: Flammende Herzen
Sponsoring verändert nicht die Kunst, sondern die Kommunikationsformen: Immer mehr Agenten, Berater und Vermittler kümmern sich in Berlin um die marktgerechte Präsentation von Künstlern
von KATRIN BETTINA MÜLLER
Das „Löwenpalais“ in Grunewald ist ein ganz spezieller Ort. Seit Anfang der Neunzigerjahre dient die prunkvolle Villa, vom Vater dem Sohn als Kulturstiftung vermacht, für Ausstellungen und Stipendiatenwohnungen. Seitdem hat sich Jörg Starke mit Vehemenz darangemacht, so etwas wie eine Kulturschickeria in sein Haus zu locken. Wer hier ausstellt, muss „weltberühmt“ sein wie Yoko Ono oder Sol LeWitt oder aber ein „Shootingstar“ mit einem „steil nach oben zeigenden Trend“, wie der letzte Pressetext zu Bjorn Melhus versprach.
Zur jüngsten Eröffnung im renovierten Haus flatterte neben der Einladung ein gelber Zettel aus dem Kuvert, gewidmet den Sponsoren: „Für Stricker ist Kultursponsoring in seiner Firmenphilosophie ebenso wichtig wie Gintonic an der Bar.“ Oder: „Viessmann. Erwärmt auch unser Herz. Dass ein Heizungsunternehmen auch Kultursponsoring betreibt, sollte ein gutes Vorbild für andere Unternehmen sein.“
Insgesamt gibt es elf dieser Statements. Die Prosa der Sponsoren, die die Stiftung Starke mit mit Sachleistungen wie Büromöbel, Licht und Overhead-Projektoren unterstützt haben, besticht nicht gerade durch Abwechslung. Sie tragen ihr Kunstengagement wie ein Hemd, von dem noch nicht raus ist, ob es schick ist und warm hält.
„Wer sponsort hier eigentlich wen?“, geriet neulich ein Bildhauer ins Grübeln, dessen Name zufällig mit der gleichen Initiale begann wie der seines Sponsors, der ihn mit einem Nachwuchspreis ausgezeichnet hatte.
Zur Pressekonferenz hielt der Sponsor dann jede Menge Broschüren über sein Dienstleistungsunternehmen bereit. Mitarbeiter standen Spalier, die Journalisten nach dem Ausstellungsbesuch abzufangen: oben Kunst, unten Messe. Der Sponsor schien sich nicht sicher, welche Bühne er im Hamburger Bahnhof eigentlich betreten hatte und welches Publikum da zu erwarten war.
Ein altes Vorurteil gegen Sponsoren war die Angst, sie könnten in die Kunst reinreden. Das haben sie gar nicht nötig, doch mit ihrem Engagement verändert sich sehr wohl der Rahmen, in dem die Kunst wahrgenommen wird. Der vage Begriff von der allgemeinen Öffentlichkeit zerfällt in spezielle Zielgruppen. Die müssen nicht unbedingt elitär sein. Aber es verbindet sie vor dem Interesse an der Kunst schon immer etwas anderes: eine gemeinsame Geschäftsbeziehung oder als potentielle Kunden für den Sponsor interessant zu sein.
Doch nicht nur die Kleiderordnung der Vernissagengänger wandelt sich, sondern vor allem der Gestus der Kunstvermittlung. Die Sprache der Sponsoren kennt keinen Konjunktiv und kein Futur: Aus jedem Werden, Wollen und Wünschen macht sie einen Fakt. Positive Thinking. Wo die Kunst von der Haltung des Zweifelns und des Fragens lebt, wird sie umgebucht auf die Haben-Seite ihrer Förderer.
Letztes Jahr gab Philip Morris eine hundertseitige Broschüre heraus, in der das Unternehmen auf 25 Jahre Kunstförderung in Deutschland zurückblickte. Eine doppelseitige Abbildung zeigte eine Berliner Straßenszene von 1921, als sich der Maler Nikolaus Braun über Schriften und Schaufenster hergemacht hatte und wie in einem Puppenhaus Verkaufszenen aneinander reihte. Das Bild markiert die Anfangsjahre eines jetzt schon über hundert Jahre währenden Konkurrenzkampfes zwischen Kunst und Werbung im Bild der Stadt und vor allem im kollektiven Bildgedächtnis.
Die Broschüre setzte Statements von Künstlern, Managern und Politikern nebeneinander, die „Dynamik“, „Kreativität“ und „Innovation“ als gemeinsames Anliegen herausstellen. Das ist auch die Botschaft der Abbildungen von Werken und Workshops, die ohne Angaben von Autor, Zeit und Ort den locker gestreuten Text illustrieren. Kunst wird zum Baustein im Corporate Design.
Was man in den Werken lesen kann, verändert sich im Kontext des Sponsoring. Werbebotschaften gleichen sich, Werbemüdigkeit hat die Konsumenten abgestumpft. Doch die Kunst, die wegen ihrer differenzierten Ausdrucksweise mit ins Boot genommen wird, erleidet leicht einen Trivialisierungs-Schock unter den Vorzeichen der „Firmenphilosophie“. Dann wird „Internationalität“ oder „Innovation“ zu ihrem hervorstechenden Merkmal, der andere inhaltliche Intentionen überdeckt. Besonders in Berlin, dem eine alteingesessene Wirtschaft fehlt, nutzen Banken, Energiekonzerne, Versicherungshäuser, Dienstleister und die Immobilienbranche die Kunst, um die Kraft der Erneuerung zu beschwören.
Die Diskursform wird zur Regel: Pressemappen zum Beispiel werden immer dicker, während ihr Informationsgehalt schrumpft. In der Mappe, die die Deutsche Guggenheim zu Lawrence Weiner verteilte, fanden sich einige kluge Sätze mindestens viermal: auf der Presseeinladung, in der biografischen Skizze, im Text zum konkreten Werk, auf Blättern zu Auflagenobjekten, Katalog und Beiprogramm. So wird die Kommunikation über ein Kunstwerk in eine vielfältige Produktpalette aufgesplittert, die ständig den gleichen Text wiederholt. Es wächst der Rattenschwanz von Agenten, Beratern, Mediatoren und Vermittlern hinter jedem Künstler. Sie verpacken sein Anliegen mundgerecht für jeden Anlass, etwa zu den Lunch-Lectures, die die Deutsche Guggenheim anbietet.
Auf der Pressekonferenz des Berliner art forums, das von der Deutschen Bankgesellschaft unterstützt wird, führten die rituellen Beteuerungen zum Standort Berlin zu ersten Unmutsäußerungen. Newsletters, Pressemitteilungen, Katalogtexte, Anzeigen, Statements, Antworten in Interviews: Man hört kaum noch hin, man kann es schon auswendig. Ganz schnell wird der viel beschworene Dialog zwischen Kultur und Wirtschaft zum weißen Rauschen.
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