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Flüchtlinge brechen Hungerstreik abParlamentarier wollen sich kümmern

Die gegen die deutschen Asylbedingungen protestierenden Flüchtlinge haben ihren Hungerstreik am Brandenburger Tor abgebrochen. Gespräche sind geplant.

Die 15 Flüchtlinge wollen bis zum 5. November auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor in Mitte ausharren Bild: dpa

BERLIN dapd | Nach mehr als einer Woche haben die Flüchtlinge vor dem Brandenburger Tor in Berlin ihren Hungerstreik abgebrochen. Der Entscheidung war am Donnerstagabend ein vierstündiges Treffen mit der Flüchtlingsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), und Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) in der Akademie der Künste vorausgegangen.

Den Angaben zufolge wollen die 15 Flüchtlinge aber bis 5. November auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor in Mitte ausharren. Bis 15. November soll ein Termin für ein Treffen mit Bundestagsabgeordneten in Begleitung von Böhmer und Kolat gefunden sein. Böhmer hatte zuvor die jetzige Vereinbarung als Erfolg bezeichnet. Ebenso äußerte sich Kolat. Sie sagte zugleich, dass sich auch die Integrationsministerkonferenz mit dem Thema befassen werden.

Die Demonstration richtet sich gegen die Abschiebung von Flüchtlingen und die Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Deutschland. Die Flüchtlinge waren Anfang Oktober in einem Tross von insgesamt 70 Menschen aus Würzburg eingetroffen. Sie sind seither parallel in einem genehmigten Camp am Oranienplatz in Kreuzberg unter gekommen.

Anmelder der Demonstration vor dem Brandenburger Tor ist Dirk Stegemann. Der umstrittene Aktivist mit Positionen im weit linken Spektrum initiiert regelmäßig Kundgebungen und Demonstrationen in der Stadt. Am Donnerstagabend beklagte er, dass die am Vortag von Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD) zugesagten Erleichterungen für die Demonstration wieder zurückgezogen worden wären.

„Peinliches“ Vorgehen

Laut Ordnungsamt habe Hanke seine Befugnisse überschritten, berichtete Stegemann. Dazu zählten die Position eines Wärmebusses am Rande der Demonstration und die Anordnung von Informationstischen. Der Abgeordnete Hakan Tas (Linke) nannte dieses Vorgehen „peinlich“. Tas wie auch Vertreter der Piraten hatten sich vergeblich um eine Teilnahme an dem Gespräch mit Böhmer bemüht. „Wir wären gern als Beobachter dabei gewesen“, sagte Pirat Fabio Reinhardt.

Zu einer möglichen Straffreiheit für die Flüchtlinge, die mit dem Marsch und dem Aufenthalt in Berlin gegen die Residenzpflicht verstoßen, hieß es aus dem Büro von Böhmer, es werde Schreiben an die zuständigen Landkreise oder Bezirke geben, in den sich die jeweiligen Heime der Teilnehmer befinden. Darin solle um Wohlwollen geworben werden.

Zugleich könnten die Flüchtlinge eventuell rückwirkend einen Antrag auf Reise stellen. Auch dem würden Erfolgsaussichten eingeräumt. Böhmer dankte den Flüchtlingen für ihren Einsatz: „Denn sie tun das nicht nur für sich, sondern auch für die große Zahl der Asylsuchenden in Deutschland.“

Künftige Bleiberechtsregelung

Zu den angesprochenen Problemen sagte sie, dass es Besuche von ihr in Wohnheimen geben werde. Die Wohn-Situation unterscheide sich von Bundesland zu Bundesland stark. Bei der Residenzpflicht wiederum habe sich schon viel getan, auch weil eine Modernisierung im Koalitionsvertrag stehe.

Auch über die künftige Bleiberechtsregelung sei gesprochen worden. Da müsse eine stichtagsabhängige Regelung kommen, sagte Böhmer. Für eine schnellere als jetzt mögliche Arbeitsaufnahme von Asylbewerbern liege ein Sechs-Monats-Vorschlag auf Bundesebene vor, auf EU-Ebene ein Neun-Monats-Regelung. „Wir brauchen jede Hand und jeden Kopf“, sagte Böhmer.

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4 Kommentare

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  • R
    rubus

    @Bitte: §1 unseres Grundgesetzes sagt: Die Würde des Menschen ist unantastbar...wiederhole:>...des Menschen...< - nicht des Deutschen oder Westeuropäers. Das Gutscheinsystem ist entwürdigend. Es bevormundet erwachsene Menschen, wie kleine Kinder, schreibt ihnen vor, was sie von dem bißchen "Währung" was sie bekommen, zu kaufen haben, und was sie nicht kaufen dürfen. Und als ob sie sich hier nicht sowieso schon fremd und unerwünscht fühlen, müssen sie sich beim täglichen Einkauf vor allen Umstehenden an der Kasse als "Ausländer", als "Asylanten" outen. Ich möchte nicht in deren Haut stecken. Ich weiß gut, wie sich das in etwa anfühlt, da ich regelmäßig einen Teil Gutscheine mit Asylsuchenden tausche, um ihnen mit Bargeld ein bißchen mehr Würde zu geben. Im Gegenzug stehe ich dann an der Kasse und werde des öfteren wie ein Alien angeglotzt und nach meinem Ausweis gefragt. Aber ich habe die Privilegien und das Selbstbewußtsein eines Staatsbürgers.

    Was Du Sicherheit und Geborgenheit nennst, gleicht eher einem Gefängnis. Jede Jugendherberge ist gegen die meisten Flüchtlingswohnheime eine 5-Sterne-Hotel. Oft schlafen mehrere Erwachsene mit Kindern in einem Zimmer, das mit Doppelstockbetten ausgestattet ist, wie man sie aus Kasernen kennt. Dazu kommt der Stacheldraht um die Heime, die meist irgendwo draussen in der Pampa liegen, im Nirgendwo. Ist man jung, ungebunden, scheint das weniger als Problem. Man läuft zu Fuß die 10-15 km in die nächste größere Ortschaft. Ist man alt oder hat Familie, dann wirds schon schwieriger. Bus und Bahn können sich die Flüchtlinge i.d.R nicht leisten, wenn überhaupt regelmäßig welche fahren. Woanders hinziehen oder Verwandte und Freunde in anderen Städten besuchen dürfen sie nicht. Auch haben sie keine Arbeitserlaubnis. Ihr Leben in den Unterkünften ist kein Leben. Es ist ein Dahinvegetieren! Viele Leiden an psychischen Problemen durch die Unterbringung und sind von der Flucht traumatisiert. Doch Hilfe erhalten sie nur in äußersten Notfällen. Einen Zahnarzt bekommen sie z.B. nur bezahlt, wenn sie starke Schmerzen haben und eine Entzündung offensichtlich ist. Ein Gefangener im offenen Vollzug einem deutschen Gefängnis hat bessere Bedingungen, und kommt u.U. nach 5 Jahren wieder frei. Die Flüchtlinge leben manchmal 10 Jahre in "Aufnahmelagern", und sind ständig von der Abschiebung in ihre altes, oft lebensgefährliches Leben in das Land aus dem sie kommen bedroht. Hier in Deutschland stehen sie ständig in der Gefahr Opfer eines Angriffs von Neofaschisten zu werden. Das alles nennst Du Sicherheit und Geborgenheit!? Am Ende ist es nicht viel mehr als das Dach über dem Kopf, was sie hier bekommen. Am Pariser Platz wurde ihnen nicht mal das gewährt...

  • S
    sellerie

    @Bitte

    ja, aber du entscheidest WO du einkaufen gehst. und wenn du nicht eh schon dort einkaufst, wirst du spätestens in monaten wo das geld knapp ist (warum auch immer) irgendwann beim discounter landen.

    diese möglichkeit gibt es mit den gutscheinen nicht schlicht weil in den meisten landkreisen nur die nicht-Discounter überhaupt die gutscheine aktzeptieren.

     

    tja und ansonsten: wie wärs mit klicken uaf den link und lesen und nachdenken und verstehen?oder hast du nen gutschein auf erklärbären übrig?

    danke.

  • B
    Bitte

    was ist denn nun schlecht am Gutscheinsystem?

    Ist das nicht viel mehr als das was viele Flüchtlinge vorher hatten?

    Sicherheit, Geborgenheit, ein Dach über dem Kopf und zu essen! Was nun noch? Mehr habe ich auch nicht.

  • PB
    Paul Berger

    Siehe dazu auch die aktuelle Unterschriftenaktion auf change.org gegen das diskriminierende Gutscheinsystem für Flüchtlinge:

     

    http://www.change.org/de/Petitionen/herr-schr%C3%B6ter-herr-heinze-herr-schr%C3%B6der-keine-diskriminierung-von-fl%C3%BCchtlingen-durch-das-gutscheinsystem