Floß-Kundgebung für den Spreepark: Eine Hälfte für die freie Kulturszene
Mit einer Floß-Demo vorm Spreepark kritisiert ein buntes Bündnis das Konzept zu dessen Umgestaltung – und stellt Forderungen.
„Das weiße Paddelboot dreht bitte sofort um. Ja, genau Sie!“ Die Ansage scheppert aus dem Lautsprecher des Polizeiboots „Albatros“ über die Spree und macht klar: Auch bei einer Demo auf dem Wasser gelten Regeln. Und offenbar sehen die vor, dass spontane Unterstützung nicht ohne Weiteres zulässig ist – vermutlich aus Sicherheitsgründen.
Im Übrigen könnte die Kundgebung am Samstagnachmittag kaum friedlicher sein. Auf den buntscheckigen, aus recyceltem Material gebauten Großflößen „Unkraut“, „Anarche“ und „Panther Ray“ sowie auf etlichen kleineren Booten kreisen ein paar Dutzend DemonstrantInnen über die Wasserfläche zwischen Stralau, Insel der Jugend und dem Plänterwald, es läuft Musik, Bier wird gezapft, man plaudert angeregt.
Auch die Slogans, die auf großen Planen an den Flößen hängen, verbreiten mehr Spaß als Wut: „Park statt Quark“ steht da oder „Tisch- statt großes Tennis“ und aus irgendeinem Grund auch das gute alte „Wir sind gut zu Vögeln“. Vielleicht soll das andeuten, dass auch NaturschützerInnen sich keine Sorgen machen müssten, wenn die mit der Kundgebung erhobene Forderung tatsächlich wahr würde: dass die freie Kulturszene eine Hälfte des ehemaligen Spreeparks im Plänterwald zur Verfügung gestellt bekommt – und nicht, wie derzeit vorgesehen, die Grün Berlin GmbH das gesamte Gelände gestaltet und verwaltet.
Die landeseigene Gesellschaft, die unter anderem auch den Britzer Garten, das Tempelhofer Feld und das IGA-Gelände in Marzahn betreut, entwickelt seit 2016 im Auftrag der Senatsumweltverwaltung ein Nutzungs- und Betriebskonzept für den einstigen Ostberliner Vergnügungspark, der nach der Insolvenz des Betreibers im Jahr 2002 endgültig schließen musste, und in dem heute nur noch das rostige Riesenrad sich quietschend im Wind dreht. „Kunst, Kultur und Natur behutsam zu vereinen“, ist das Ziel der Grün Berlin in ihren eigenen Worten. Sie plant einen „geschützten Ort, an dem sich Kunst ohne wirtschaftlichen Druck oder Angst vor Verdrängung entfalten kann“.
„Disney-ähnlicher Park“
Klingt gut, aber die Leute auf den Flößen glauben nicht daran. Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Katalin Gennburg, die die Demo angemeldet hat und auf dem Oberdeck der „Unkraut“ mitschippert, will nicht, dass „viel Geld in einen teuren, durchkuratierten, Disney-ähnlichen Park gesteckt“ wird. Den von der Grün Berlin gestarteten Beteiligungsprozess sieht die direkt gewählte Treptower Abgeordnete skeptisch: „Da hatten am Anfang ganz viele angedockt, die Flößegemeinschaft oder die Clubcommission. Aber anstatt in das Konzept integriert zu wersden, sind sie alle nach und nach rausgeflogen.“ Auch die AnwohnerInnen und die lokale Politik seien nicht mitgenommen worden.
Gennburg sieht Parallelen zum Tempelhofer Feld: „Da hatte sich aus dem Volksentscheid ein alternativer Feldbeirat gegründet, aber als die Grün Berlin die Fläche übertragen bekam, hat sie diese Selbstorganisation nicht akzeptiert und alles neu gestartet.“ Ganz zu schweigen vom Zaun um den ehemaligen Flughafen und den Securitydiensten, die der Linken ein Dorn im Auge sind.
Beim Spreepark soll das anders laufen, finden auch Steffi und Daniel vom „Unkraut“-Kollektiv. Sie berichten, dass die kleine Flöße-Community, die sich seit einigen Jahren in der Rummelsburger Bucht aufhält, zunehmend Ärger mit den BewohnerInnen der rundherum entstandenen schicken Neubauten bekommen. Ihre Vision? „Wir würden uns Liegestellen am Spreepark wünschen“, sagt Steffi, „einen Kulturfloßhafen, wo man anlegen und Leute willkommen heißen kann, der für das Kreative und Bunte der Stadt steht.“
Ähnliches stand auch im Demo-Aufruf, den die Clubcommission verschickt hatte: Es gelte, „eine der letzten stadtnahen Freiflächen für das Schrille, das Schräge, das Nicht-Eingängige, das Berlin ausmacht, zu reklamieren“. Ein Teil des Geländes, das jetzt auf eine „pompöse Eröffnnung in vielen Jahren“ warte, müsse für die Entwicklung von Projekten geöffnet werden, ein Raum solle entstehen, „der die smarteste aller Ressourcen Berlins, ihre Bürger*innen, einbezieht statt abspeist“.
Eine frohe Botschaft
Vielleicht bekommt die Szene, die sich schon mal „Offene Republik Spreepark“ nennt, tatsächlich noch einen Fuß in die Tür, obwohl der Prozess der Spreepark-Neugestaltung längst angelaufen ist, wie große Informationstafeln am Rande des Geländes verkünden. Auch der Grünen-Abgeordnete Georg Kössler, in seiner Fraktion unter anderem für Clubkultur zuständig, ist auf ein Floß geklettert – und er hat eine frohe Botschaft mitgebracht: Der grüne Umweltstaatssekretär Stefan Tidow habe seine Bereitschaft signalisiert, sich noch einmal mit allen Beteiligten und InteressentInnen an einen Tisch zu setzen.
Wenn es dazu kommt, gibt es vielleicht auch noch eine Lösung für das Nestlé-Problem: Der Lebensmittel-Konzern hat derzeit einen Exklusivvertrag mit der Grün Berlin GmbH und darf die Kioske und Gastronomiebetriebe auf den Flächen unter ihrer Regie mit seinen Produkten bestücken. Für Katalin Gennburg ist das „ein Schlag ins Gesicht der vielen kleinen Produzent*innen Berlins. Im Spreepark sollte vielmehr das urban manufacturing zum Zuge kommen.“ Kiez-Limo statt Nestea, sozusagen. Darauf zapft man sich auf dem Floß noch ein kühles Bier.
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