Flucht über das Mittelmeer: Traueranzeigen für die Toten
Die Nichtregierungsorganisation Sea-Watch erinnert mit 800 Anzeigen an Menschen, die im Mittelmeer ertrunken sind. Das Sterben sei eine Krise der Menschenrechte.
Berlin epd | Mit 800 Traueranzeigen erinnern die Seenotretter von Sea-Watch zum Tag der Menschenrechte an Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrunken sind. Auf der Website und unter dem Hashtag #UnsereToten würden die Anzeigen über 24 Stunden hinweg in sozialen Medien und verschiedenen Tageszeitungen veröffentlicht, erklärte die Hilfsorganisation am Montag in Berlin. Damit solle der Menschen gedacht werden, die seit der Schließung italienischer Häfen für zivile Rettungsschiffe im Juni ertrunken seien.
Sea-Watch bezieht sich auf Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM), wonach seitdem 800 Flüchtlinge im zentralen Mittelmeer ihr Leben verloren. Die Dunkelziffer liege aber wahrscheinlich weit höher, betonten die Seenotretter. Da die Identität der allermeisten Toten unbekannt sei, stützten sich die Anzeigen statt auf Namen auf fiktive Beschreibungen.
So heißt es etwa: „Sein erster Sohn war gerade geboren. Ertrunken vor der Küste Al-Khums, Libyen. 1. Juli 2018“. Oder: „Er konnte schon ‚Papa‘ sagen. Ertrunken vor der Küste Al-Khums, Libyen. 1. September 2018“. Die europäische Abschottungspolitik habe diesen Menschen nicht nur das Leben, sondern auch ihre Identität genommen, heißt es zur Begründung. Die Todesanzeigen sollten im Zwei-Minuten-Takt auf den Facebook- und Twitter-Kanälen von Sea-Watch geschaltet werden.
Die Aktion sei auf den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember gelegt worden, weil die Tragödie im Mittelmeer keine Flüchtlingskrise widerspiegele, sondern eine Krise der Menschenrechte. „Während im September die Todesrate im zentralen Mittelmeer auf ein Rekordhoch gestiegen ist, tritt die Europäische Union ihre Grundwerte mit Füßen und beraubt Menschen systematisch ihrer unveräußerlichen Rechte“, erklärte der Einsatzleiter der „Sea-Watch 3“, Johannes Bayer. „Zwischen Menschenrechten und Migrationsabwehr gibt es auf hoher See jedoch keine Kompromisse: Entweder wir retten oder wir lassen ertrinken.“