Flughafenchaos: Flughafen Tegel: Einer geht noch
Ärger statt Eröffnungsparty: Air Berlin-Chef Mehdorn schimpft, die Lufthansa triumphiert - und Tegel fürchtet den nächsten Winter.
Am Sonntag hätten sie sich alle in den Armen liegen und den Flugzeugen beim Starten zusehen sollen. Weil die Eröffnung des neuen Flughafens in Schönefeld geplatzt ist und nun bis mindestens März 2013 warten muss, gibt es stattdessen nur Ärger.
Am ärgerlichsten ist Hartmut Mehdorn, früher Chef der Deutschen Bahn AG und heute von Air Berlin. Er wettert schon seit Wochen, am Sonntag legte er noch eins drauf: Die Aufsichtsräte des Flughafens hätten „weniger politisch und mehr sachkundig besetzt werden“ sollen, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Er forderte eine Garantie, dass die Flughafengesellschaft Air Berlin nun den Schaden ersetze: „Am Ende der Gespräche werden wir nicht akzeptieren, dass unsere Gegenüber uns nur eine Adressenliste aller Lieferanten rüberschieben und sagen, wendet euch bitte an die Leute.“
Air Berlin wollte am neuen Flughafen seine Flotte stationieren, acht Prozent mehr Flüge anbieten. Statt neuem Luxus ist jetzt Notbetrieb vom ohnehin überlasteten Flughafen Tegel angesagt: Dort fertigt Air Berlin die Passagiere in einer Fabrikhalle neben dem Terminal ab, im Notfall in einem Zelt. Um die zusätzlichen Flüge unterbringen zu können, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das Nachtflugverbot am späten Abend gelockert – doch da fliegt vor allem die Lufthansa. Die von Air Berlin beantragten Flüge vor sechs Uhr morgens hat die Behörde nicht genehmigt. Am heutigen Montag wird Air Berlin seinen neuen Flugplan vorstellen – und dann sagen, welche Flüge abgesagt werden müssen.
Offen ist, was das für die angeschlagene Airline bedeutet. Dass Mehdorn offenbart, die Airline spare an allen Ecken und Enden – von den Dienstwagen über Farbausdrucke bis hin zu Säften und Keksen bei den Meetings – heißt nichts Gutes. Freuen dürfte das Hauptkonkurrentin Lufthansa: Die hat die Zahl ihrer Berlin-Flüge zum Sommer fast verdoppelt. „Wir wollen hier die Nummer eins werden“, sagte ein Sprecher. Anders als Air Berlin kann die Lufthansa die zusätzlichen Flüge relativ reibungslos von Tegel abwickeln.
Die Flughafengesellschaft sprach am Sonntag von einem „milden und ruhigen Auftakt“ in Tegel, warnte aber schon mal, das könne sich ändern. Samstag und Sonntag seien die verkehrsärmeren Tage, so Flughafen-Sprecher Ralf Kunkel. „Fluggäste sollen auf jeden Fall mehr Zeit für die Anreise und den Aufenthalt im Flughafen einplanen.“
Neue Probleme kündigen sich an: Ob der Flugplan im Winter gesichert sei, sagt die Flughafengesellschaft noch nicht. Sie sprach von „besonderen Herausforderungen“: In Tegel seien wegen der engen Taktung der Flüge zusätzliche Mitarbeiter für die Enteisung und eine „Optimierung der Prozesse“ nötig. Die Lufthansa forderte für den Winter schon mal „großzügige Ausnahmen“ vom Nachtflugverbot.
Bei so viel Ärger tut ein wenig Verständnis gut. Die Verschiebung sei ärgerlich, sagte der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki, aber doch keine Katastrophe. Wer schon mal ein Haus oder eine Datsche gebaut habe, wisse, dass Zeit- und Kostenpläne selten eingehalten würden.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen