Flüchtlingswelle in Südsudan: Schutzlos zu Weihnachten
Hunderttausende könnten vor dem Bürgerkrieg in Südsudan in UN-Basen flüchten. Die Sorge ist groß, dass auch sie auf Dauer nicht sicher sind.
BERLIN taz | Die vorweihnachtliche Evakuierung Tausender weißer Ausländer aus Südsudans Bürgerkrieg ist am Montag zunächst zu Ende gegangen. Nun rückt das Schicksal der zurückgelassenen südsudanesischen Bevölkerung ins Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit.
Für viele kommt das zu spät: Beobachter vor Ort schätzen, dass seit Ausbruch der Kämpfe vor einer Woche bereits mehrere tausend Menschen ums Leben gekommen sind. Sie sind meist Opfer von Racheangriffen durch rivalisierende Militäreinheiten aus den Volksgruppen der Dinka und Nuer an Zivilisten der jeweils anderen Gruppe.
Um sich vor solchen Angriffen in Sicherheit zu bringen, suchen immer mehr Menschen in den Basen der UN-Mission im Südsudan (Unmiss) Schutz – bis Sonntag waren es 42.000, seitdem kamen weitere dazu. Der humanitäre UN-Koordinator in Südsudan, Toby Lanzer, warnte am Montag gegenüber BBC: „Ich mache mir Sorgen, dass wir in wenigen Tagen nicht von Zehntausenden, sondern von Hunderttausenden sprechen werden.“ In den nächsten Tagen sei eine „massive Zunahme des Bedarfs“ an humanitärer Hilfe zu erwarten.
Lanzer äußerte sich nach einem Besuch in der UN-Basis in Bor, Hauptstadt der Provinz Jonglei. In Bor hatte sich das Militär vergangene Woche von der Regierung losgesagt und kämpft nun auf der Seite des Nuer-Vizepräsidenten Riek Machar gegen die Regierungstruppen des Dinka-Staatschefs Salva Kiir. Unklar blieb am Montag, wer Bor kontrolliert, nachdem sich Meldungen einer Rückeroberung durch Regierungstruppen offenbar als voreilig herausstellten.
„Jenseits jeder Kontrolle“
Nachdem Dinka in Südsudans Hauptstadt Juba vor einer Woche Hunderte Nuer getötet hatten, begingen die Nuer-Truppen in Bor in den letzten Tagen ihrerseits Massaker an Dinka. Die Täter seien nicht nur Soldaten, sondern „Jugendliche jenseits jeder Kontrolle“, so Lanzer, der berichtete, was er in der Stadt sah, als er am Sonntagabend zum Flughafen fuhr: „Menschen, die in einer Reihe aufgestellt und summarisch hingerichtet wurden.“
Die große Sorge ist, dass auch die UN-Basen auf Dauer nicht sicher sein werden. In Akobo, einer Kleinstadt an der äthiopischen Grenze, waren am Donnerstag rund 2.000 Nuer-Milizionäre in die UN-Basis eingedrungen und hatten zwei indische UN-Blauhelmsoldaten sowie zahlreiche Flüchtlinge umgebracht.
Die UN-Mission im Südsudan verfügt über lediglich 4.000 Infanteristen – zu wenig, um mit eigenen Bodentruppen die Sicherheit zu garantieren, wenn UN-Helfer auf dem Luftweg Notleidende zu erreichen versuchen. Nun ist eine kurzfristige Aufstockung der Unmiss im Gespräch. Auch Zehntausende Flüchtlinge aus Sudan, die vor regelmäßigen Luftangriffen gegen Rebellen in den Nuba-Bergen nach Südsudan geflohen sind, fürchten jetzt um ihre Sicherheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!