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Formelkompromisse

Über den Senatsbeschluß zum Potsdamer Platz  ■ K O M M E N T A R

Die AL bezeichnet als „Realpolitik“, was in Wahrheit Papiergeraschel ist. Dort, wo sie in puncto „Potsdamer Platz“ ihren größten Erfolg verbucht, hat sie erneut nur ihren Ruf als Pappkamerad bekräftigt: Die Optionsvereinbarung mit dem Daimler-Konzern wurde vorerst zwar nicht ausdrücklich erwähnt und beschlossen. Kommen und zwar bald - wird sie trotzdem. Die AL freute sich über Kompromißformulierungen, erreicht hat sie höchstens Formelkompromisse.

Die Alternativen warten auf die „öffentliche Debatte“. Doch als SPD-Senator Nagel und AL-Senatorin Schreyer vor vier Wochen den Streit über den Zeitplan für die Daimler -Ansiedlung austrugen und als es um die Frage ging, welchen Stellenwert diese öffentliche Debatte einzunehmen habe, hörte man von der AL-Fraktion nichts. Im übrigen enthebt auch die Forderung nach einer Debatte die AL nicht von der Pflicht, selber etwas dazu beizutragen. Öffentlich ist die Bauabsicht des Daimler-Konzerns seit zwei Monaten bekannt, eingeweihten Regierungspolitikern schon viel länger. Nach langen Wochen des Schweigens brachte es die AL jetzt gerade mal zu dem Hinweis, daß der geplante Daimler-Komplex schrecklich groß sei und daß der Konzern auch Waffen herstelle. Mit politischer Intervention hat das nichts zu tun - eher mit diffusem Unbehagen. Die Debatte soll der AL jetzt Argumente liefern, die dieses Unwohlsein medizinisch begründen.

Die AL sollte aufhören, sich und ihren WählerInnen etwas vorzumachen: Der Daimler-Konzern kommt, und er kommt an den Potsdamer Platz. Vielleicht liegt darin auch eine Chance. Die Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen ist eine der wenigen Möglichkeiten, ökologisch verträglich die Arbeitsplätze zu schaffen, die die Stadt dringend braucht. Der Daimler-Benz-Konzern ist schon durch seine Größe verpflichtet, sich mit seinem Bauvorhaben stadtplanerischen und architektonischen Kriterien zu fügen, die diesem Platz und dieser Stadt angemessen sind. Einem entkommt der Konzern an diesem Ort sicher nicht: der Konfrontation mit seiner Rolle im Nationalsozialismus.

Hans-Martin Tillack

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