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Football-Team Hamburg Sea DevilsDie Seeteufel bleiben heimatlos

Die Hamburg Sea Devils wollten in der European Football League hoch hinaus. Doch nicht nur sportlich läuft es nicht rund.

Da lief's mal gut: Gegen Thunder Berlin (in weißen Trikots) gewannen die „Seeteufel“ im Juni Foto: Foot Bowl/Christopher Mettken/Imago

Hamburg taz | Für die „Hamburg Sea Devils“ läuft es sportlich mehr schlecht als recht. Am Sonntag vergangener Woche verlor das Hamburger Football-Team gegen die dänischen „Nordic Storms“ das vierte Saisonspiel in Folge. In der „North Division“ der European League of Football (ELF) belegt die Mannschaft den letzten Platz – nur zwei von acht Saison-Spielen konnte das Team für sich entscheiden. 2021 und 2022 zog der Verein noch in die Playoffs ein.

Dennoch herrscht am Spieltag im Hoheluft-Stadion eine ausgelassene Stimmung. Bereits Stunden vor dem Spiel feiern die ersten Fans mit Bratwurst, Bier und Musik das vorletzte Heimspiel ihrer „Seeteufel“. Getrommelt und gepfiffen werden darf dieses Mal jedoch nicht. Einige An­woh­ne­r:in­nen hatten sich in der Vergangenheit über den Stadionlärm beschwert, wie der Verein im Vorfeld ankündigte. Obwohl das ELF-Spiel europaweit ausgestrahlt wird, wirkt die gut gefüllte, aber überschaubare Sportveranstaltung an diesem Tag wie das Spiel eines Regionalligisten.

„Wir sehen, dass der Sport hier immer mehr ankommt“, sagt Mark Weitz, Geschäftsführer der „Sea Devils“. Der NFL-Trend und die Strukturen expandieren derzeit stark nach Europa – dies mache sich vor allem in steigenden Zuschauerzahlen bei den großen Football-Events bemerkbar.

Kein geeignetes Stadion in Hamburg

Damit die Sportart langfristig erfolgreich sein kann, brauche es jedoch eine geeignete Infrastruktur, so Weitz. Deutschland liege hier deutlich hinter den Standards der USA. Für die meisten Vereine sei es deshalb schwierig, an Trainings- und Spielplätze zu kommen: „Hier regiert noch immer der Fußball“, sagt Weitz. Derzeit könne man vor allem wegen der Sommerpause Fußballplätze nutzen.

Aus der Platznot organisierte der Franchise-Verein 2024 eine „Nordtournee“, die in Hamburg, Bremen, Lübeck und Hannover ausgetragen wurde. Deren große Spielstätten würden nicht nur die Liga-Anforderungen erfüllen, zusätzlich wollte man den „Event-Charakter“ erhalten, was auf kleinen Plätzen nicht möglich wäre. „Das war allerdings nichts, was wir uns ausgesucht haben“, resümiert Weitz. Wie in dieser Saison wolle man die Heimspiele auch in Zukunft wieder in Hamburg austragen – mit den „Heimspielen“ im Umland habe man viele Fans verloren. Es fehle jedoch ein Stadion, das Verein und Fans als „Heimatort“ diene. Das Hoheluft-Stadion sei für die ELF eigentlich nicht geeignet, sagt Weitz, allerdings gebe es keine Ausweichmöglichkeiten.

Die Diskussion um ein neues Stadion in der Hansestadt dauert bereits seit Jahren an. Das Hoheluft-Stadion bietet 5.000 Zu­schaue­r:in­nen Platz, danach kommt lange nichts. Die nächstgrößeren Spielstätten sind das Millerntor- und Volksparkstadion mit 30.000 und 57.000 Plätzen.

Keine Halle für 15.000 Zuschauer

Ein Austragungsort mit 10.000 bis 15.000 Zuschauerplätzen wäre für viele Vereine allerdings ideal, meint Weitz. Mittelgroße Stadien seien nicht nur wirtschaftlich rentabler. Kleinere Vereine hätten zudem eine Perspektive, in größere Sportstätten aufzusteigen. Durch verschiedene Ruhephasen vieler Sportarten sei eine solche Anlage auch ganzjährig nutzbar.

Unterstützt wird das Vorhaben vom Hamburger Sportbund und Hamburger Fußballverband. Ein mittelgroßes Stadion sei nötig, um den Breitensport insgesamt fördern zu können, sagt Verbandspräsident Christian Okun – vor allem die HSV-Frauen würden eine Spielstätte benötigen. In kleinen Stadien seien Junioren- und Frauen-Länderspiele nicht umsetzbar, da es einer gewissen Infrastruktur bedarf. Beide Verbände befinden sich im Austausch mit Fußball-, Football- und Rugby-Vereinen.

Wo genau ein solches Stadion gebaut werden soll, wisse man allerdings nicht: „Wir nehmen erst einmal alles, was wir kriegen können“, sagt Weitz. Ein ehemaliger Geschäftsführer des Vereins brachte vor zwei Jahren das Gelände der heutigen Trabrennbahn in Bahrenfeld ins Spiel.

Organisatorische Schwierigkeiten

Widerspruch kommt aus der Hamburger Innen- und Sportbehörde. Der Senat verfolge einen bedarfsorientierten Ausbau der Sportinfrastruktur, sagt Pressesprecher Daniel Schaefer. Spielstätten für den kommerziellen Profisport seien nicht Bestandteil der sportpolitischen Ausrichtung der Stadt – zumal der kommerzielle Profisport Ausstattungsanforderungen erfüllen müsse, die teilweise deutlich über die für den Breitensport notwendigen Standards hinausgingen. Die Behörde sei mit Vereinen und den Verbänden im Austausch und verweist auf das entstehende Regionalligastadion am Diebsteich.

Das letzte Heimspiel der Seeteufel in dieser ELF-Saison findet am 20. Juli im Volksparkstadion statt. Vor zwei Jahren stellte das Team dort mit 32.500 Zu­schaue­r:in­nen einen Ligarekord auf. Der Vorverkauf verläuft allerdings eher schleppend – lediglich die beliebten Plätze auf Höhe der 50-Yards-Linie werden knapper. Die Oberränge stehen gar nicht erst zum Verkauf. Den Zuschauerrekord von vor zwei Jahren wird man vermutlich nicht brechen.

Neben der unklaren Stadionsituation und schwachen sportlichen Leistungen hatte der ELF-Verein in den vergangenen Monaten mit organisatorischen Veränderungen zu kämpfen: Vier Tage vor Saisonstart hatten Headcoach und Defensive Coordinator ihren Rücktritt bekannt gegeben. Zudem gab es ein „Hin und Her“ in der Defense, so Weitz. Solche Rückschläge würden sich ins Team übersetzen – und mangelnde Leistung in die Ticketzahlen.

Es kriselt in der Liga

Generell kriselt es in der jungen Football-Liga. Erst letzte Woche kündigten acht Vereine an, die „European Football Alliance“ zu gründen. Die neue Gewerkschaft kritisiert unter anderem die mangelnde Transparenz und finanzielle Misswirtschaft der ELF-Führung. Die „Berlin Thunder“ kämpfen derzeit in einem Insolvenzverfahren um ihr Überleben.

„Sea Devil“-Chef Weitz sieht dennoch optimistisch in die Zukunft. Die Liga befände sich im Aufbau, sein Verein in der Umstrukturierung. Erst vor Kurzem habe man neue Talente verpflichten können. Zudem rekrutiere man immer wieder Sportler aus der Jugend: „Noch ist nichts verloren“, sagt Weitz, „und der Weg, den wir gehen, ist der richtige.“

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