Flussbad-Pokal fällt aus: In die Suppe gespuckt
Zum zweiten Mal in diesem Jahr muss das Flussbad Berlin das jährliche Spree-Schwimmen absagen – wegen Blaualgen. Kritiker bezweifelt Filterkonzept.
Winzige Spaßverderber verhindern das sportliche Bad in der Spree am Sonntag: Wegen der Algenblüte, die sich derzeit in Gestalt giftgrüner Schlieren bemerkbar macht, muss auch der Ersatztermin für den 5. Berliner Flussbad-Pokal abgeblasen werden. Das teilte der Verein Flussbad Berlin am Mittwoch mit. Wie Vorstand Jan Edler gegenüber der taz bestätigte, handelt es sich um eine Vorsichtsmaßnahme: Beim Kontakt mit den Auslösern der „Blüte“, den als Blaualgen bekannten Cyanobakterien, seien gesundheitliche Folgeschäden wie Hautreizungen nicht ausgeschlossen.
Für fast 700 angemeldete TeilnehmerInnen ist das schon die zweite Enttäuschung in diesem Jahr. Der ursprüngliche Termin am 16. Juni fiel flach, weil kurz zuvor Starkregen niedergegangen war und sich Zigtausende Kubikmeter Mischwasser in die Spree ergossen hatten. Dabei handelt es sich um ein Gemisch aus Regenwasser und Haushaltsabwässern, also auch Fäkalien.
Normalerweise fließt diese Brühe komplett ins Klärwerk. Zu große Mischwassermengen laufen jedoch in Spree und Landwehrkanal über, weil sie sonst die biologischen Klärstufen in den Werken zerstören würden. Zwar entstehen mit Förderung des Senats immer mehr Mischwasserzwischenspeicher, mit besonders starken Niederschlägen können aber auch sie es nicht aufnehmen.
Der seit 2015 jährlich stattfindende Flussbad-Pokal war schon einmal 2017 wegen solcher Verunreinigungen ausgefallen. Die Veranstaltung ist die wichtigste Werbemaßnahme des Vereins Flussbad Berlin. Dieser verfolgt seit zwei Jahrzehnten das Projekt, den unteren Teil des Spreekanals – den schmaleren Flussarm zwischen Fischer- und Museumsinsel – wieder zum Badegewässer zu machen. Die letzten städtischen Badeanstalten in der Spree waren in den 1920er Jahren wegen der Wasserverschmutzung geschlossen worden.
Weil es heute keine bedenklichen Einleitungen durch Industriebetriebe mehr gibt, ließe sich prinzipiell wieder im Fluss baden – wären da nicht die Mischwasserabläufe. Die will der Verein durch einen rund 300 Meter lange Pflanzenfilter zwischen Gertraudenbrücke und Auswärtigem Amt in den Griff bekommen. Auf einem Lastkahn im Spreekanal wird seit zwei Jahren ein entsprechender Versuchsfilter betrieben. Nach einem Zwischenbericht über das Funktionieren der Anlage im Dezember 2018 wurde diese in den vergangenen Monaten noch einmal modifiziert.
Konzept in der Kritik
Kritik an dem Projekt kommt von dem Ingenieur und Wasserbauexperten Ralf Steeg. „Flussbad Berlin kann auch 21 Jahre nach Projektstart kein funktionierendes technisches Konzept für die Filterung des Spreewassers vorlegen“, schreibt er in einem Papier, das der taz vorliegt. Der Probefilter habe versagt, so Steeg. Er hat sich den vorläufigen Bericht angesehen, den der Verein wegen der finanziellen Förderung durch Berlin und den Bund vorlegen musste. „Bei dem einzigen Starkregenereignis im Jahr 2018, bei dem das Spreewasser im Anschluss den Filter durchlaufen hat, waren die Werte nach der Filterung um mehr als das 30-fache zu hoch“, sagt Steeg.
Steeg moniert etliche weitere Punkte: Der Bericht enthalte sachliche Ungenauigkeiten, die Kosten für das Gesamtprojekt seien immer noch nicht beziffert, auch gebe es weiterhin keinen Starttermin. In erster Linie zielt seine Kritik jedoch auf die öffentlichen Fördergelder von rund 4,5 Millionen Euro, die bereits in das Projekt geflossen sind. Die wären viel besser in Maßnahmen investiert gewesen, die die Einleitung von Mischwasser ein für alle Mal verhindern: „Es ist technisch und ökonomisch unsinnig, Schadstoffe zuerst in ein Gewässer einzuleiten, um sie dann kurz danach mit hohem technischem und finanziellem Aufwand wieder herauszufiltern.“
Mit 4,5 Millionen Euro hätte man technische Anlagen bauen können, um Einleitungen in den Osthafen zu verhindern, meint Steeg: „Der wäre dann im Prinzip einleitungsfrei.“ Im Osthafen befinden sich die ersten Mischwasserüberläufe im Verlauf der innerstädtischen Spree. Steeg selbst hatte dort vor Jahren den Prototyp seines eigenen Flussreinhaltesystems gebaut, einen schwimmenden, begehbaren Mischwassertank als Zwischenspeicher nach Starkregen.
Bei den Berliner Wasserbetrieben und der damaligen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung fand diese Idee offenbar aus Kostengründen wenig Gegenliebe, auch ästhetische Argumente wurden ins Feld geführt. Am Ende erreichte der Ingenieur gerade mal, dass die Wasserbetriebe ihm den Prototyp abkauften.
Wegen der erneuten Absage des Pokals hatte Flussbad-Vorstand Jan Edler noch keine Zeit, Steegs Papier in Ruhe zu lesen, wie er der taz sagte: „Die Algenblüte war eine unglückliche Fügung, hier steht gerade alles kopf.“ Grundsätzlich will er die Kritik jedoch nicht gelten lassen, denn der Testbetrieb sei ja gar nicht abgeschlossen. Dass der Probefilter jetzt modifiziert worden sei, um beobachtete Schwächen zu beheben, sei von vornherein so geplant gewesen, ein Team von Ingenieuren begleite die Versuche.
Alternativ im Garten
Die erneute Absage der Schwimmveranstaltung wegen schlechter Wasserqualität sei für den Verein aber nur „ein Grund mehr, das Thema öffentlich zu diskutieren“. Dazu wird nun alternativ zum Pokal am Sonntag eingeladen: Im Flussbad-Garten gegenüber dem Auswärtigen Amt beginnt um 11.30 Uhr ein Podiumsgespräch unter dem Motto „Schwimmen in sauberem Spreewasser – kann das im Zentrum gelingen?“. Teilnehmen werden neben Vertretern von Vorstand und Aufsichtsrat des Vereins auch Wolfgang Seiss vom Kompetenzzentrum Wasser Berlin und der Sprecher der Berliner Wasserbetriebe, Stephan Natz.
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