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Fliegender UmweltministerKlima-Heuchler vom Dienst

Der Bundesumweltminister reist im Flugzeug. Unerhört!, finden "Bild" und andere Medien. Für den eigentlichen Skandal - die fliegerfreundliche Politik - gibts weniger Interesse.

Wenn selbst der Umweltminister so viel fliegt, dann darf ich das ja wohl auch Bild: dpa

Sigmar Gabriel fliegt mit dem Flugzeug! Manchmal auch aus Hannover! Und in diesem Jahr schon dreimal ganz allein! Endlich ein Klima-Thema, das die Volks-Seele so richtig bewegt. Ihr Zentralorgan, die Bild am Sonntag, gab den Takt vor: "So verpestet der Umweltminister die Luft." Und am nächsten Tag ziehen viele andere mit: Sigmar Gabriel steht als "Klima-Heuchler" am Pranger, die deutschen Medien fürchten um "Glaubwürdigkeit", "Vorbildfunktion" und "Bodenhaftung" des Ministers, der "Wasser predigt und Wein trinkt".

Keine Frage - Gabriel ist ein dankbares Ziel. Der Umweltminister tritt sehr selbstbewusst auf, geht mit Gegnern nicht zimperlich um und fordert von anderen gern im Brustton der Überzeugung Verhaltensänderungen im Interesse der Umwelt. So einem mal den Spiegel vorzuhalten, ihm eins auszuwischen, ist eine große Versuchung.

Und dass dienstliche Reisen sich dazu gut eignen, hat die Vergangenheit gezeigt. Der öffentliche Aufschrei ist garantiert. Rita Süssmuth kam in Bedrängnis, weil sie angeblich auch Familienmitglieder per Dienstwagen chauffieren ließ. Rudolf Scharping wurde als Verteidigungsminister angezählt, als er sich von der Flugbereitschaft der Bundeswehr am Urlaubsort Mallorca absetzen ließ. Gregor Gysi trat als Berliner Wissenschaftssenator zurück, nachdem er auf dienstlichen Reisen erworbene Bonusmeilen anschließend für private Flüge nutzte. Baden-Württembergs Ministerpräsident Lothar Späth musste zurücktreten, weil er sich Reisen von der Industrie bezahlen ließ.

Der "Fall Gabriel" steht zwar in der Tradition dieser früheren Affären, geht aber einen Schritt weiter. Die Flüge des Umweltministers gingen in allen Fällen zu dienstlichen Terminen, die anders nicht hätten wahrgenommen werden können. Dass Gabriel die Flugbereitschaft nutzen durfte, stellen seine medialen Kritiker darum auch gar nicht in Frage. Angegriffen wird der Minister rein moralisch - dass ausgerechnet er so viel Kohlendioxid in die Luft bläst, wo er doch stets vor dem dadurch verursachten Klimawandel warnt.

Diese Argumentation ist absurd. Natürlich hat der Umweltminister eine besondere Vorbildfunktion und sollte auf unnötige Flüge verzichten. Doch seine Aufgabe, das Klima zu schützen, kann er nicht dadurch erfüllen, dass er selbst zu Hause sitzt und brav CO2 spart. Dieses globale Problem erfordert internationale Verhandlungen - und die sind ohne Flugzeug nur schwer zu führen. Heuchelei, das sind nicht die Reisen des Umweltministers - das ist die Tatsache, dass an seine Reisen, etwa zu Konferenzen über erneuerbare Energien oder zum Umweltministerrat, andere Maßstäbe angelegt werden als an andere Reisen.

Die kleinkarierten Vorwürfe dienen Schreibern wie Lesern nicht nur zur eigenen Entlastung - nach dem Motto "Wenn selbst der Umweltminister so viel fliegt, dann darf ich das ja wohl auch". Sie lenken auch von einem viel wichtigeren Versagen Gabriels in Sachen Flugverkehr ab. Denn der Klimakiller Fliegen ist bei den Plänen der Regierung ziemlich gut weggekommen. Zwar ist geplant, die Fliegerei in absehbarer Zeit in den Emissionshandel einzubeziehen. Doch auf eine Kerosinsteuer wird weiterhin verzichtet - selbst bei innerdeutschen Flügen, über die die Bundesregierung ganz allein entscheiden könnte. Auch eine Ticketabgabe ist in Deutschland - im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten - nicht geplant.

Umweltprobleme werden nicht allein dadurch gelöst, dass Einzelne freiwillig ihr Verhalten ändern, sondern in den meisten Fällen nur durch allgemeingültige Regeln. Dem Klima hilft es mehr, wenn der Umweltminister Inlandsflüge verteuert (oder besser verbietet), als wenn er nur selbst darauf verzichtet. Doch diese Forderung hat in den Medien weniger Konjunktur. Schließlich würde sie sich nicht nur gegen "die da oben" richten, sondern gegen alle.

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6 Kommentare

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  • A
    Anonymus

    Herr Voß, was soll denn dieser Blödsinn? Staatstragendes Organ? Wenn eine Zeitung wenigstens denn Mumm hat, sich gegen den Blödsinn zu stellen, den der Großteil der Medienlandschaft so von sich gibt, finde ich das in Ordnung.

    Da die Bildzeitung das Handeln von Herrn Gabriel und von Frau von der Leyen hinsichtlich ihres Flugverhaltens kritisiert und diese Bewertung auf eine rein quantitative Betrachtung reduziert und alle weitergehenden qualitativen Aspekte, wie z.B. Notwendigkeit und Bedeutung der Flüge für das politische Geschehen als Kriterien unberücksichtigt lässt, ist es doch schön festzustellen, wenn die taz nicht auf Bildzeitungsniveau nachplappert, sondern im dialektischen Diskurs bleibt. Auch wenn es in diesem Falle so scheint, dass gegenüber dem staatlichen Handeln Verständnis gezeigt wird.

    Eine Bewertung kann eben nur so gut sein, wie die Kriterien sind, die der Bewertung zugrunde gelegt werden. Nochmals zu Herrn Voß: Die Erfüllung der klimapolitischen Ziele der Regierung an Hand der Anzahl bzw. der Art der Dienstreisen zu messen, finde ich einen grandiosen Schachzug. Einen solchigen findet man sonst nur noch bei Auflagen stärkeren Zeitungen. Nicht aber bei der taz. Mein Tipp an Herrn Voß: Zeitung wechseln!

  • SV
    Stefan Voß

    Auf diesen Artikel habe ich nur gewartet. Nach fast 30 Jahren taz-Geschichte wird diese Zeitung endlich zu einem staatsragenden Organ. Der arme Herr Gabriel kann ja gar nicht anders und muss so viel reisen! Auch mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr. Na klar. Besonders witzig fand ich Herrn Gabriel als er demonstrativ mit der Bahn fuhr und sein Chauffeur mit dem Dienstwagen hinterher. Aber ist auch egal. Was hat diese Regierung an klimapolitischen Zielen eigentlich erreicht? Rein gar nichts. Auch nicht Herr Gabriel. Ich wünsche der taz noch viel Erfolg in der Rolle als Hofberichterstatter.

  • SF
    S. Fritzsche

    Das Verbot von Inlandsflügen ist in der Tat eine prima Idee. Vielleicht sollte man auch sonst das Fliegen generell verbieten. Zu Lande gibt es schließlich Pferdekutschen und zu Wasser Segelboote. Die eigentliche Heuchelei sind solche Forderungen. Zumal sie meist von Leuten kommen, die auf die mit Atomstrom und Energie aus Kohlekraftwerken betriebene Bahn schwören.

  • AC
    Anna Coels

    Ich bin total mit Ihnen einverstanden. Es geht darum, endlich das Fliegen einzudämmen. Von uns allen, von Otto und Emma Normalverbraucher, von den Geschäftsleuten, die für 48 Stunden oder weniger nach Südamerika jetten, aber eben nicht vom Umweltminister, der Termine jagt.

    Da ist, ganz wie Sie sagen, eine Menge Heuchelei im Spiel.

  • BZ
    Björn Zech

    Ich bin ein wenig über den Vorschlag irritiert, Inlandsflüge zu verbieten? Was würde das für mich bedeuten? Ich würde überall mit dem Auto hinfahren! Angenehm wäre das jedoch nicht.

     

    Nach einer jahrelangen Leidensgeschichte, die ich Ihnen hier erspare, bin ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der Bahn einfach durch. Nie mehr wieder! Definitiv! Nein! Und leider bin ich nicht der Einzige mit dieser Erfahrung.

     

    Was bedeutet das nun für Ihren Vorschlag? Gewaltsames Verbringen des Reisenden in die öffentlchen Verkehrsmittel durch die Bundespolizei? Legitimierte Einschränkung der Freizügigkeit durch Klimaschutz-Notverordnung? Vielleicht ließe sich das ja mit Schäuble sogar machen, der Mann ist ja für Vorschläge offen.

     

    Viele Grüße

    Björn Zech

  • PP
    P. Pfisterer

    TAZ lügt! Boykott jetzt!

    Sie schreiben:

    "Gregor Gysi trat als Berliner Wissenschaftssenator zurück,".

    Das ist frei erfunden. Gregor Gysi war nie Wissenschaftssenator. Gezielte Desinformation der Massen? Oder schlichte Unkenntnis der politischen Szene? Er war Wirtschaftssenator.