piwik no script img

Flughafenchef Mehdorn„Er hat sich selbst ins Spiel gebracht“

Der neue Flughafenchef Hartmut Mehdorn wird die vom Hof gejagten BER-Chefplaner zurückholen, prognostiziert der Piraten-Abgeordnete Martin Delius.

Zählt schon mal die fehlenden Milliarden: Hartmut Mehdorn Bild: dpa
Interview von Sebastian Puschner

taz: Herr Delius, Sie haben junge Talente für die Flughafen-Geschäftsführung gefordert. Seit Montag ist ein 70-Jähriger Chef am BER.

Martin Delius: Genau das wollten die Verantwortlichen: Schnell jemanden verpflichten, von dem man vorher weiß, wie er agiert. Für einen Neustart hätte es eine transparente Ausschreibung gebraucht. Dann wäre kein 70-Jähriger, weißer Mann, sondern vielleicht eine Frau aus internationalem Kontext Chef geworden. Ich bin überzeugt, dass es genügend Kandidatinnen gegeben hätte.

Hat er nicht das Potenzial zum Aufräumer, der endlich Ordnung in den Saustall bringt?

Jedenfalls brennt er ganz offensichtlich noch für seine Sache. Ich würde sogar mutmaßen, er hat sich selbst ins Spiel gebracht. Sein Vertrag läuft drei Jahre, wir dürfen also annehmen, dass er spätestens 2016 diesen Flughafen eröffnen möchte.

Ist das realistisch?

Weit früher wäre jedenfalls ambitioniert bis unglaubwürdig.

Wovon hängt ab, ob Mehdorn erfolgreich sein wird?

Zunächst von der Frage: Was geschieht mit dem Generalplaner? Mehdorn hat von der Beschleunigung des Verfahrens, von mehr Druck gesprochen, um schnell zum Ergebnis und zu einem neuen Termin zu kommen.

Martin Delius

28, ist Mitglied der Piraten-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin und Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses.

Was heißt das?

Ich halte es für wahrscheinlich, dass der Flughafen die alten Chef-Architekten von gmp und JSK zurückzuholen und die Klage gegen sie ruhen lassen wird.

Die wurden von Klaus Wowereit und Co. hochkant rausgeschmissen.

Er würde das öffentlich nie zugeben, aber ich glaube, auch beim Regierenden Bürgermeister ist inzwischen angekommen, dass er und die anderen Verantwortlichen mit dem Rausschmiss der Generalplaner einen der Hauptfehler begangen haben.

Warum?

Das war der Hauptkommunikationspunkt zwischen Bauherren, Subplanern, ausführenden Firmen, Prüfern. Wenn man das Gehirn entfernt, dann ist nicht mehr viel mit Muskeln. Natürlich suchen alle nach einem Weg, diese Entscheidung rückgängig zu machen, ohne das Gesicht zu verlieren. Da kommt Mehdorn ins Spiel: Er ist prädestiniert, diesen Weg zu bieten.

Der Rausschmiss der Planer war nicht seine Entscheidung.

Genau. Die Gesellschafter hatten gemeinsam beschlossen, möglichst hart und öffentlich diskreditierend gegen die Explaner vorzugehen. Doch jetzt haben sie Mehdorn Entscheidungsfreiheit und Unterstützung zugesichert. Wenn der sagt, um schnell voranzukommen, brauchen wir die Generalplaner wieder, dann können sich die Gesellschafter zurücklehnen.

Wann wird er das machen?

Ich denke, es wird die nächste oder übernächste Sache, die er öffentlich verlautbart. Mehdorn und die alten Planer kennen es ja, gemeinsam in einer schwierigen Situation zu stecken: vom Bau des Berliner Hauptbahnhofs. [Siehe Text links; Anm. d. Red.]

Moment. Wegen des Hauptbahnhofs gab es riesigen Streit zwischen Mehdorn und den Architekten.

Das stimmt natürlich. Trotzdem war das Projekt am Ende erfolgreich, im Zeit- und Kostenrahmen. Ich halte es für extrem plausibel, dass die Flughafenplaner zurückgerufen werden.

Klingt, als würde alles gut, auch ohne den von Ihnen geforderten Neustart.

Oh, auch mit Gehirn gibt es noch genügend Unabwägbarkeiten: Der Sachstand muss schnell ermittelt werden, Ausschreibungen, Bauarbeiten und Abnahmen müssen problemlos laufen. Die Gerichtsverfahren um die Flugrouten! Die Kapazitäts-frage! Und das Thema Geld: Es gibt keine liquiden Mittel mehr, aus denen die Flughafengesellschaft schöpfen könnte. Die 1,2 Milliarden Euro Mehrausgaben werden nicht reichen. Es hätte genug Anlass gegeben, die Art und Weise des Umgangs mit diesem Projekt völlig neu zu gestalten.

Dieses Interview ist Teil des Themenschwerpunkts in der Wochenendausgabe der taz.berlin. Darin außerdem eine ausführliche Bilanz des bisherigen Wirkens von Mehdorn sowie ein Essay. Am Samstag, iIm Briefkasten und am Kiosk.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen