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Fliegt Feuer-Fritze?

■ SPD stimmt über MVA Neuhof ab / Kippt der Parteitag den Vorschlag des Umweltsenators, dürfte auch Vahrenholt kippen Von Uli Exner

Kaum gewählt - und schon naht die erste Bewährungsprobe für den designierten neuen SPD-Parteichef Jörg Kuhbier: Die Entscheidung über die vom Senat gewollte, von örtlichen Politikern und Initiativen heftig befehdete Müllverbren-nungsanlage im Wilhelmsburger Ortsteil Neuhof. Und damit wohl auch über die politische Zukunft des sozialdemokratischen Umweltsenators Fritz Vahrenholt.

In einem Antrag für den am Freitag beginnenden Parteitag der Sozialdemokraten fordert der SPD-Kreis Harburg kategorisch: „Der Bau einer Müllverbrennungsanlage in Wilhelmsburg wird abgelehnt.“ Begründung: „Auf Grund der bereits bestehenden ökologischen und sozialen Belastungen ist eine weitere Belastung für die Wilhelmsburger nicht hinnehmbar.“

Stimmen die Parteitagsdelegierten dem Antrag zu, dürfte ein Rücktritt Vahrenholts noch nicht mal mehr eine Frage der Zeit sein. Zu stark hat sich der Umweltsenator - Rathaus-Spott: „Feuer-Fritze“ - für den Standort Wilhelmsburg engagiert. Knifflige Aufgabe also für Vahrenholts Vorgänger Kuhbier, der nun einen Konflikt moderieren muß, zu dem er sich bereits recht dezidiert geäußert hat. Per taz-Interview bezweifelte der neue SPD-Chef am vergangenen Freitag die Notwendigkeit einer neuen Müllverbrennungsanlage und kritisierte das Vorgehen Vahrenholts in Sachen Neuhof heftig: „Entscheiden, verkünden, verteidigen - so können wir heute nicht mehr vorgehen.“

Vahrenholt hatte im Januar überraschend den Bau einer neuen Müllverbrennungsanlage samt Standortentscheidung angekündigt und dafür trotz nachgereichter ausführlicher Begründung heftige Prügel bezogen. So wetterte der Harburger Bundestagsabgeordnete und Bonner SPD-Fraktionschef Uli Klose, daß er in seinem gesamten Wahlkreis gar nicht so viele Wählerstimmen hinzugewinnen könne, wie er durch die MVA-Entscheidung in Wilhemsburg verlieren würde. Auch vor Ort wandten sich SPD-Kommunalpolitiker mit kräftiger Unterstützung Wilhelmsburger Bürger-Initiativen gegen die Pläne Vahrenholts. Folge: Der Senat verschob die Entscheidung über den Standort, ordnete eine mochmalige Überprüfung an.

Doch die wird nicht viel Neues bringen. In Rathaus-Kreisen gilt der Standort Wilhelmsburg unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten als der mit Abstand beste. Die MVA in Neuhof soll ein älteres Ölheizkraftwerk ersetzen mit einem doppelten Effekt: Die MVA soll, so rechnete Vahrenholt akribisch vor, weniger Schadstoffe ausstoßen als das alte Kraftwerk, die Abwärme aus der Müllverbrennung würde dessen Heizenergie locker ersetzen.

Vahrenholts bisheriges Problem: Die Neuhof-Debatte drehte sich kaum um sachliche Aspekte der Müllentsorgung, sondern um die emotional besetzte Frage: Darf eine Anlage, die - Schadstoffreduzierung hin oder her - ein derart negatives Image vor sich herträgt wie eine MVA, ausgerechnet im stigmatisierten Problemstadtteil Wilhelmsburg gebaut werden?

Mit den Einwänden Kuhbiers kommt eine zweite - nunmehr fachliche - Schwierigkeit hinzu, die zwar bereits für Auseinandersetzungen zwischen GAL und Sozialdemokraten sorgte, SPD-intern bisher jedoch unumstritten war. Braucht Hamburg eigentlich höhere Müllverbrennungskapazitäten? Was für Vahrenholt zweifelsfrei ist, stellt sein neuer Parteichef in Frage: „In dem Abfallwirtschaftsplan, den ich mit verabschiedet habe, ist eine solche Müllverbrennungsanlage nicht enthalten. Neuere Daten stehen mir nicht zur Verfügung.“

Ob Vahrenholt die am Wochenende vorlegt? Zumindest der Ort des Parteitags ist gut gewählt: Bürgerhaus Wilhelmsburg.

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