Flüchtlinge in Italien: Somalische Botschaft geräumt
Nach einem Vergewaltigungsfall räumt die Polizei die Somalische Botschaft in Rom. Diese hatte den Bürgerkriegsflüchtlingen als Notunterkunft gedient.
ROM taz | Etwa 80 bis 100 Bürgerkriegsflüchtlinge stehen bei winterlichen Temperaturen und Regen auf der Straße. Anlass dafür ist eine Vergewaltigung in der somalischen Botschaft in Rom. Ein 18-jähriges Mädchen hatte, nachdem es im Streit aus der elterlichen Wohnung fortgelaufen war, an Roms Bahnhof Termini einen jungen Somalier kennen gelernt, der ihr anbot, sie könne in der Botschaft übernachten, in der auch er Unterkunft gefunden hatte.
Dort fielen dann drei der Bewohner über sie her und vergewaltigten sie mehrfach, bevor sie fliehen konnte. Unmittelbar danach rückten Dutzende Polizisten an, räumten das Gebäude und brachten die etwa 70 Personen, die sie noch antrafen, zunächst zum Polizeipräsidium.
Und plötzlich schaute Italiens Hauptstadt wieder auf jenen Skandal, der sich seit Jahren im Zentrum Roms abspielt. Die von Diplomaten verlassene Botschaft wird von bis zu 150 Somalis als Schlafstätte genutzt; die durchweg anerkannten Flüchtlinge, die andere Unterkünfte nicht gestellt bekommen, hausen dort unter menschenunwürdigen Bedingungen ohne Strom, Heizung oder Wasser in einem modrigen, verfallenden Gebäude.
Für den rechten Bürgermeister Gianni Alemanno war der Vorfall ein Anlass zur Hetze. "Alle 70 müssen ausgewiesen werden!", forderte er. Schließlich hätten sie der Vergewaltigung tatenlos zugesehen und seien überhaupt "alle Verbrecher" - anderenfalls hätten sie doch "Arbeit und Wohnung gefunden".
Alemanno verkehrt so frech alle Tatsachen in ihr exaktes Gegenteil. Erstens waren es die Somalis selbst, die eingriffen, als sie die Schreie des Mädchens hörten; die Botschaftsbewohner hielten die Täter fest und übergaben sie der Polizei. Zweitens ist es der italienische Staat, der Flüchtlinge - sie stehen ohne jede staatliche Hilfe da - in solche Elendssituationen wie die der Botschaft Somalias in Rom zwingt. Dies zeigte sich jetzt auch nach der Räumung.
Erst als die Somalis am Sonntagnachmittag den Kapitolsplatz vor dem Rathaus besetzten, wurde ihnen in Aussicht gestellt, sie könnten ja so wie alle Obdachlosen in diesen kalten Tagen in einem nachts extra offen gehaltenen U-Bahnhof nächtigen. Dieses Angebot aber, stellte Roms Dezernentin für Soziales sofort klar, gelte nur, "solange die widrigen Wetterbedingungen anhalten".
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