Flugroutenstreit geht in neue Runde: Nach kurzer Ruhe neuer Sturm
Offiziell steht nun ein Kompromissvorschlag für die Routen ab BBI fest. Doch die Bürgerinitiativen schlagen weiter Alarm. Mehrere neue Klagen in Leipzig angekündigt.
Die Ruhe währte nur kurz. Der Flugrouten-Vorschlag, auf den sich die Fluglärmkommission jüngst geeinigt hatte, galt ein paar Stunden als Kompromiss - dann schlugen Bürgerinitiativen wieder Krach. "Es zeigt sich, dass der Optimismus verfrüht war", sagte die Sprecherin des Bündnisses "Keine Flugrouten über Berlin", Marela Bone-Winkel der taz. Inzwischen haben mehrere Bürger neue Klagen gegen den künftigen Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) und seine Auswirkungen angekündigt.
Die Fluglärmkommission hatte sich am Montag auf einen Vorschlag für die Abflugrouten ab BBI geeinigt. Demnach würden in Richtung Osten startende Flugzeuge von der Nordbahn geradeaus fliegen, von der Südbahn in der Regel kurz nach dem Start scharf nach Süden abknicken. In Richtung Westen ginge es zunächst geradeaus (Nordbahn) beziehungsweise um mindestens 15 Grad nach Süden abknickend (Südbahn).
Der Kompromiss steht allerdings nur für den Nahbereich. Wie sich die Flugrouten etwa über der Potsdamer Gegend auffächern, wird in der kommenden Sitzung am 11. April diskutiert. Das mehr als drei Dutzend Mitglieder umfassende Gremium hat beratende Funktion - entwickelt werden die Routen von der Deutschen Flugsicherung (DFS), genehmigt vom entsprechenden Bundesaufsichtsamt.
Wo werden die Flugzeuge langdüsen? Und wie laut wird es? Die Fluglärm-Karte auf taz.de zeigt, welche Belastungen auf die Anwohner rund um den künftige Großflughafen in Schönefeld zukommen. Jetzt sind auch die Routen eingetragen, auf die sich die Fluglärmkomission am 28.3.2011 vorerst geeinigt hatte.
Verlierer beim aktuellen Vorschlag wäre vor allem die Gemeinde Blankenfelde. Die DFS wollte den Ort am westlichen Flughafenrand ursprünglich entlasten - mit ebenjenen Routen, die im September massiven Protest ausgelöst hatten. Nun würde Blankenfelde wieder direkt überflogen, dazu kommt der Anflug-Lärm. Bürgermeister Ortwin Baier (SPD) kündigte an, besseren Lärmschutz einklagen zu wollen. Bisher sei der Flughafen viel zu kleinlich gewesen. Bone-Winkel erklärte, eine Umsiedlung von Blankenfelde unterstützen zu wollen. "Man muss das vehement einfordern, es sind Peanuts im Vergleich zu den Kosten für den Flughafenbau."
Ein Gerichtsentscheidung zum Schutz für Blankenfelde könnte Signalwirkung für andere Gemeinden im direkten Flughafenumfeld haben. Um möglichst viele Orte zu schonen, fordern die meisten Bündnisse Kompromissbereitschaft von Fluggesellschaften: Diese sollen Umwege fliegen. Drei Bürger aus Berlin und Brandenburg wollen derweil mit einer Klage das ganze Genehmigungs-Verfahren kippen. Ihr Argument: Das Brandenburger Verkehrsministerium habe von vornherein gewusst, dass der Flughafen mitten in besiedeltem Gebiet liegt und in seiner Kapazität daher begrenzt ist. BBI hätte nicht als Großflughafen genehmigt werden dürfen.
Beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sind die letzten Klagen am 23. März eingegangen. Über die damit 15 vorliegenden Klagen solle noch in diesem Jahr entschieden werden, sagte ein Sprecher am Freitag.
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