ULRIKE HERRMANN ÜBER EINE NEUE STEUER-STUDIE : Forschung für die Reichen
Eine erstaunliche Prognose dreht die Runde und begeistert Konservative: Angeblich sei es sinnlos, die Steuern für die Reichen zu erhöhen – weil die Topverdiener alles tun würden, um Steuern zu vermeiden. Sämtliche Tricks würden sie nutzen, falls sich Grüne und SPD erdreisten sollten, den Spitzensteuersatz von derzeit 42 auf 49 Prozent anzuheben. Also würde der Staat nicht 7,5 Milliarden Euro zusätzlich kassieren, wie die Grünen hoffen. Stattdessen könnten es nur ganze 1,6 Milliarden Euro sein.
Diese seltsame Einschätzung stammt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und wirft sofort Fragen auf, weil teuer sein soll, was billig schien – und umgekehrt. Bisher dachte man ja, dass Steuersenkungen kostspielig wären: Vor allem die rot-grünen Reformen haben dazu geführt, dass der Staat jährlich 50 Milliarden Euro verliert. Profitiert haben von diesem Geschenk vor allem die Reichen. Also würde der Laie denken, dass der Staat mehr Geld kassiert, sobald der Spitzensteuersatz wieder steigt. Doch laut DIW erhält der Staat nie Geld: Wenn er die Steuern senkt, sowieso nicht. Und wenn er sie anhebt, auch nicht. Wie kann das sein?
Dies bleibt ein Rätsel, denn in der DIW-Studie fehlt jede empirische Begründung, warum Steuererhöhungen fast nichts bringen könnten. Es wird nur munter geschätzt.
Aber wie jeder Laie weiß, gibt es mehr Steuerberater als Finanzbeamte. Gerade die Spitzenverdiener rücken mit einer Phalanx von Wirtschaftsprüfern an, um ihre Steuerlast zu mindern. Sie nutzen schon jetzt jedes Schlupfloch, denn auch 42 Prozent wollen sie nicht bezahlen. Daher ist die DIW-Vorstellung abwegig, dass sie noch weitere Löcher finden könnten, falls ihr Steuersatz auf 49 Prozent stiege. Die Grünen sollten gelassen bleiben: Es würde Milliarden bringen, die Topverdiener höher zu besteuern.
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