piwik no script img

Flucht vor Terror im KongoVerzweiflung im Land der Azande

Über 100.000 Menschen fliehen im Grenzgebiet zwischen Südsudan und der Demokratischen Republik Kongo vor massiven Plünderfeldzügen der ugandischen LRA-Rebellen.

Die Soldaten der Sudansischen Volksbefreiungsarmee schützen das Flüchtlingslager in Gangura im kongolesisch-sudanesischen Grenzgebiet. Bild: reuters

Nabiapai existiert nicht mehr. Der Marktflecken an der kongolesisch-sudanesischen Grenze, wo Händler aufeinandertrafen, ist eine Ansammlung verkohlter Ruinen. Rebellen der ugandischen "Lords Resistance Army" (LRA) überfielen Nabiapai am Weihnachtsfeiertag, plünderten den Ort und zündeten ihn an.

Dutzende von Dörfern im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo und im südwestsudanesischen Bundesstaat Western Equatoria haben das gleiche Schicksal erlitten. Seit Mitte Dezember Ugandas Armee im Kongo die Basen der LRA zerstörte, nehmen Angriffe versprengter LRA-Truppen ständig zu. Immer mehr verzweifelte Menschen sind auf der Flucht.

Zehn Kilometer westlich von Nabiapai liegt die Stadt Gangura. Hier leben Flüchtlinge aus dem Kongo und Vertriebene aus Nabiapai zusammen. Das Lager mit 2.500 Menschen ist das größte in der Region, geschützt von bis an die Zähne bewaffneten Militärs der im Südsudan herrschenden SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee). "Wir kamen aus Nabiapai, nachdem es zerstört wurde", sagt vor dem Gesundheitszentrum eine Frau mit geschwollenen Füßen, jeder Fuß doppelt so groß wie eine Mango. "Wir rannten alle in den Busch, wir wussten nicht, wohin, und wir konnten nichts mitnehmen. Jetzt gibt es zu Hause nichts mehr, also bleiben wir hier."

Die zwanzig Kilometer lange Straße von Gangura bis in die Provinzhauptstadt Yambio, ein tief zerfurchter Feldweg zwischen dichtem Gestrüpp und hohen Bananenstauden, ist voller Menschen, die nach Norden laufen - einige wenige haben Fahrräder. "Wir kommen aus Bitima im Kongo", sagt einer aus einer Gruppe von 40 Leuten, die sich an einer Kirche ausruhen. "Wir dürfen hier bleiben, hat man uns gesagt, aber es gibt nichts für uns, wir mussten Palmenblätter als Decken sammeln." Einer der älteren Männer erklärt: "Wir sind sehr viele. Wir würden gerne zurück in den Kongo, aber da ist es nicht sicher, also bleiben wir hier." Ähnliche Gruppen gibt es überall entlang dieser Straße. "Zu Hause kann ich mich selbst ernähren, aber hier weiß ich nicht, wo ich etwas zu essen finde", sagt eine Frau mit zwei kleinen Mädchen. All diese Menschen haben im Kongo ihre Bohnen- und Reisfelder zurückgelassen.

Die Einheimischen nehmen die Flüchtlinge bereitwillig auf, denn beide gehören zum Volk der Azande, das durch die koloniale Grenzziehung zwischen Kongo und Sudan geteilt wurde. Sie organisieren sich selbst. "Am Fluss da vorne werden wir den Häuptling treffen, und dann bleiben wir da, bis wir wieder nach Hause können", sagt ein Mann in einer Wandergruppe. Einer von ihnen transportiert seinen sichtlich kranken Großvater in einer Kiste auf dem Fahrrad. Sogar der Zucker, den der Alte in seinem Tee nimmt, sei geplündert worden, erzählt er. Der Treck aus dem Kongo an diesen Fluss im Sudan dauert zwei Tage.

Wer nicht dort bleiben will, läuft weiter nach Yambio. Dort leben viele Kongolesen, zumeist Flüchtlinge aus früheren Kriegen. Die Neuankömmlinge suchen unter diesen Bekannte oder Angehörige. "Ich habe eine Kusine aus Bakiwiri im Kongo und eine Nichte aufgenommen", sagt George, ein Dieselverkäufer. "Als Nabiapai zerstört wurde, waren da meine Tante, zwei Kusinen und eine Nichte. Nur die Nichte hat es hierher geschafft. Die anderen sind mit den Tong Tong". So nennt man hier die LRA.

"Es gibt hier viele kongolesische Geschäftsleute", sagt Simon, ein Getränkehändler. "Viele Neuankömmlinge kaufen Waren ein und verkaufen sie dann auf dem kleineren Markt weiter. Das sind die Leute, die auf dem Boden sitzen, mit Gütern auf Decken vor ihnen auf dem Boden."

40 Kilometer östlich von Yambio baut das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ein Lager auf. Hier sollen die Flüchtlinge in Sicherheit leben. 5.000 Menschen sollen in Makpandu angesiedelt werden; derzeit sind es 154. Während eine Familie von ihrer Flucht berichtet, sammelt sich unter der gleißenden Sonne eine Menschenmenge. "Wir kriegen Hirse, aber nichts, um sie zu mahlen, und unsere Kinder essen das nicht", sagt ein alter Mann mit nur wenigen Zähnen.

"Es gibt kein Gesundheitszentrum, was ist, wenn jemand krank wird?", fragt einer. Ein lokaler Experte bestätigt: "Es gibt hier keine Malariamedizin, keine oralen Rehydrationstherapien, man kann keine tiefe Wunden behandeln, und in drei Wochen werden die Antibiotika alle sein." Die Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde haben seit zwei Jahren kein Gehalt bekommen.

Am Straßenrand hämmert ein Mann schwere Teakholzpfosten zusammen, er baut eine Hütte. "Ich war in Nabiapai mit meiner Nichte", erzählt er. "Aber ich habe sie seitdem nicht wiedergesehen. Ich warte hier auf sie. Hoffentlich geht es ihr gut."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • G
    Gabi

    Hallo @Sanny,

    hast Du damals schon gelebt?

    Glaube ich nicht; deshalb zeige ich nicht auf Euch, sondern rede von der Geschichte.

    Ich habe auch das Grauen von Mogadischu erwähnt, das der Lohn für humanitäre Hilfe war.

    Aber auch wenn ich heute nicht mehr den Durchblick in Punkto Afrika habe, so weiß ich doch, dass dort willkürlich Grenzen gezogen worden sind, die eben Völker auseinandergerissen haben und andere zusammenbrachten, die nicht zusammen leben wollten.

    Und den Sklavenhaltern wurde ja wohl auch in Amerika selbst Einhalt geboten.

    Ändert aber nichts daran, dass die Menschen in Afrika heute Probleme haben, die schon vor langer Zeit entstanden sind.

  • S
    Sanny

    Liebe Gabi !

     

    Zitat:

     

    "Aber ich will ehrlich sein, ich blicke in Afrika nicht durch!

    Dort wurde so perfide kolonialisiert,..."

     

    Das du in Afrika nicht durchblickst aber gleich mit dem Kolonoial-gequatsche daher kommst, ist kein Verbrechen, sondern nur einfache Unwissendheit! So sind es gerade die bösen bösen ehml. Kolonialmächte die um den Frieden in Afrika, der seit Jahrhunderten nie besondersgesichert war, bemüht sind ! Selbst eine Weltweite und permanent andauernde Welthungerhilfe, unzählige Spendenprojekte, Christliche Hilfsprojekte, Schul & Ausbildungsmassnahmen, Medizinische Hilfsaktionen etc. etc. halten unsere ach so geliebten Afrianischen Machthaber und Warlords nicht davon ab ihre eigenen Landsleute bestialisch zu massakrieren ! Die Gründe hierfür sind meist Religiöser Natur bzw. geht es um reine Vorherrschaft.

    Ständig mit dem Finger auf uns selber zu zeigen, uns die Schuld anzulassten, das mit Verlaub, ist mir zu einfach !

  • G
    Gabi

    Ist schon komisch !!!!!!

    So komisch finde ich das gar nicht; ich finde es traurig.

    Aber ich will ehrlich sein, ich blicke in Afrika nicht durch!

    Dort wurde so perfide kolonialisiert, dort wurden willkürlich Grenzen gesteckt....!

    Diese Menschen dort sind versklavt und entvölkert worden. Und das wohl mit Absicht!

    Ich erinnere mal an Mogadischu! Die USA wollten, so wurde es medial transportiert, dort humanitäre Hilfe leisten.

    Es wurde zu einen menschlichen Desaster.

    Die Amerikaner weigerten sich danach, ihre Soldaten für solche Einsätze "zu opfern"!

    Eigentlich verständlich! Obwohl..., von den Sklaven hatten sie ja lange etwas! Okay, ich erinnere nicht mehr daran.

    Aber wie gesagt, ich blicke nicht durch. Ist das dort in verschiedenen Gebieten Bürgerkrieg? Und wo ist es Krieg unter Staaten?

    Sollen unsere Soldaten lernen auf Kinder zu schießen?

    Würde ein Einsatz dort zu einem neuen "Vietnam"?

    Abgesehen davon, es wird auch ziemlich wenig in unseren Medien darüber berichtet.

    Allerdings erinnere ich mich noch an den "Heiligendamm"! Man kann nicht sagen, dass Afrika bei den Demonstranten kein Thema war. Eher im Gegenteil!

    Und wenn jetzt der Vorwurf wegen der allgemeinen Aufregung in Gaza gekommen sein sollte.... : " Was macht Israel denn gegen das Dilemma in Afrika?"

    Ich werde mich mal schlau machen.

    Aber eines weiß ich ganz genau: Das Grauen in Afrika hat mal wieder der Macht-und Ausbeutungswahn der westlichen Welt angerichtet!

    Mit Ruhm haben sie sich nicht bekleckert, allerdings haben sie auch wenig dazugelernt. Weggucken können sie immer noch gut! Nicht nur in Afrika!

  • JF
    Jean Fairtique

    Was wir davon denken?

    Ganz einfach:

    Dass Du Recht hast.

  • S
    Siri

    "was IHR davon denkt"...naja, ich bin zwar nicht IHR, und was ich zum Thema Krieg denke, ist von resignation überschattet, aber ich wills mal versuchen..

     

    Wie wollen wir - du und ich - Krieg verhindern? Das ist Utopie. Das einzige was unsere Gesellschaft versuchen kann/könnte ist, unsere Konzerne, Waffenindustrien und andere kapitalistische Figuren aus Gebieten weg zu bewegen , wo sie nichts zu suchen haben. Aber das würde einen Schritt rückwärts in Sachen Globalisierung bedeuten...

     

    Zum ARtikel: "für des Einen Glück ist des Anderen Pech" Norduganda kann sich langsam von der LRA erholen, während Nordostkongo und Südsudan zu leiden haben und die südl. zentralafrikanische Rep. wahrscheinlich am zittern ist.

  • L
    LvM

    ist schon merkwürdig:

     

    alle welt schaut auf den gazastreifen und postioniert sich, die einen sprechen von einen genozid+kriegsverbrechen und die anderen von berechtigten militäraktionen gegen den terror der hamas und ähnlichen, hier in europa und den islamischen ländern gehen 1.000ende, 10.000ende oder 100.000ende auf die strasse und demonstrieren für die eine oder andere seite und auch nicht immer gewaltfrei

     

    (nur eine eine kleine winzige minderheit, geht in andere krisengebiete, macht auf sie aufmerksam, aber werden sie gehört? hat man von ihnen denn überhaupt schon was gehört?)

     

    und ein paar flugstunden von gaza entfernt findet ein krieg kaum aufmerksam, keiner diskutiert darüber, keiner demonstriert deswegen für den frieden und es scheint so, als ob die wenigsten überhaupt wissen, das dort täglich menschen sterben und zwar wesentlich mehr als in gaza(auch wenn ich gegen das aufrechenen von toten leid bin, weil jeder ein recht auf leben hat, ob hutu, israeli, amerikaner, deutscher, tutsi, araber, mann, kind, frau, ... und vor allen keiner mehr oder weniger, aber es ist auch hier ja üblich geworden)

     

    ist schon merkwürdig:

     

    vllt sollten die usa ein paar friedentruppen schicken, vllt gibt es dann für diesen krieg etwas mehr aufmerksamkeit, da die einmischung anderer staaten vollkommen ignoriert wird, die franzosen, chinesen, italiener, belgier, briten, russen, australier(oh ja auch die, mit ihren grossen bergbaukonzernen), kanadier, upps und auch wir deutschen mischen mit im grossen verteilungskampf der ressourcen, aber taugen alle nicht wirklich als feindbild, sind halt keine amerikaner

     

    ist schon merkwürdig:

     

    aber nein, wir werden erst wieder aktiv, mit unserer bestürzung, wenn es darum geht das verbrechen im nachhinein aufzuklären und die schuldigen vor ein internationales tribunal zu stellen und sprechen unser bedauern aus und hauen die schöne floskel raus, das wir sowas in zukunft verhindern werden, lächerlich oder widerlich, was trifft da eher?

     

    irgendwie schon verdammt seltsam der mensch!!!

     

    und wenn IHR meint, ich meine den konflikt der im artikel beschrieben wird, vllt, vllt auch nicht, seht doch mal in die welt, der krieg könnte fast überall sein

     

    afrika, lateinamerika, asien und vllt bald auch in wieder in europa(konfliktstoff haben wir ja hier genug)

     

    wir hier haben scheinbar weder was aus WK1, WK2, korea, vietnam, afghanistan, jugoslawien oder uganda, kenia, indonesien, sri lanka, sudan, tschad, nigeria und so weiter gelernt, wem ist denn auch schon ruanda ein begriff, mit seinen 100.000enden toten

     

    wir haben immer noch nicht gelernt, kriege zu verhindern, bevor sie beginnen, wir reagieren immer erst, wenn es zu spät ist, wenn die neue saat des hasses schon ausgebracht ist

     

    wäre dochmal äusserst interessant zu erfahren was IHR davon denkt