Forscher testen neuen Ökolandbau: Mehr Ertrag mit weniger Pflug
Auch Biobauern könnten aufs Pflügen verzichten, sagen Agrarforscher. Das würde das Klima schonen und die Erosion mindern. Praktiker befürchten schlechtere Ernten.
BERLIN taz Was Agraringenieur Paul Mäder Biobauern vorschlägt, gleicht einer Revolution: Er will sie davon überzeugen, auf den seit Jahrhunderten verwendeten Pflug zu verzichten. Der Wissenschaftler des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (Fibl) in der Schweiz preist die Segnungen der pfluglosen Landwirtschaft. Besser fürs Klima und den Boden sei sie, sagt der Experte.
Bisher gilt der Pflug den meisten Ökobauern als unverzichtbar. Denn mit ihm lockern sie die Erde, damit die Saat gut Wurzeln schlagen kann. Auch pflügen sie das Unkraut unter, das sonst die Saat verdrängt. Zudem lassen sich mit dem Pflug feste Dünger wie Mist bequem in die Erde einarbeiten, der sonst nicht richtig wirkt. "Deshalb war der Pflug so erfolgreich", meint Mäder.
Aber das Gerät zerstört auch das Gefüge des Bodens, Regenwürmer und nützliche Pilze. An die fruchtbare Humusschicht gelangt beim Pflügen viel Sauerstoff, sodass sie abgebaut und das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wird. Auch geht mehr Boden durch Erosion verloren, da die Erde nach dem Pflügen weniger stabil ist und leicht von Wasser oder Wind fortgetragen werden kann.
Aus diesen Gründen verzichten konventionell arbeitende Bauern bereits oft auf diese Technik. Im Gegenzug müssen sie aber meist mehr Pestizide gegen das Unkraut und als Ersatz für den Mist synthetische Dünger einsetzen. Diese Stoffe belasten jedoch die Umwelt, weshalb sie Biobauern verboten sind.
Da setzt Mäders Feldversuch an, den er 2002 begonnen hat. "Wir wollen die Vorteile des Ökolandbaus mit denen der pfluglosen Bodenbearbeitung verbinden", sagt der Schweizer. Dafür hat er zwei Streifen eines Bioackers wie bisher üblich pflügen lassen und die anderen beiden nicht. Die Zwischenergebnisse sind vielversprechend: Die Forscher haben auf den pfluglosen Teilen nur 10 Prozent weniger Getreide geerntet. Grund für den Rückgang ist, dass die Pflanzen ohne Pflügen weniger Luft bekommen. Die Erträge des Futtermittels Kleegras fielen aber 26 Prozent höher aus. Das liegt an den größeren Wassermengen, die der Boden speichert, wenn er nicht gepflügt wird. Sonnenblumen wuchsen genauso gut wie auf den gepflügten Parzellen.
"Der Boden ist ohne Pflügen fruchtbarer", erklärt Mäder. Pfluglose Anbausysteme hätten nach drei Jahren etwa 8 Prozent mehr Humus gehabt, nach sechs Jahren seien es bereits bereits 20 Prozent mehr gewesen. Das ist auch gut fürs Klima, weil Humus CO2 bindet.
"Die höheren Erträge sind der Knüller unserer Arbeit", sagt der Forscher stolz. In anderen Versuchen fielen sie stets niedriger aus als in der Variante mit Pflug, manche wurden wegen zu viel Unkraut abgebrochen. "Wir dagegen können gut mit dem Unkraut leben." Erreicht hat Mäder das mit einem Ersatz für den Pflug: Mit einem Stoppelhobel schälen die Forscher den Boden 5 Zentimeter tief - der Pflug kommt in Deutschland oft 15 bis 25 Zentimeter weiter. "Damit schneiden wir die Unkräuter durch", sagt Mäder. Beim Eggen, dem Zerkleinern der Erdschollen mit einer Maschine, wird der feste Mist 5 Zentimeter weit eingearbeitet.
Bis sich diese Technik durchsetzt, muss der Wissenschaftler aber noch viel Skepsis bei Praktikern überwinden. "Nach meinem Dafürhalten ist der pfluglose Anbau Quatsch", sagt Berater Walter Zwingel vom Biobauern-Verband Naturland. Langfristig führe er zu mehr Unkraut. Mäder habe deshalb ja mit dem Stoppelhobel auch eine Art Pflug benutzt. Zwingel: "Der Ökolandbau ist von Haus aus um Klassen besser als der konventionelle, was Klima und Erosion angeht. Ich gewinne keinen nennenswerten Vorsprung, wenn ich den Pflug weglasse."
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