Wachstum von rund 20Prozent prognostiziert. Während des laufenden Jahrzehnts sollen in der Europäischen Union 30Millionen zusätzliche Wärmepumpen installiert werden.

Von Kontext angesprochen auf den Widerspruch – Negativ-Kampagne in Großbritannien, Produktionshochlauf in Europa – antwortetein Bosch-Sprecher, dass „EUA-Mitglieder wieBosch alle unterschiedliche Technologien herstellen und vertreiben, um die Dekarbonisierungdes Gebäudesektors zu erreichen“. Im Hinblickauf die GEG-Diskussion hierzulande betont er,dass der Gebäudesektor sofort Lösungenbrauche, um sich klimaneutral aufzustellen. „Die GEG-Novelle ist ein richtiger Schritt für die Wärmewende. Wärmepumpen sind der Beschleunigerfür die Wärmewende im Neubau und im geeigneten Bestand.“

Und was macht der Wärmewendekritikervon der FDP? Vor Kurzem outete sich FrankSchäffler im ZDF-Talk bei Markus Lanz: Für dieBeheizung seines Zuhauses habe er eine Wärmepumpe bestellt. Natürlich staatlich bezuschusst.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen