Flüchtlinge an Europas Grenzen: Totschwarzes Mittelmeer
Mehr als 3.000 Menschen sind in diesem Jahr auf der Flucht über das Mittelmeer gestorben. Nirgends kommen mehr Flüchtlinge ums Leben.
GENF afp | Im Mittelmeer sind dieses Jahr bereits mehr als 3.000 Flüchtlinge beim Versuch gestorben, nach Europa zu gelangen. Wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Montag mitteilte, wurde mit 3.072 Todesopfern seit Jahresbeginn der bisherige Höchststand von 2011 deutlich übertroffen. Demnach trieb besonders der Bürgerkrieg in Syrien die Flüchtlingszahlen in die Höhe.
Die IOM verwies in ihrem 216 Seiten starken Bericht darauf, dass von den weltweit 4.077 Todesopfern unter den Migranten mehr als 75 Prozent auf die Mittelmeer-Region entfielen. In diesem Gebiet seien seit dem Jahr 2000 bereits rund 22.000 Einwanderer gestorben und damit mehr als die Hälfte der weltweit 40.000 Todesopfer weltweit, erklärte die in Genf ansässige Organisation.
Die IOM warnte, die tatsächlichen Zahlen könnten mehr als doppelt so hoch liegen, da viele Opfer in den Statistiken nicht erfasst würden. „Es ist Zeit, mehr zu tun, als Opfer zu zählen“, erklärte der IOM-Chef William Lacy Swing. „Es ist Zeit, dass sich die Welt engagiert, die Gewalt gegen verzweifelte Einwanderer zu stoppen.“ Jeder siebte Erdbewohner sei Migrant, sagte Swing und kritisierte den harten Umgang mit Einwanderern in den Industriestaaten.
Die Flüchtlingszahlen im Mittelmeer hatten während des Arabischen Frühlings 2011 zuletzt einen Höhepunkt erreicht. Doch liegt die Zahl der Opfer in den ersten neun Monaten dieses Jahres mit 3.072 mehr als doppelt so hoch wie 2011, als die IOM im selben Zeitraum 1.500 Tote registrierte. Laut dem Bericht registrierten die italienischen Behörden in den ersten acht Monaten des Jahres mehr als 112.000 Einwanderer - fast drei Mal soviel wie im gesamten Jahr 2013.
Laut der IOM sind die beiden größten Einwanderergruppen dieses Jahr in Italien Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und Eriträer. Ein Großteil der Migranten startet von der Küste Libyens, wo infolge des Bürgerkriegs der Grenzschutz weitgehend zusammengebrochen ist. Viele werden von Schmugglern in kaum seetaugliche Boote gesetzt, die vielfach auf der Überfahrt kentern.
Vor einem Jahr war die europäische Öffentlichkeit von zwei Schiffsunglücken vor der italienischen Insel Lampedusa aufgeschreckt worden, bei denen mehr als 400 Migranten starben. Erst vor wenigen Wochen sank vor Libyen ein Schiff mit rund 500 Migranten. Die elf Überlebenden berichteten, die Schmuggler hätten ihr Schiff absichtlich versenkt. Es war eines der schwersten bekannten Unglücke von Flüchtlingsbooten.
Nach den Unglücken vor Lampedusa startete die italienische Marine den Einsatz „Mare Nostrum“, um das Seegebiet vor Afrika besser zu überwachen und gefährdeten Einwanderern zur Hilfe zu kommen. Trotz wiederholter Appelle der Regierung in Rom lehnten aber die anderen EU-Staaten eine Beteiligung daran ab, weshalb Italien den Einsatz einstellen will. Er soll künftig durch einen deutlich kleineren Einsatz der EU-Grenzschutzagentur Frontex ersetzt werden.
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