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Fortsetzung von Schwarz-GrünGrüne brauchen Hamburg

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Grünen können auf das Hamburger Modell nicht mehr verzichten. Es macht sie zu einer glaubhaften Volkspartei, die aus der Mitte heraus mit allen Parteien koalitionsfähig ist.

H amburg nennt sich zwar gern "Tor zur Welt", aber meist ist nur von lokalem Interesse, was dort politisch entschieden wird. Dieses Wochenende bot eine seltene Ausnahme: Es ist auch bundespolitisch bedeutsam, dass Schwarz-Grün in Hamburg fortgesetzt wird.

Vor allem die Grünen können auf das Hamburger Modell nicht mehr verzichten. Es macht sie zu einer glaubhaften Volkspartei, die aus der Mitte heraus mit allen Parteien koalitionsfähig ist. Diese Rolle ist neu, aber erfolgreich. In Umfragen erzielen sie in einigen Bundesländern 20 bis 27 Prozent - und die SPD ist mit der realen Gefahr konfrontiert, dass die Grünen an ihr vorbeiziehen.

Dabei kommen die neuen Grünen-Stimmen nicht nur von enttäuschten SPD-Wählern. Auch Konservative können sich offenbar vorstellen, für Grün zu stimmen, wenn sie mit CDU und FDP unzufrieden sind. Das zeigt sich etwa in Baden-Württemberg, wo im März gewählt wird und die Grünen in Umfragen bei 20 Prozent liegen.

Bild: taz

Ulrike Herrmann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz. Vor kurzem erschien ihre Studie Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht (Westend).

Diesen Zuspruch können die Grünen aber nur nutzen, wenn sie nicht als ewiger SPD-Juniorpartner agieren. Dieser Nachweis ist wichtig, um neue Wähler aus dem konservativen Milieu anzusprechen und um reale Machtoptionen zu entwickeln.

Das Dilemma der Grünen zeigt sich am klarsten in Berlin, wo sie 27 Prozent in den Umfragen erzielen, und es durchaus denkbar ist, dass sie mit einer Kandidatin wie Renate Künast die SPD überflügeln. Trotzdem bestehen die Sozialdemokraten darauf, weiterhin den Bürgermeister zu stellen.

Schwarz-Grün ist jedoch nur eine Option für die Wähler und eine reale Drohung für die SPD, wenn diese Koalition irgendwo funktioniert. Eine skandalgeschüttelte Jamaika-Koalition im Saarland reicht dafür nicht.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

6 Kommentare

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  • H
    Hanno

    Glaubhaft? Glaubhaft?? Die Grünen in Hamburg?

     

    Moorburg schon vergessen?

  • R
    reblek

    Schon traurig, dass sich Frau Herrmann derart krude Gedanken macht, um den Unfug, den die sogenannten Grünen abliefern, irgendwie zu rechtfertigen. Was es nicht mal so, Frau Herrmann, dass die damals noch Grünen etwas sehr anderes wollten als die anderen Parteien? Sind diese Ziele etwa überflüssig geworden oder könnte es sei, dass die sogenannten Grünen sie nur aufgegeben haben, weil sie dazugehören wollen zur politischen Klasse?

  • V
    vic

    "Es macht sie zu einer glaubhaften Volkspartei, die aus der Mitte heraus mit allen Parteien koalitionsfähig ist."

     

    Nein. Es macht sie überflüssig!

    Die Grünen können sich ebenso wie die SPD in die CDU integrieren. Dann können sie gemeinsam die abstürzende FDP retten.

    Am Ende noch eine neuer Name, z.B. PDM (Partei Der Mitte).

    In einigen Ländern sofort, im Bund etwas später noch rasch die NPD mit rein, und fertig ist der Einheitsbrei für alle.

  • US
    Uwe Sak

    Die Grünen sind eine völlig beliebige, würdelose und überflüssige Partei. Dass konservative/marktradikale Wähler zu ihr überlaufen überrascht nicht.

    Wer nur noch wie die anderen Parteien im Mainstream fischt bekommt auch einiges an Stimmen aus dem Bereich

    Aber so funktionieren Parteien wie die Grünen: Die Ziele werden so hingebogen, dass man mehr Stimmen holt. So hört man auf, politisch etwas zu verändern.

  • S
    simon

    Die Grünen eine Volkspartei. Ähm. Ja ne. Is klar.

     

    Das zeigt doch nur, dass ab einem bestimmten Punkt Macht wichtiger ist als Inhalte, dass die Grünen sich nun endgültig der Beliebigkeit hingegeben haben, ihr Profil abgeschliffen ist und man sich nur noch sicher sein kann, dass man sich nicht auf sie verlassen kann. Als Wähler zumindest. Für einen Machterhalt klappts natürlich wunderbar.

    Ich habe lange gehofft, dass die Grünen wieder so werden, wie ich sie kennen gelernt habe, bevor ich 18 wurde und wählen durfte. Als ich 18 wurde, hatten die Grünen grade für den Einsatz im Kosovo etc. gestimmt.

    Das heißt, die Partei, die eine große Mitschuld an meiner Politisierung trägt, war für mich von Anfang an nicht wählbar...

    Und nun ist sie es endgültig, so wie es nun aussieht, werde ich nie zu ihr 'zurückkehren'.

     

    Ich glaube kaum, dass ich ein Einzelfall bin.

  • U
    unbrauchbar

    Zurecht fehlt im Kommentar jeder Hinweis auf politische Ziele der Grünen. Sie sind eine Partei ohne jeden Charakter. Trittin, Niegold und Ströbele spielen nur noch die nützlichen Idioten. Man kann sich aber an den bisherigen Abstimmungen im Bundestag orientieren: gegen Mindestlöhne, für den Halunken Hartz, für Rente mit 67, für Krieg in Afghanistan.

    Neoliberal bis auf die Knochen. Neuerdings koalieren sie sogar mit Ex-Schill-Leuten.

    Wähler können nicht ewig getäuscht werden.