Forscher warnen vor Eingriff in Atmosphäre: Mit Schwefel gegen Klimawandel
Nobelpreisträger Paul Crutzen will die Erderwärmung mit der Freisetzung von Millionen Tonnen Schwefel stoppen. Das hätte dramatische Folgen für die Ozonschicht.
Eine deutsch-amerikanische Forschergruppe warnt vor dem Versuch, durch großtechnische Veränderungen der Atmosphäre die globale Erderwärmung abzubremsen. Die Folgen des so genannten Geo-Engineering sind derzeit nicht absehbar.
Konkret sind die Atmosphärenforscher der Frage nachgegangen, was passieren würde, wenn mehrere Millionen Tonnen Sulfate in der Atmosphäre in einer Höhe von 10 bis 20 Kilometern freigesetzt werden. In ihrer im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichten Studie gehen die Forscher davon aus, dass die Sulfate an den Erdpolen die vor UV-Strahlen schützende Ozonschicht "gravierend schädigen" würden.
Die Idee mit dem Sulfat ist kein Hirngespinst. Sie geht auf den Meteorologen und Chemienobelpreisträger Paul Crutzen zurück. Er hatte vor zwei Jahren als "Notlösung" vorgeschlagen, den Temperaturanstieg der Erde mit Schwefel in Form von Sulfat in der Atmosphäre zu mildern.
Dass Sulfatteilchen in der Atmosphäre die Erderwärmung bremsen können, ist schon länger bekannt. So konnte nach dem Vulkanausbruch des Pinatubos auf den Philippinen 1991 gezeigt werden, dass die dabei in die Atmosphäre freigesetzten zehn Millionen Tonnen Sulfate zu einer spürbaren Abkühlung führten: Von den Wissenschaftlern wurde der Abkühlungseffekt für das Jahr nach dem Vulkanausbruch mit 0,5 Grad Celsius angegeben.
Die um den Globus verteilten Sulfate führten in den Folgejahren aber auch zu einer Schädigung der Ozonschicht. "Ohne die Daten des Pinatubo-Ausbruchs wären unsere Abschätzungen nicht möglich gewesen", sagt Rolf Müller vom Forschungszentrum Jülich. Das zur Helmholtz-Gemeinschaft gehörende Forschungsinstitut hatte an der unter der Leitung des National Center for Atmospheric Research (NCAR) in Boulder, Colorado, erstellten Studie mitgearbeitet.
Crutzen, der übrigens den Nobelpreis für die Entdeckung des Ozonloches erhielt, hatte vorgeschlagen, 5,3 Millionen Tonnen Schwefel in die Atmosphäre zu blasen. Das würde etwa der Hälfte des bei dem Pinatubo freigesetzten Sulfats entsprechen.
"Durch die Sulfatpartikel wird stratosphärisches Chlor chemisch so verändert, dass es eine rapide Ozonzerstörung verursacht", heißt es in einer Mitteilung des Jülicher Forschungszentrums. "So könnten zwischen einem Drittel und der Hälfte der Ozonschicht über der Arktis zerstört werden."
Über der Antarktis sei dagegen "ein zusätzlicher Ozonabbau kaum noch möglich", berichten die Forscher. Denn dort sei schon heute das gesamte Ozon in der Stratosphäre zerstört. Die Sulfatpartikel würden aber die derzeit einsetzende Regenerierung der Ozonschicht "um weitere 30 bis 70 Jahre verzögern".
Besonders riskant wäre es zudem, wenn nach einem künstlichen Sulfateintrag noch ein größerer Vulkanausbruch eintreten würde, schreiben die Forscher. "Dann wäre", so Müller, "mit einem noch stärkeren, sehr ernsthaften Ozonabbau zu rechnen."
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