Flughafen-Streit in Berlin: Krach im Anflug
Entwürfe der Flugrouten für den BBI zeigen: Der Süden Berlins dürfte mehr Fluglärm abkriegen als bisher. Deshalb haben sich bereits zwei Bürgerinitiativen gegründet
Anderthalb Jahre vor der Eröffnung des Flughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) ist ein Streit über die künftigen Flugrouten entbrannt. Seitdem die Deutsche Flugsicherung vor knapp zwei Wochen die geplanten Routen vorgestellt hat, haben sich bereits zwei Bürgerinitiativen im Süden Berlins gegründet. Die Anwohner dort befürchten, künftig stärker als bisher angenommen von Fluglärm betroffen zu sein.
"Wir wissen, dass die Lärmbelastung enorm sein wird", sagt Marela Bone-Winkel, die am Mittwoch vergangener Woche eine Bürgerinitiative im Südwesten der Stadt gegründet hat. Mittlerweile hätten sich mehr als 300 Unterstützer gemeldet, darüber hinaus hundert weitere im Internet. Alle mit ähnlichen Befürchtungen: Lärm der Maschinen, 365 Tage im Jahr, möglicherweise auch nachts und darüber hinaus die ständige Angst vor einem Absturz.
Axel Raab, Sprecher der Deutschen Flugsicherung, beschwichtigt jedoch: Die nun vorgestellten Pläne seien nur ein "erster Vorschlag." Tatsächlich waren im Planfeststellungbeschluss zum Flughafen nur hypothetische Routen verzeichnet. "Endgültig werden die Routen wohl erst Anfang 2012 feststehen." Zunächst gibt es Gespräche mit der Fluglärmkommission, die eine beratende Funktion hat. Anschließend gehen die Pläne an das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung. Auch das Justizministerium und das Umweltbundesamt haben Mitspracherecht.
Der Großflughafen in Schönefeld (BBI) soll am 3. Juni 2012 öffnen. Laut dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist dieser Termin verbindlich. Zuvor hatte es Verzögerungen gegeben.
Gegen mehr Fluglärm über dem Stadtgebiet hat der Senat kaum Handlungsmöglichkeiten. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) sagte dazu: "Der Senat kann Einwände machen. Aber die Deutsche Flugsicherung legt fest."
Der Hauptstadtflughafen ist ein Gemeinschaftsprojekt des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg. Er wird am Tag seiner Eröffnung den bisherigen Schönefelder Airport und Berlin-Tegel ersetzen und dann der drittgrößte deutsche Flughafen sein. Insgesamt werden die Kosten für den BBI mit 2,5 Milliarden Euro angegeben.
Doch die Prioritäten sind klar: An erster Stelle steht die Sicherheit, dann die Wirtschaftlichkeit und erst an dritter Stelle der Lärmschutz der Bevölkerung. Wirtschaftliche Aspekte sind es auch, die wohl verhindern werden, dass sämtliche Flugrouten vom BBI zunächst nach Süden führen und so die Stadt aussparen. Denn das würde zum einen die Zahl der möglichen Starts verringern, weil der Luftraum in Richtung Norden fehlt, und zum anderen die Menge des benötigten Treibstoffs und damit auch den Kohlendioxidausstoß erhöhen, wenn die weitere Route Richtung Norden führt.
Der ehemalige Fluglotse Raab kritisiert daher auch Äußerungen mehrerer Fluggesellschaften, die in den vergangenen Tagen angegeben hatten, auch Umwege in Kauf zu nehmen, als "nicht ehrlich". Die Fluggesellschaften hätten ein starkes Interesse an kurzen Wegen, um Kosten zu sparen.
Bernd Habermann, Vorsitzender der Fluglärmkommission von BBI, sieht die nun vorgestellten Routen sogar eher positiv. "Damit ist die Belastung durch Fluglärm in jedem Fall geringer geworden", sagt er. Das erklärt er folgendermaßen: Zwar würden Bewohner im Süden Berlins belastet. Das geschehe jedoch lediglich in Bereichen von 40 bis 50 Dezibel - also vergleichsweise leise. "In den Bereichen, wo maximale Schallpegel auftreten, sind jedoch deutlich weniger Menschen betroffen", sagt Habermann. Damit meint er die Gemeinden, die dicht am Flughafen liegen. Habermann selbst war bis 2003 Bürgermeister in Blankenfelde-Mahlow, das in unmittelbarer Nähe des künftigen Großflughafens liegt.
Den neuen Bürgerinitiativen in Berlin wirft er vor, das Lärmproblem zuvor ignoriert zu haben. "Die Gemeinden hätten mal auf den Stadtplan schauen sollen. Dann hätten sie gemerkt, dass es sich beim BBI faktisch um einen Stadtflughafen handelt - und da ist natürlich auch die Stadt betroffen." Doch als Anrainergemeinden bereits in der Planungsphase gegen den BBI protestiert hatten, sei von den Berlinern keine Unterstützung gekommen.
Marela Bone-Winkel will das ändern: "Dass Berlin betroffen sein würde, hat nie jemand gesagt, und die Politik hat dazu beigetragen, dass man sich nicht betroffen fühlte." Sie hofft für die Zukunft auf eine Zusammenarbeit mit den Initiativen aus dem Umland.
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