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Foltergefängnisse in SyrienAssads „Folter-Archipel“

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch identifiziert Folterstätten in Syrien. In ihrer Dokumentation berichten ehemalige Häftlinge über die Misshandlungen.

Darstellung eines Folteropfers aus dem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Bild: Human Rights Watch

BERLIN/NEW YORK/KAIRO taz/reuters/dapd | „Die Wächter haben mich acht Tage lang an den Handgelenken an der Decke aufgehängt. Nach einigen Tagen mit Schlafentzug hatte ich das Gefühl, dass mein Gehirn aufhört zu funktionieren. Ich bildete mir Sachen ein. Am dritten Tag schwollen meine Füße an. Ich hatte Schmerzen wie noch nie in meinem Leben. Es war eine Quälerei. Ich schrie, dass ich ins Krankenhaus muss, aber die Wächter lachten mich aus.“

Diese Aussage eines Mannes namens Elias ist eine von vielen, die die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in ihrem am Dienstag veröffentlichten Syrien-Bericht mit dem Titel „Folter-Archipel“ vorgelegt hat.

HRW befragte dafür über 200 ehemalige Gefangene sowie Armee- und Geheimdienstangehörige, die zur Opposition übergelaufen sind.

Der Bericht listet 27 über das ganze Land verteilte Folter-Zentren auf, die den vier wichtigsten Geheimdiensten unterstehen. Außerdem würden Gefangene in Stadien, Militärstützpunkten, Schulen und Krankenhäusern festgehalten.

Die Gefängnisse seien überbelegt, die Insassen bekämen schlechte Nahrung, und eine medizinische Versorgung werde verweigert, heißt es weiter.

„Die Reichweite und Unmenschlichkeit dieses Netzwerks von Folter-Zentren ist wirklich entsetzlich“, sagte der HRW-Forscher Ole Solvang. In syrischen Gefängnissen ist Folter seit vier Jahrzehnten an der Tagesordnung.

Treffen in Kairo

In der ägyptischen Hauptstadt Kairo rief der Generalsekretär der Arabischen Liga die zersplitterte syrische Opposition zur Einigkeit auf. „Die Opfer des syrischen Volks sind größer als wir und wertvoller“ als jegliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Gruppierungen, sagte Nabil Elarabi vor fast 250 syrischen Oppositionellen.

Uneinigkeit herrscht zwischen den verschiedenen Gruppen vor allem in der Frage, ob ein Dialog mit der Regierung von Präsident Baschar al-Assad eingeläutet werden soll. Zahlreiche Oppositionsgruppen lehnen dies ab.

Es war das erste Mal, dass die Arabische Liga zu einem Treffen der syrischen Opposition eingeladen hatte. Allerdings war die Freie Syrische Armee (FSA) – der wichtigste Zusammenschluss von Rebellengruppen – nicht vertreten.

Rebellen nicht eingeladen

Das Treffen sei rein politisch und die Rebellen seien daher nicht eingeladen worden, erklärte Fias Amru, der einer mit der FSA verbundenen Rebellengruppe angehört.

Der syrische Präsident Baschar al-Assad äußerte erstmals Bedauern über den Abschuss eines türkischen Kampfflugzeugs. „Ich wünschte, wir hätten es nicht abgeschossen“, sagte er in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der türkischen Zeitung Cumhüriyet. Assad entschuldigte sich aber nicht.

Er hätte sich dann entschuldigt, wenn sich das Flugzeug nicht im syrischen Luftraum befunden hätte, erklärte er. Die syrischen Streitkräfte hätten das Flugzeug nicht identifizieren können, sagte Assad in dem Interview weiter.

Assad zufrieden übe Genf

Die Türkei hat erklärt, die syrischen Streitkräfte hätten das Kampfflugzeug in internationalem Luftraum abgeschossen, nachdem es am 22. Juni kurzzeitig in syrischen Luftraum eingedrungen sei.

Assad zeigte sich zufrieden über die Beschlüsse der internationalen Syrien-Konferenz in Genf. Alle Entscheidungen würden dem syrischen Volk überlassen, sagte er. Auf der Konferenz war eine Übergangsregierung für Syrien beschlossen, eine Beteiligung Assads daran aber nicht ausgeschlossen worden.

Rund 300 Syrer flohen unterdessen in die Türkei, darunter 85 Soldaten. Es sei eine der größten Gruppen syrischer Deserteure gewesen, die seit dem Beginn der syrischen Proteste in der Türkei Zuflucht gesucht hätten, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag. Unter den Überläufern befanden sich demnach ein General und mehrere Offiziere. BS

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8 Kommentare

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  • H
    hbpbuz

    Die genannte Menschenrechtsorganisation gab eine ähnliche Untersuchung vor dem Irakkrieg heraus, um die Weltbevölkerung dazu zu bringen, die Kriegspropaganda der faschistischen USA und deren Verbündeten zu unterstützen. Der genannte Bericht wurde von dieser angeblichen "Märchen"rechtsorganisation vom Netz entfernt, denn das Ziel hat man ja erreicht. Um den Menschen Rechte zu bringen, bringt man sie gleich um, so kommen sie an ihre Rechten schneller ran.

     

    Diese Organisation sollte mal einen Bericht über die Lage der Menschenrechte in Saudi Arabien, Bahrain (wo die Demonstranten von Saudischen Mörder-Soldaten niedergeschossen wurden), Guantanamo, Katar, Türkei, USA, Frankreich usw. herausgeben.

     

    An der Richtigkeit des Berichtes sind erhebliche Zweifel vorhanden.

    Erstens:

     

    Die gesamte westliche Medien behauptet, dass der Internationale Presse keine Einreise in Syrien erhält. Kein Journalist kann nach Syrien einreisen. Wie könnten denn die Umfragen durchgeführt werden. Wurden die Umfragen und deren Ergebnissen in den USA zusammengebastelt, um die Kriegspropaganda nachhaltig zu unterstützen, wie beim Irakkrieg?

     

    Zweitens:

     

    Wäre die genannte "Märchen"rechtsorganisation nicht vorbelastet, so könnte man dem Bericht Glauben schenken. Die Organisation hat lediglich die Aufgabe, die wirtschaftliche und geopolitische Interessen ihrer Hintermännern zu wahren und dies auch dann, wenn es Menschenleben kosten würde. Schließlich geht es ums Geld. Da hört alles auf.

     

    Diese Organisation hat die Aufgabe, Menschenrechtsverbrechen zu rechtfertigen bzw. erst zu ermöglichen.

     

    Es ist doch keine Zufall, dass der Propagandabericht gerade jetzt herausgegeben wird.

     

    Es leben die "Märchen"rechte und deren Hüter...

  • S
    suri

    Die Folter wird in vielen Ländern als eine Methode jemanden zum Geständnis zum bringen benutzt. Guantanamo, Abu-Guraib, Baghram in Afghanistan, auch Kriegsschiffe der USA.

    Auch Deutschland hat ab und mal seine Gefangene in Syrien und Ägyten foltern lassen. Aber nun ist der Assad an allem Schuld.

  • D
    Demokratieverbreiterin

    Ich bin froh, dass wir jetzt wieder etwas Neues über Syrien erfahren: z. B. dass dort gefoltert wird, anders als in den mit uns verbündeten arabischen oder zentralasiatischen Ländern. Jetzt noch schnell ein UN-Mandat "Flugverbotszone" eingeholt, dann können wir das Land in Grund und Boden bombardieren, damit es dort endlich wieder besser wird.

     

    Oder wir machen weiter damit, dort einen Bürgerkrieg anzuzetteln und die Handvoll Demokraten, die den syrischen Frühling ursprünglich begonnen haben, durch unsere eigenen Söldner, islamistische Revolutionstouristen und "Militärberater" zu ersetzen, denn die Erfahrung aus der jüngeren Geschichte zeigt ja: das beste Mittel gegen Menschenrechtsverletzungen ist so ein richtig guter Bürgerkrieg, angeheizt mit hunderten Millionen Dollar "unserer" golfarabischen Scheichs und endlosen Waffenlieferungen aus unseren eigenen Beständen über die türkische Grenze.

     

    Aaah, das hat gut getan: jetzt sind wir Syrer endlich befreit. Jetzt haben wir den Assad los und werden, wenn überhaupt, dann nur noch von dem Puppenregime gefoltert, das uns die Amerikaner oder Israelis erlauben. Jetzt zählen wir zu den glücklichen, befreiten Staaten dieser Erde, so wie Libyen, der Irak und Afghanistan!

     

    Und hier auf Guantanamo oder Abu Ghuraib hinzuweisen, ist zutiefst zynisch und menschenverachtend - schämen Sie sich, Mitkommentator e.a.!

  • E
    end.the.occupation

    >> In syrischen Gefängnissen ist Folter seit vier Jahrzehnten an der Tagesordnung.

     

    Nicht nur in denen, sondern in allen Diktaturen und Halbdiktaturen die an das Mittelmeer angrenzen. Solange die sich jedoch in die gottgewollte NATO-Weltordnung eingepasst haben hat 'uns' das eigentlich nicht gestört.

    Irgendein Protest, gegen israelische oder amerikanische Drohnen-gestütze fliegende Hinrichtungskommandos? Never.

     

    Menschenrechte - wie immer nur dann ein Thema, wenn ein uns nicht so gefälliges Regime ausgetauscht werden musss.

     

    Irgendwas von der letzten Hinrichtung eines 'Hexers' in Saudi-Arabien gehört? Nein. Aber denen verkaufen wir ja bekanntlich 800 Panzer, und die spielen bekanntlich eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des kommenden syrischen Regimes, in dessen Kellern weiter gefoltert werden wird, Dann aber in Übereinstimmung mit NATO-Interessen - eben 'our bitches'.

  • E
    Earthling

    Ja, ja die bösen Foltergefängnisse in Syrien...

    Was ist denn aus dem guten alten Guantanamo geworden?

    Grabesstille bei dem Thema, passt so gar nicht in das Hollywood-Drehbuch...

    Die Ur-Schmiede der moderne Folterei ist in dem Kriegsgeschrei ganz untergegangen, warum wohl?... ;)

     

    ASSAD MUSS VOR GERICHT

    Zu den Gewalttaten des syrischen Regimes erklärt Claudia Roth

    http://www.gruene.de/presse/assad-muss-vor-gericht.html

     

    Kriegslüstern wie die Gehilfen der Kriegslobby nun mal sind...

    The Show must go on...

    Let's dance...

  • B
    Blicker

    Egal, was nach Assad kommen mag, eins wird bleiben: die Folter.

  • E
    e.a.

    sollen wir also wegen Folter in Syrien einmarschieren? Warum nicht nach Guantanamo?

  • A
    Ant-iPod

    Wäre ja schön, wenn Assad nicht nur eloquent daherreden würde...

    Er zeigt sich zufrieden über die Beschlüsse von Genf, unternimmt aber nichts, gibt keine politische Agenda heraus, verbreitet keine Angebote für Zugeständnisse an die Opposition.

    Er entwickelt keinen Fahrplan, wie das Land sich in Richtung Demokratie entwickeln soll und wie Korruption und Geheimdiensten Einhalt geboten werden kann.

    Warum auch, das sind ja die Grundpfeiler seiner Macht.

    Er redet, seine Leute foltern und morden weiter...

     

    Im Osten nichts neues.