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Archiv-Artikel

Flüchtlingsmutter darf nicht Hausfrau sein

Die Union will einigen Flüchtlingen Familienleistungen vorenthalten – und ihnen weder Eltern- noch Kindergeld zahlen

„Abgeordnete lassen sich missbrauchen für familienfeindliche Gesetzgebung“

BERLIN taz ■ Die Union will Flüchtlinge nicht nur vom Elterngeld, sondern auch von anderen familienpolitischen Leistungen ausschließen. Pro Asyl, der Verband binationaler Familien und der Flüchtlingsrat Berlin kritisierten gestern, dass die entsprechenden Gesetzentwürfe mit „Last-Minute-Änderungsanträgen“ versehen wurden.

„Offenbar wurde die Hektik von Seiten des Bundesinnenministeriums vorsätzlich in das Gesetzgebungsverfahren hineingetragen, nachdem die Gesetzentwürfe schon monatelang vorlagen“, kritisiert Bernd Mesovic von Pro Asyl. „So bleib den Abgeordneten keine Zeit für die Prüfung, ob das Gesetz mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht in Übereinklang steht.“

In den Änderungen geht es um Flüchtlinge mit einem bestimmten humanitären Bleiberecht, die längerfristig in Deutschland leben werden. Dazu gehören Bürgerkriegsflüchtlinge, Härtefälle, die in Deutschland bereits gut integriert sind, oder schwer kranke Menschen, die hier medizinisch behandelt werden. Sie sollen nur Elterngeld erhalten, wenn sie mindestens drei Jahre hier leben und, besonders abstrus, ihre Erwerbstätigkeit nachweisen können. Beim Elterngeld bedeutet das, dass Frauen, die in einer Hausfrauenehe leben, nichts bekommen. Für die deutschen Hausfrauen dagegen hatte die Union ein Mindestelterngeld von 300 Euro durchgesetzt.

Nun sollen Flüchtlinge auch andere Familienleistungen wie Kindergeld oder den Unterhaltsvorschuss nur unter diesen Voraussetzungen erhalten. Das sehen entsprechende Änderungsanträge der Union vor. Die Gesetzentwürfe dazu sollen am 18. Oktober im Bundestag verabschiedet werden. In all diesen Gesetzentwürfen war zuvor keine derartige Einschränkung vorgesehen gewesen. Vielmehr sollten die Gesetze gerade dazu dienen, Flüchtlinge mit humanitärem Bleiberecht anderen Ausländern mit längerer Aufenthaltsperspektive in Deutschland gleichzustellen. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht der Regierung 2004 aufgegeben.

„Es ist eine besondere Frechheit, dass die Flüchtlinge erwerbstätig sein müssen, um Elterngeld oder Kindergeld zu bekommen. Von Gleichbehandlung, wie sie das Verfassungsgericht vorsah, kann damit keine Rede mehr sein,“ so Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin. Auch Mesovic sieht in den Änderungen einen „Affront gegen das Bundesverfassungsgericht“. Er kritisiert auch, dass die SPD diesen Kurs einfach mitträgt: „Frei gewählte Abgeordnete lassen sich hier als Stimmvieh missbrauchen für einen integrations- und familienfeindlichen Gesetzgebungskurs.“

Die Union kann das gar nicht anfechten. Sie verkauft ihren Überfall als Erfolg: Die Union habe „durchgesetzt, dass Ausländer mit vorübergehender Aufenthaltsgenehmigung vom Elterngeldbezug ausgeschlossen werden“, verkündet der familienpolitische Sprecher der Union, Johannes Singhammer, in einer Pressemeldung. Damit sei gewährleistet, dass „keine Anreize zur Zuwanderung nach Deutschland“ gesetzt würden. HEIDE OESTREICH