Flüchtlinge: Neue Vorwürfe gegen Lageso
Leitende Mitarbeiter der Behörde sollen mit dem viel kritisierten Betreiber Pewobe kostspielige Verträge über ein Gebäude in Spandau abgeschlossenen haben
Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), zuständig für die Unterbringung der Flüchtlinge, kommt nicht zur Ruhe. Nachdem Ende vergangenen Jahres der Chef der in der Turmstraße angesiedelten Behörde, Franz Allert, unter Korruptionsverdacht geriet, gibt es nun Vorwürfe gegen zwei seiner leitenden Mitarbeiter. Gegenstand sind Verträge mit dem wiederholt kritisierten Heim-Betreiber Pewobe. Die Linken-Abgeordnete und Sozialpolitikerin Elke Breitenbach zeigte sich wenig überrascht: „Solange es beim Lageso kein nachvollziehbares Vergabeverfahren für die Unterkünfte gibt, geht es dort auch drunter und drüber.“
Im aktuellen Fall soll die Pewobe – kurz für: Professionelle Wohn- und Betreuungsgesellschaft – mit den beiden Lageso-Mitarbeitern ein für das Unternehmen sehr günstiges Geschäft über ein Gebäude am Rohrdamm in Spandau auf den Weg gebracht haben. Diese Immobilie wird von ihr nach Lageso-Angaben seit September als Notunterkunft betrieben, im Mai sollte daraus eine neue Erstaufnahmestelle mit der Arbeiterwohlfahrt als Betreiber werden. Als Folge der kritisierten Vereinbarung sollen angeblich hohe Tagessätze an die Pewobe aus öffentlichen Geldern anfallen.
Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram hält die Vorwürfe gegen das Landesamt für begründet. „Da ist was dran“, sagte sie am Donnerstag der taz. Sie sieht im Lageso „eine ungesunde Nähe zur Pewobe“.
Die auf diese Weise kritisierte Behörde will den Fall im Zuge einer generellen Kontrolle prüfen, die durch Vorwürfe gegen ihren Chef Allert ausgelöst wurden. Ihm war im November vorgeworfen worden, einen Heimbetreiber bevorzugt zu haben, weil sein Patensohn dort in der Geschäftsführung war. Die Staatsanwaltschaft begann Ermittlungen dazu. Gesundheits- und Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hatte den ihm unterstellten Behördenchef Allert gegen die Vorwürfe in Schutz genommen. „Inwieweit Vertragsabschlüsse mit den Betreibern von Flüchtlingsunterkünften in der Vergangenheit rechtskonform waren, prüfen derzeit sowohl die Innenrevision als auch externe Wirtschaftsprüfer“, sagte Lageso-Sprecherin Silvia Kostner am Donnerstag.
Ein erster Teil der internen Prüfung ist nach Angaben der Verwaltung von Senator Czaja abgeschlossen. „Da konnte nichts Unkonformes gefunden werden“, sagte Sprecherin Regina Kneiding. Die externe Wirtschaftsprüfungsagentur – Roever Broenner Susat – wolle bis Ende Mai erste Ergebnisse vorlegen.
Linken-Politikerin Breitenbach erkannte durchaus an, unter welchem Druck und welcher Belastung die Behörde angesichts von 15.000 in diesem Jahr erwarteten Flüchtlingen steht – „das Lageso hat auf allen Ebenen nicht ausreichend Personal, keine Frage“, sagte Breitenbach. Sie kritisierte die Leitungsebene, die aus ihrer Sicht nicht auf den Zustrom vorbereitet war. Zudem vermisste sie weiterhin, dass die Entscheidungen, welcher Betreiber welche Unterkunft übernimmt, nachvollziehbar und transparent erfolgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier