Flucht-Debatte im SO36: Entschlossener im Auftritt
Den Staat unter Druck setzen oder selber anpacken? Auf einer Antifa-/Antira-Vollversammlung wurde über das Engagement in Sachen Flüchtlinge diskutiert.
Wo sollten sich antifaschistische und antirassistische Gruppen einmischen? Wo wird Hilfe gebraucht? Und was geht eigentlich gerade an „rassistischer Scheiße“ ab in Berlin? Solche Fragen diskutierten am Dienstagabend etwa 300 AktivistInnen bei einer „Vollversammlung“ von Antifa- und antirassistischen Initiativen im Kreuzberger Club SO36. Anlass für das Treffen war die Lage am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), aggressiv auftretende Bärgida-Demonstranten und die Bilder aus Heidenau.
Eine Teilnehmerin sagte, sie sei gerade aus dem Urlaub zurückgekommen und geschockt, was am Lageso los sei. Die mangelnde Versorgung der Flüchtlinge dort sei ein fatales Signal. Hier müsse politisch Druck ausgeübt werden, damit der Staat seine Aufgaben wahrnehme.
Auf diese Einschätzung gab es von mehreren Seiten Widerspruch: Auf Hilfe vom Staat könne man nicht setzen, man solle besser selbst aktiv werden. „In Moabit oder Spandau helfen viele Menschen ohne irgendeinen Antifa-Hintergrund, da sollten wir uns mit unseren Erfahrungen nicht überfordert fühlen“, sagte ein Teilnehmer. Die Strukturen seien da, wer wolle, könne sich in Initiativen in den Bezirken einbringen.
Bessere Organisation und Vernetzung der Gruppen war ein Ziel des Treffens, bei dem vor allem jüngere AktivistInnen unter dreißig und auch einige Flüchtlinge anwesend waren. „Wir brauchen eure Solidarität, aber für Veränderung, nicht nur um zu überleben“, sagte einer von ihnen. Das Ziel sei nicht ein weiterer Spendenaufruf, sondern Druck, dass Lager aufgelöst und Häuser für Flüchtlinge aufgemacht würden.
Ein weiteres Bedürfnis der Gruppen war, an die Erfahrungen der AktivistInnen aus den neunziger Jahren anzuknüpfen. „Damals sind wir nach Hoyerswerda gefahren, haben demonstriert und Flüchtlinge, die dort nicht bleiben wollten, haben wir da rausgeholt“, erzählte ein Teilnehmer, ähnliche Aktionen könne er sich für Heidenau vorstellen.
Konsens war außerdem, dass man Bärgida entschlossener entgegentreten müsse. Aufgerufen wurde zur Teilnahme an den No-Bärgida-Demonstrationen montags um 18.30 Uhr am Hauptbahnhof.
Zwei Dolmetscherinnen übersetzten die Wortbeiträge auf französisch und arabisch – das dauerte ein bisschen, dafür hielten sich die RednerInnen jeweils recht kurz. Während der Pause dünnten sich die Reihen etwas aus, zwei Teilnehmer verließen das Treffen mit den Worten: „Das ist uns ein bisschen zu blumig hier.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin