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Forderung nach 12-Stunden-TagNicht bedingungslos flexibel

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Dem Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten kann man sich nicht gänzlich verschließen. Doch sinnvoll ist eine Neuregelung nur in engen Grenzen.

Auch mal länger arbeiten? In einem gastronomischen Betrieb in Baden-Württemberg Foto: Marijan Murat/dpa

E s ist ein alter Wunsch der Arbeitgeber in der Gastronomie: Beschäftigte sollten auch mal zwölf Stunden am Stück arbeiten können und nicht nur zehn Stunden, was derzeit gesetzlich die tägliche Höchstarbeitszeit ist. Die bayerische Sozialministerin ­Ulrike Scharf (CSU) will mit den Bundesländern über eine entsprechende Initiative reden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnte umgehend davor, dass die CSU die Belegschaften „wie eine Zitrone ausquetschen“ wolle.

Das stimmt so nicht, denn es geht um freiwillige lange Schichten mit entsprechender Bezahlung oder umfangreichem Freizeitausgleich. In der Gastronomie etwa soll es dadurch möglich sein, mal bis spät in die Nacht hinein an einem Stück zu arbeiten oder an den Hauptjob an manchen Abenden noch einen Nebenjob in der Kneipe dranzuhängen. Die tägliche gesetzliche Höchstarbeitszeit abzuschaffen würde allerdings Risiken bergen. Es gibt zwar jüngere Beschäftigte, die etwa eine Zwölfstundenschicht durchhalten und sich freuen würden, danach länger Freizeit zu haben. Aber älteres Personal hat eher Probleme, so lange zu ackern, und würde ausgegrenzt.

Trotzdem kann man sich dem Wunsch nach Flexibilisierungen nicht mehr grundsätzlich verschließen. Und die Zeit ist günstig, weil die Arbeitgeber Personal suchen und bereit sind, auf Wünsche der Beschäftigen einzugehen, und wahrscheinlich wenig Chancen hätten, irgendwelche Mammutschichten zu erzwingen.

Die Ampelregierung will laut Koalitionsvertrag im Rahmen von Tarifverträgen mehr Flexibilität in Sachen Arbeitszeit erlauben: mit „Evalua­tions­klauseln“. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Unternehmen mit Betriebsrat und Tarifvertrag nur unter bestimmten Bedingungen und im Rahmen bestimmter Kontingente von der täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden abweichen dürfen und dies dann gegebenenfalls anteilig höher vergütet würde. Mehr Flexibilität kann man wagen – ein schlichter Cut der täglichen gesetzlichen Höchstarbeitsgrenze aber wäre falsch.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).