: Flugverkehr bald mit Konzept
Verkehrsminister will bundesweite Vernetzung von Flughäfen. Unternehmer fordern bessere Rahmenbedingungen. Umweltschützer kritisieren Ausbau der Flughäfen. Zürich ist Vorbild für Reduktion bei Schadstoffen
von KATHARINA KOUFEN
„Global handeln, lokal denken.“ Unter dieses Motto könnte man die deutsche Luftfahrt stellen. Flieger vernetzen Frankfurt mit Bangkok oder Buenos Aires. Aber ein Konzept zur bundesweiten Koordinierung des Luftverkehrs? Fehlanzeige. Bis jetzt.
Doch das soll sich ändern: Das Verkehrsministerium arbeitet an einem „Flughafenkonzept“. Dessen Entwurf ist im Juni fertig gestellt worden und liegt der taz vor. Damit nimmt sich die Bundesregierung eines Themas an, das unter die Hoheit der Länder fällt. Der Bund ist nur für die Verkehrsanbindung an die Flughäfen zuständig, also für Autobahnen, Bundesstraßen und Schienenstrecken. Nun soll der Luftverkehr laut Konzept in die bundesweite Verkehrswegeplanung bis 2015 einbezogen werden.
Der 62 Seiten starke Konzeptentwurf sei aber „Wischiwaschi“, kritisiert Tillmann Heuser vom Umweltverband BUND. Denn das Ministerium wolle es „allen recht machen“. So heißt es im ersten Kapitel des Entwurfs: „Um seinen Platz in der Weltwirtschaft zu erhalten, muss es Ziel sein, die Beteiligung Deutschlands an den Impulsen des steigenden Luftverkehrs sicherzustellen.“ In ganz Deutschland waren 1998 etwa 400.000 Beschäftigte direkt oder indirekt vom Flugverkehr abhängig – über sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Weil der Luftverkehr weiter wachsen wird, hält die Bundesregierung den „Ausbau des Flughafennetzes“ für notwendig.
Im nächsten Kapitel hingegen wird die Zunahme des Luftverkehrs als Problem erkannt: Zwar habe technischer Fortschritt dazu geführt, dass „Einsparungen beim Kerosinverbrauch der Flugzeuge“ erreicht wurden. Aber: „Diese Erfolge sind durch das Wachstum des Luftverkehrs überdeckt worden.“ 1999 ist die Zahl der Fluggäste in Deutschland um 7,6 Prozent auf 133 Millionen gestiegen. Der Frachtverkehr nahm sogar um mehr als acht Prozent zu.
Um diese Entwicklung abzuschwächen, hofft das Verkehrsministerium vor allem auf die Bahn. Die müsse die gleichen Qualitätsstandards ermöglichen wie das Flugzeug, heißt es in dem Konzept. Unberücksichtigt bleibt hingegen der Kostenfaktor: Schon heute ist ein Flug von Frankfurt nach Berlin für 199 Mark zu haben. Die Fahrt mit der Bahn kostet im Regelfall mehr.
Den häufiger werdenden Klagen wegen Fluglärm will die Regierung mit einem strengeren Fluglärm-Gesetz begegnen. Der Schutz der Nachtruhe sei „nicht ausreichend“, heißt es in dem Entwurf wenig konkret. Verstöße gegen Nachtflugverbote sollen künftig mit höheren Bußgeldern bestraft werden. Konkreter wird das Konzept bei der Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid: Die Regierung ist dafür, dass die internationale Luftfahrt nicht länger von der Mineralölsteuer befreit sein darf. Allerdings hält sie eine Kerosinsteuer nur dann für sinnvoll, wenn sie „auf allen Strecken von, nach und innerhalb der EU“ erhoben wird. Darüber hinaus schlägt das Ministerium einen Emissionshandel vor. Hierbei wird jeder Luftfahrtgesellschaft ein bestimmter handelbarer Ausstoß von Schadstoffen zugestanden.
Gute Chancen auf eine Realisierung dürften lärm- und emissionsabhängige Landeentgelte haben, wie sie in Frankfurt ab 2001 eingeführt werden sollen. „Da sollten wir uns Zürich als Beispiel nehmen“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Ali Schmidt, der taz. Weil dort Stinker heute bereits mehr zahlen als schadstofffreundlichere Flieger, würde die Flotte dort Jahr für Jahr deutlich schadstoffärmer – und obendrein leiser. Burkhard Reinhartz vom Verkehrsclub Deutschland zieht hier den Vergleich zu den Euronormen für Autos: „Durch die Steuerbegünstigungen für schadstoffarme Autos hat es genügend Nachfrage gegeben, und die Hersteller haben reagiert.“
Trotz der wachstumsfreundlichen Quintessenz des Entwurfs wurde von Seiten der Industrie bereits Kritik laut: Der Entwurf sei ein Rückschlag, kritisierte Willi Hermsen, Hauptgeschäftsführer des Flughafens München, wegen der Umweltlastigkeit des Konzepts. Auch Lufthansa-Chef Jürgen Weber forderte bessere Rahmenbedingungen. Schmidt hingegen bezeichnete die Tendenz des Entwurfs als erfreulich. „Ich hoffe, dass der Verkehrsminister nun dem Druck der Unternehmen standhält.“
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