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Fleischkonsum in Berlin"Fetter Speck für die Ehrengäste"

Antje Schiffers hat für ein Kunstprojekt Traditionen der Fleischverarbeitung untersucht und stieß auf zahlreiche Hindernisse. Etwa: Wo schlachtet man heutzutage schonend?

Das ist nicht Rosie, sondern ein gerettetes Kalb. Bild: AP

taz: Frau Schiffers, Sie setzen sich als Künstlerin mit Landwirtschaft auseinander. Warum?

Antje Schiffers: Ich bin auf einem Hof aufgewachsen, und die Arbeit in der Landwirtschaft ist mir vertraut. Landwirtschaftliche Produktion und das Dorf als ihr Ort waren mir in meiner Arbeit schon immer sehr wichtig.

Für Ihr Projekt Vorratskammer haben Sie ein Jahr lang die Vorratskammern des Hauses der Kulturen der Welt gefüllt. Die wurde dann bei einem Festival binnen fünf Tagen leer gegessen. Worum ging es bei dem Projekt?

Antje Schiffers

wurde 1963 in Heiligendorf in Niedersachsen geboren, lebt und arbeitet in Berlin. 2003 gründete sie mit den Künstlerinnen Kathrin Böhm und Wapke Feenstra die Initiative myvillages.org.

Wir wollten alles in Berlin oder in der Nähe von Berlin produzieren und lokale Traditionen der Verarbeitung erforschen.

Warum haben Sie auch Fleisch verarbeitet?

Fleisch gehört zu den Esstraditionen Berlins dazu. Außerdem haben wir Kuhmilch verarbeitet, unter anderem haben wir Käse gemacht. Und es gibt nun mal keine Milch, wenn keine Kälber geboren werden. Die Frage ist also: Wohin mit den Kälbern?

Sie haben ein Kalb geschlachtet?

Wir haben unsere Milch auf einem Hof innerhalb der Stadtgrenzen gekauft. Unser Kalb hieß Rosie. Wir haben ihm Delikatessen gebracht, zum Beispiel Presskuchen, nachdem wir Sonnenblumenöl gepresst hatten. Rosie war acht Monate alt, als sie sterben musste. Mit acht Monaten ist ein Kalb schon ganz schön groß, fast ein Rind. In der Massentierhaltung werden Kälber dagegen schon nach drei bis fünf Monaten geschlachtet.

Haben Sie für Ihre Vorratskammer auch noch andere Fleischsorten verarbeitet?

Wir kauften zwei Schweine bei der Domäne Dahlem und ließen sie schlachten. Die Domäne Dahlem hat uns sehr interessiert. Sie ist ein Freilandmuseum und ein landwirtschaftlicher Demonstrationsbetrieb, der ganz bewusst in die Stadt gelegt wurde, damit man nicht vergisst, wo das Essen, das man auf den Teller bekommt, herkommt und wie es verarbeitet wurde. Außerdem werden dort Tierrassen gezüchtet, die gefährdet sind. Eine tolle Einrichtung. So durften wir uns zwei Sattelschweine aussuchen. Keine leichte Aufgabe: Es war ja eine Art Todesurteil.

Und dann?

Weil es sich um Schweine von einem Biohof gehandelt hat, sollten sie auch schonend geschlachtet werden. In Berlin gibt es aber keine Schlachthäuser mehr. Also mussten die Schweine zum nächsten Schlachter gefahren werden, der biologisch schlachten kann. Das war in Trebbin, eine Reise von 80 Kilometern.

Waren Sie dabei?

Nein. Aber ich kenne das Schlachten seit meiner Kindheit, bei uns zu Hause gab es noch Hausschlachtungen auf dem Hof. Das Töten ist für niemanden angenehm, es ist nie schön. Selbst bei der schonenden Schlachtung guckt einen das Tier am Ende noch einmal vertrauensvoll und erkennend an. Da war also niemand dabei, der nicht dabei sein musste.

Was passierte nach der Schlachtung mit dem Fleisch?

Es musste zurück nach Berlin transportiert werden, nach Moabit. Am Großmarkt befindet sich die Berliner Fleischerfachschule der Innung. Dort baten wir den Fachschulleiter, die Schweine zu zerlegen und zu verarbeiten. An diesen Schweinen konnte er seinen Schülern eine geschlagene Woche lang etwas beibringen, was heute kaum mehr gelehrt wird: nämlich wie man ein Schwein von der Schnauze bis zum Schwanz komplett verarbeitet. Er hat das Blut verarbeitet und die Schwarten, er hat die Knochen ausgekocht, sogar die Füße wurden gefüllt.

Was war denn das Leckerste an den Schweinen aus Dahlem?

Der fette Speck. Den gab es nur für die Ehrengäste, zusammen mit unserem selbst gebrannten Schnaps. Was auch sehr gut war: die Filetrotwurst. Die wurde gemacht, weil es im 19. Jahrhundert in Berlin eine Wurstkunstschule für die großbürgerliche Bewirtung gab. Da wurden in den Pasteten und Sülzen aus den verschiedenen Fleischsorten richtige Bilder gelegt.

Wie reagieren die Berliner auf Ihre Erforschung der lokalen Landwirtschaft?

Das Thema kommt hier in Berlin für viele an wie aus einer anderen Welt, es ist sehr exotisch. Aber in letzter Zeit interessieren sich immer mehr Leute dafür.

Zusätzlich zum Thema am Samstag in der taz.Berlin-Wochenendausgabe: Eine Reportage über den bewussten Konsum von Fleisch und ein Selbsterfahrungsbericht. In Ihrem Briefkasten und am Kiosk!

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8 Kommentare

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  • MB
    Michael B

    Ein Tier nur dann zu essen, wenn man in der Lage wäre, es zu töten, ist ein interessantes Kriterium. Ob dieses im Sinne des Tieres ist, ist natürlich fraglich; aber besser, als gar kein Kriterium. Unklar ist jedoch, ob damit nicht Abgebrühtheit zu einem erstrebenswerten Gut erklärt wird. Nach dem Motto: "Ich kann das."

     

    Aber selbst wenn nicht, habe ich schon viele Leute erlebt, die gesagt haben, dass sie dazu in der Lage wären, einem Tier den Hals umzudrehen. Wirklich gemacht hatte es aber noch keiner von denen. Also, bitte: Dann mach mal!

  • S
    Schonschnecke

    Schonendes Schlachten ? Köstlich !

  • S
    Schoni

    Vergeblich suche ich im Archiv den Artikel "Rückkehr eines Rohstoffs" von Susanne Messmer. Ich kann zu alledem nur sagen, dass ich es nicht nachvollziehen kann, wie man völlig emotionslos einer Ziege, die gerade geschlachtet wird, in die Augen sehen kann. Schon die Bezeichnung "Rohstoff" ist so zynisch. Tiere sind Lebewesen!! Was kommt danach, wann regt sich Mitleid, wenn einem Lebewesen was zugefügt wird??

  • WB
    Wil Biezen

    Das Kalb wurde liebevoll aufgezogen, zeigte sich vertrauensvoll zu dem "Erzieher" und wurde dann im hohen Alter von 10 Monate geschlachtet.

    Normalerweise nennt man das HINTERHÄlTIG.

    Du umarmst deine Freundin oder dein Freund und ...

    stichst dann, natürlich sanft, ein Messer in den Rücken, damit sie/er sofort tot is.

  • BW
    Bob Willis

    Ich bin der Überzeugung, dass alle die sich ernstgemeint und aufrichtig für die Rechte und das Wohl der Tiere einsetzen wollen, als erstes aufhören sollte diese zu essen.

  • L
    lebensretter

    "Tiere laufen nicht Gefahr, in die Hölle zu kommen,

    sie sind auf Erden schon dort."

    - Victor Hugo -

    mehr fällt mir nicht zu so etwas ein! es ist traurig, wie sich auf kosten anderer vergnügt wird und wie toll es dann medial aufbereitet wird.

    jaja, ich weiß: massentierhaltung ist ja viel schlimmer und so.. ja, irgendwas ist immer schlimmer, das macht etwas schlimmes aber nicht besser.

  • S
    Schweine

    > Das Töten ist für niemanden angenehm, es ist nie schön.

     

    Ich bin mir sicher, das getötete Tier hätte vollstes

    Verständnis und tiefe Empathie für die große emotionale

    Bürde, die alle anderen "Beteiligten" immer wieder

    gleichsam heroisch auf sich zu nehmen bereit sind.

     

    Man fragt sich, wer das Tier ist.

  • J
    josha

    die primitivität mancher menschen kennt kaum grenzen. dazu kann ich nur noch sagen, "wer fleisch isst, hat aus den verbrechen der 1930.er und -40.er jahre nichts! gelernt".

    frau schüffers und co. fühlen sich so modern und zukunftsweisend. dabei sind sie ein schritt nach hinten.

    wer dem tier in die augenblickt und es trotzdem tötet und kein echtes mitgefühl entwickelt, sollte sich behandeln lassen.

    wir leben nicht mehr in einer zeit, in der man auf kosten anderer leben muss...