Flüchtlingskrise: Initiative wünscht Katastrophe herbei
„Moabit hilft“ fordert, den Katastrophenfall auszurufen, damit mehr Mitarbeiter für das Lageso mobilisiert werden können.

Mit dem einsetzenden Herbst verschlechtert sich die Lage für die Geflüchteten am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Moabit zusehens. „Die Menschen frieren und sind nass, den ganzen Tag“, sagt Michael Ruscheinsky von „Moabit hilft“. Die Initiative hat am Freitagmittag vor dem Gelände an der Turmstraße zu einer Pressekonferenz geladen, das Interesse ist groß, schließlich zählt die Flüchtlingsfrage zu den derzeit drängendsten. Für Moabit-hilft-Gründerin Diana Henniges ist klar: Dass hier Chaos herrscht, „liegt nicht daran, dass es viele sind“, sondern dass die politisch Verantwortlichen im Senat ihre Arbeit nicht erledigen.
Seit Monaten reißt die Kritik am Lageso, wo sich alle Geflüchteten in Berlin registrieren lassen müssen, nicht ab. „Moabit hilft“ hat erst am Donnerstag detailliert die katastrophalen Zustände auf dem Gelände beschrieben (taz berichtete). Am Freitag setzt Henniges noch eins drauf: Es müsse endlich der Katastrophenfall ausgerufen werden, damit von offizieller Seite mehr Menschen mobilisiert werden können – vor allem solche, „die etwas davon verstehen“. Auch das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts zeige, „dass wir einen Notfall-Plan brauchen und mehr Leute“. Das Gericht hatte am Donnerstag geurteilt, das Lageso dürfe trotz der hohen Flüchtlingszahlen nicht ohne Zustimmung des Personalrats die Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter ändern.
Mehr Leute braucht es zum Beispiel, sagt Henniges, um „sofort“ eine offizielle Stelle einzurichten, die nachts und am Wochenende neu ankommende Flüchtlinge aufnimmt. Bislang kümmern sich um sie ausschließlich Freiwillige. Dass es auch anders geht, zeige das Beispiel München: Dort würden neu Ankommende 24 Stunden am Tag registriert und untergebracht.
Eine weitere Sofort-Forderung der Initiative ist ein Regenschutz für die Wartenden am Lageso. Das wäre wohl auch nicht so schwierig: Laut Henniges gibt es auf dem Gelände zwei funktionsfähige Zelte, die aus unerklärlichen Gründen bislang vom Lageso nicht geöffnet würden.
Derweil verbreitet die Sozialverwaltung gute Nachrichten. Von der Eröffnung der neuen Lageso-Außenstelle an der Bundesallee erwarte man sich eine „sukzessive“ Entspannung der Lage am Lageso, heißt es am Freitag. Am Abend zuvor hat Sozialsenator Mario Czaja (CDU) angekündigt, dass die Erstaufnahme von Geflüchteten tatsächlich ab kommenden Donnerstag in dem ehemaligen Landesbankgebäude in Wilmersdorf abgewickelt werden wird. Man werde die Menschen mit Shuttle-Bussen aus der Turmstraße dorthin bringen, erklärte er. Offenbar kamen hier Sicherheitsbedenken zum Tragen, weil es in der Bundesallee keinen Platz für hunderte Wartende gibt.
Für Henniges heißt dies jedoch: Das Chaos geht weiter. Sobald sich in der Turmstraße herumspreche, dass nun in der Bundesallee registriert wird, würden die Menschen selbstständig dorthin fahren, vermutet sie – „nur dass sie sich dort auf einer vierspurigen Straße drängen werden“.
Ein weiterer „Fortschritt“, den die Sozialverwaltung verkündet: Ab sofort werden Wartenummern nur noch von Lageso-MitarbeiterInnen ausgegeben. Damit reagiert das Amt auf Vorwürfe, Sicherheitsleute hätten sich für Wartenummern von Geflüchteten bezahlen lassen. Die Staatsanwaltschaft hatte Ermittlungen wegen Korruption abgelehnt, weil die Securityleute keine Landesbediensteten sind.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße